Wie kann jemand nah und fern sein? Und das womöglich zugleich? Ich denke an meinen Vater, der vor langer Zeit gestorben ist. Manchmal erinnere ich mich an ihn und dann ist es so, als sei er da. Mir wird warm bis in die Fingerspitzen. Wie aber ist es mit Gott, den ich weder sehen noch anfassen kann? Wie kommt er mir nah? So, dass ich mich an ihn erinnern kann und er spürbar bleibt, auch, wenn er fern ist? Manche Menschen erzählen von spektakulären Gotteserfahrungen. So etwas hat es in meinem Leben nicht gegeben. Aber mir wurde früh erzählt von Gott, er (ja, er!) wurde sozusagen vorausgesetzt. Mittags und abends beteten wir. Sonntags besuchte ich den Kindergottesdienst. So selbstverständlich wie die Eltern war auch Gott da. So habe ich Erinnerungen und ein Urvertrauen mitbekommen, dass das immer so ist, unabhängig davon, ob ich Gott als nah oder fern empfinde. Ob man ein solches Vertrauen auch später im Leben noch lernen kann? Indem man so lebt, als ob es Gott gibt und er (oder sie) in der Nähe sei? Ich schaffe mir Rituale, um ihm Raum zu geben. Ich lese biblische Worte, die Losungen etwa, und breite vor Gott aus, was mich bewegt. Ich nehme mir auch eine Weile, in der ich lausche. Wenn es still bleibt, gestehe ich Gott sein Schweigen zu. Ich bleibe da, auch wenn er fern zu sein scheint. Ja, ich kann leben, als sei er da. Vielleicht spüre ich ihn und mir wird warm bis in die Fingerspitzen. Vielleicht spüre ich nichts. Dann will ich einüben zu vertrauen: Selbst, wenn Gott fern ist, kann er doch da sein, mir nah.
Tina Willms