Im Supermarkt streiten sich zwei Kinder. Geschwister, vermutlich. Ich denke zuerst noch: „Ach, niedlich.“ Doch es bleibt nicht bei den kleinen Neckereien der einen Schwester. Die andere lässt das nicht auf sich sitzen und zieht der ersten an den Haaren. Als Antwort bekommt sie einen Tritt gegen das Schienbein und kurz darauf weinen beide kläglich.
So weit, so normal. Auch viele Erwachsene streiten sich so. Ich kenne diesen Reflex auch von mir: Wenn jemand mich angreift, mich ärgert oder bloßstellt, will ich zurückschlagen. Mich wehren. Aktiv werden. Nicht selten entsteht daraus eine Spirale der Gewalt, bei der niemand mehr gewinnen kann.
Jesus schlägt deshalb vor, in so einer Situation anders zu reagieren. Gar nicht so, wie es dem ersten Impuls entspricht. Im Lukasevangelium steht es folgendermaßen:
„Jesus Christus spricht: Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen! Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch beschimpfen!“
Lk 6,27-28
Viele Menschen finden diese Aufforderung skandalös oder dumm. Wer sich nicht wehrt, gilt als schwach. Dabei liegt eine unheimliche Stärke darin, nicht zurückzuschlagen. Nicht Gleiches mit Gleichem zu vergelten, sondern der Spirale der Gewalt zu entkommen. Ich stelle mir vor, wie die beiden Schwestern als Erwachsene in einen Streit geraten und die zweite einen Moment innehält. Wie sie in die Augen ihrer Schwester blickt. Und sie sich dann friedlich auseinandersetzen. So zu handeln, darin liegt viel Kraft und viel Glaube.
Anna Berting