Predigt Kantate, Einführungsgottesdienst

Einführungsgottesdienst von Pfarrerin Dr. Judith Böttcher am 02.05.2021 in der Thomaskirche in Großreuth

Symbolbild Kantate: Rotkehlchen singt auf einem Ast
Der Corona-Lockdown ließ Singvögel schöner zwitschern – haben Forscher herausgefunden. Im Gottesdienst dürfen wir nicht singen, die Vögel können wir aber den ganzen Tag hören und uns daran erfreuen.

Liebe Gemeinde,

„singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder!“ – diese uralte Aufforderung aus dem Psalm 98 ist uns heute als Wochenspruch gesagt, und er wird auch den Anhängerinnen und Anhängern Jesu damals, vor langer Zeit, in Jerusalem bekannt gewesen sein. Als Jesus auf einem Esel den Ölberg hinunterritt, wurde er neugierig und freudig begrüßt, von denen, die von ihm gehört hatten. Nachdem sie den Weg mit Tüchern und Kleidern gegen den Staub ausgelegt hatten, sangen sie auch. Wir hören den Predigttext aus dem Lukasevangelium:

Und als er schon nahe am Abhang des Ölbergs war, fing die ganze Menge der Jünger an, mit Freuden Gott zu loben mit lauter Stimme über alle Taten, die sie gesehen hatten, und sprachen: Gelobt sei, der da kommt, der König, in dem Namen des Herrn! Friede sei im Himmel und Ehre in der Höhe! Und einige von den Pharisäern in der Menge sprachen zu ihm: Meister, weise doch deine Jünger zurecht! Er antwortete und sprach: Ich sage euch: Wenn diese schweigen werden, so werden die Steine schreien.

Lukas 19, 37-40

Wenn diese schweigen, dann werden die Steine schreien.

Hören wir es, das Schreien der Steine? Wir sind hier heute zum Gottesdienst versammelt, aber statt gemeinsam als Gemeinschaft und Gemeinde zu singen am Sonntag Kantate, – das heißt schließlich „singet!“ -, müssen Sie schweigen. Wenn Jesus heute hier in Thomas einziehen würde, müssten wir uns mit 2 m Abstand in eine Reihe stellen, FFP-2-Masken vor Mund und Nase, und dürften nur entweder leise summen oder, nicht zu laut, herzlich Willkommen sagen. Hand schütteln geht natürlich auch nicht.

„Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder!“. Es gibt viele hier in der Gemeinde, die gerne Musik machen, die gerne singen, und da schließe ich mich selbst unbedingt mit ein. Der Sonntag Kantate gehört ja in vielen Gemeinden zu den Höhepunkten des kirchenmusikalischen Jahres. Viele kommen zusammen, um an einem Werk mitzuwirken. Und viele kommen, um zuzuhören. Musik geht unter die Haut. Immerhin haben wir ja heute das Glück, dass wir nicht nur die Orgel hören, sondern auch den Posaunenchor. Da spüren wir: Musik weckt Emotionen, rührt an, bringt Seiten in uns zum Schwingen, die sonst ohne Resonanz bleiben. Schon Kinder lassen sich von Musik ansprechen. Mein zweijähriger Sohn wünscht sich abends im Bett Lieder. „Der Mond scheint“- ein Lied, das ansonsten auch bekannt ist unter dem Titel „Der Mond ist aufgegangen“, mag er allabendlich am liebsten ein paar Mal hintereinander hören, mit allen vier Strophen, die ich auswendig kann.

„Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder!“ – wir alle wissen, warum wir dieser Aufforderung hier im Gottesdienst am Sonntag Kantate im Jahr 2021 nicht nachkommen, sondern lieber schweigen. Wir wollen andere Menschen schützen, sie vor der Gefahr einer Ansteckung bewahren, Solidarität zeigen, mit denen, die besonders gefährdet sind. Als Kirche müssen wir besonders vorsichtig sein. Wir dürfen unser durch das Grundrecht verbürgtes Privileg, zu öffentlicher Versammlung und Gottesdienst einladen zu dürfen, nicht leichtfertig verspielen.

Und trotzdem schmerzt es, wie so vieles schmerzt in dieser Zeit. Wir alle müssen mit den Belastungen dieser Zeit leben, die einen trifft es härter, die anderen weniger hart. Wie schon im vergangenen Jahr spüren wir den Kontrast zwischen der Natur, die gerade sprießt und grünt und blüht und in vollem Saft steht, und den Nachrichten von Krankheit, Leiden und Tod. Wenn wir uns nach Lösungen aus der Krise umblicken, türmen sich Probleme und es eröffnen sich nur mühsame, steinige Wege. Vielleicht spüren wir in uns den Schrei nach Freiheit, nach Rückkehr in den vertrauten Trott, als man selbstverständlich die Kinder zur KiTa und Schule schicken konnte, als man zur Arbeit gegangen ist, sich auf einen Kaffeeplausch mit den Kollegen in der Pause gefreut hat. Nicht wenige werden Sehnsucht verspüren nach den Zeiten, als es völlig normal war, sich mit Freunden zum Essen zu treffen, ins Museum oder Fitnessstudio zu gehen. Oder natürlich auch, sich abends zur Chorprobe zu treffen.

Angesichts dessen ist uns nicht unbedingt nach Lachen oder fröhlichem Singen zu Mute. Gerade auch dann nicht, wenn wir uns bewusst machen, dass wir immer noch auf einem höchst privilegiertem Niveau leben. Blicken wir nach Brasilien, merken wir, dass die Krise nicht alle gleich trifft. Da gibt es menschliche Tragödien und soziale Abgründe, von denen wir uns kaum eine Vorstellung machen können. Es ist dann unsere innere Stimme der Vernunft, die uns das fröhliche Liedchen verbietet.

Manchmal hilft da ein Blick in die Vergangenheit.

Wie haben Menschen vor uns Krisen gemeistert – Krisen, die die Menschen noch weit dramatischer getroffen haben? Und vor allem: Wie haben sie Auswege gefunden und wie blicken sie heute auf diese Zeiten zurück?

Vor wenigen Jahren habe ich die Kathedrale von Coventry in Mittelengland besucht. Dort findet man heute eine Ruine. Die mittelalterliche Kathedrale wurde 1940 von der  deutschen Luftwaffe in Schutt und Asche gelegt. Übriggeblieben sind der Glockenturm und Trümmer, die uns noch eine Ahnung von der alten Größe und Schönheit des Bauwerks geben. Singen kann hier niemand mehr. Stattdessen reden, ja schreien die Steine von Gewalt und Krieg und sinnloser Zerstörung.

Daneben jedoch steht ein modernes Bauwerk, die neue Kathedrale, 1962 eingeweiht. An der Stirnseite hängt ein riesiger Wandteppich, das den auferstandenen Christus zeigt, der segnend zur Versöhnung aufruft. Ebenfalls in der Kathedrale findet man das berühmte Nagelkreuz, das zu einem Symbol der Versöhnungskraft und der transnationalen Verbindung wurde. In diesem Bauwerk wird sehr viel gesungen, viel englische, ergreifende Chormusik aufgeführt, die Menschen zusammenführt zu Gottes Lob.

Für mich ist diese Doppelkathedrale ein Sinnbild dafür, wie Krisen gemeistert werden können. Man muss nicht krampfhaft in jeder Krise die Chance suchen. Trümmer dürfen stehenbleiben. Schwere, harte Steine, auch in unseren Seelen, müssen nicht wegdiskutiert und beschönigt werden. Sie dürfen schreien, und wir dürfen ihnen Raum geben. Aber daneben kann es Platz für anderes geben. Für Neues, für Lichtes und Helles. Auch für die jubelnde Chormusik.

„Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder“ – er tut Wunder auch heute. Wie können wir davon singen, wenn wir hier im Gottesdienst schweigen müssen? Wie heißt es so schön im Wochenlied: „Du meine Seele, singe, wohl auf und singe schön. Dem, welchem alle Dinge zu Dienst und Willen stehn.“ Wir dürfen hier nicht in Gemeinschaft oder im Chor singen. Aber jeder für sich darf zuhause gerne ein Lied anstimmen.

Wer sich traut, kann ohne Begleitung zuhause dieses Kirchenlied singen. Oder sie machen das Radio an mit der Musik, die Ihnen am besten gefällt und singen dann völlig ungehemmt mit. Oder Sie stellen sich unter die Dusche und trällern dort, was Ihnen gerade in den Sinn kommt.

Denn Musik kann glücklich machen. Und Musik verweist immer auf den Schöpfer, der uns mit dieser wunderbaren Gabe ausgestattet hat. Wo Musik ins Herz einzieht, kann auch Gott einziehen. Martin Luther wird das Zitat zugeschrieben: „Musik ist die beste Gottesgabe.“ Und noch weiter: „Wer singt, betet doppelt.“ So lade ich Sie ein, heute am Sonntag Kantate zuhause doppelt zu beten. Und hier zu schweigen. Wer aber schweigt, kann umso besser zuhören. Zum Beispiel auch jetzt auf die Orgelmusik und den Bläserklang.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.     

Dr. Judith Böttcher, Pfarrerin

Predigt Jubilate

Von Pfarrer Dr. Matthias Dreher am 25.04.2021 in der Stephanuskirche in Gebersdorf

Idealisierte Ansicht der Akropolis mit Athena Promachos und dem Areopag
(Leo von Klenze, 1846)

Areopag-Rede: Der unbekannte Gott stellt sich vor!

Liebe Schwestern und Brüder,
Eine Handvoll yogaseliger Damen mittleren Alters sitzt im Schneidersitz auf hellbeigem Teppichboden. Ein türkiser Vorhangstoff dimmt das Sonnenlicht und der Duft orientalischer Räucherstäbchen weht einem um die Nase? Mittendrin sitzt noch jemand. Und zwar genau – Sie! Und Sie fühlen sich – in offensichtlichem Gegenteil zu allen anderen hier – irgendwie unwohl und fragen sich: „Bin ich hier richtig?“ – – – „Bin ich hier richtig?“, das könnte sich auch Franziska fragen, die heute zufällig unseren Gottesdienst besucht. Der jungen Physiotherapeutin aus dem Osten erginge es bei uns vermutlich ebenso exotisch wie uns in jener Yoga-Stunde. Lauter ältere Leute hier, merkwürdig altmodische Musik, ein Mann in einer schwarzen Robe ähnlich der bei einer Nachmittags-Gerichts-Show bei RTL. – Diese geschraubte Sprache, und über allem ein riesiger Gefolterter aus der Zeit der Antike. Alles sehr, sehr „strange“ für eine junge Frau aus dem Osten. Es bleibt die skeptisch interessierte Frage:

„Bin ich hier richtig?“

„Kirche“ kann noch so offen sein – die Welt um uns herum hat sich verändert. Unsere Kirchen – egal ob katholisch oder evangelisch oder noch anders – sind den meisten Menschen von heute ziemlich fremd geworden. Ich merke das daran, dass ich bei Beerdigungen das Vaterunser in aller Regel allein sprechen muss. Es gehört nicht mehr zum allgemeinen Repertoire. Und das ist sicher nur die Spitze des Eisbergs.
Aber unsere Zeitgenossen bieten uns eine wertvolle Außenperspektive. Wir denken ja oft, unsere eigene Kirchenwelt sei schon das große Ganze – und übersehen dabei, wie exotisch sie auf Menschen wie Franziska wirkt. Für sie ist der Altar, um den wir uns heute hier versammelt haben, genau das, wovon Paulus in der BibelLesung gerade gesprochen hat: der Altar eines unbekannten Gottes. – Wir meinen, diesen Gott zu kennen – für unsere ostdeutsche Physiotherapeutin aber ist er denkbar fremd und für viele normale Nürnberger heute ebenso. Aber diese Menschen zeigen uns, dass wir den Gott dieses Altars vielleicht gar nicht so gut kennen wie wir meinen. Wir meinen, oder besser: Wir hoffen ja, dass der Glaube uns Antwort gibt auf unsere entscheidenden, die existentiellen Fragen. Aber unter diesem glatten FrageAntwort-Schema verbergen sich auch unsere Zweifel, unser Zittern angesichts der Fragen von Leben und Liebe, von Glück und Tod. Denn Leben, Liebe, Glück und Tod fühlen sich so viel eindeutiger schön oder schlecht an – als der Gott, der uns an diesem Altar Antwort verspricht.

Das zu leugnen, wäre unehrlich.

Unsere nicht-religiösen Zeitgenossen zeigen uns die Lebensfragen und Lebenssehnsüchte oft ganz unverstellt und konfrontieren uns immer wieder mit dem eigenen Brodeln, das unter unseren christlichen Antworten lauert. Denn – auch wir – kennen das: In der Kirche zu sitzen und sich zu fragen: Bin ich hier richtig?

Nun, wie kommen wir weiter? Heften wir uns dem Apostel Paulus an die Fersen! Er ist ja nicht gleich auf den Gerichtshügel Areopag gegangen, sondern wird erst einmal in aller Ruhe durch Athen flaniert sein – diese flirrende antike Großstadt mit ihrem brodelnden Gemisch aus Lebensstilen, Glaubensweisen und Weltanschauungen. Aufmerksam schlendert Paulus durch ihre Straßen und Gassen, bleibt hier stehen, dort hängen. Denn er sucht nach den „Heiligtümern“ der Athener – nach jenen Orten, an denen sie bereit sind, dem, was ihnen heilig ist, Opfer zu bringen. – – – Und ich stelle mir vor, wie er zweitausend Jahre später – sagen wir vor zwei Jahren, also vor Corona, unsere quirlige Stadt besucht hätte. Welche Heiligtümer fände er dort? Wofür sind wir bereit, etwas zu opfern: Zeit, Geld und Herzblut? Ich stelle mir vor, wie er durch die Fußgängerzone schlendert und aus dem Staunen nicht mehr herauskommt, was es da in normalen Zeiten alles zu kaufen gibt. Vielleicht setzte er sich aber auch ins Frankenstadion und zittert mit dem Club – hört wie seine Anhänger schreien und singen. Womöglich hätte ihm das echt gefallen. Käme er heute in Pandemie-Zeiten, würde er vielleicht einen offiziellen Stadt-Tempel wie die Sebalduskirche besuchen und gleich daneben das wunderschöne Klima-Camp. Und ins Impfzentrum im Messegelände würde er gehen und staunen, wie wichtig uns die Gesundheit ist.

Heiligtümer von heute – und damals

An all solchen Orten fände er ‚Heiligtümer’ von heutigen Nürnbergern. Der Soziologe Peter Berger spricht von Altären der Moderne. Und vielleicht würde Paulus überall dort auch das finden, was er auf seiner Suche nach einem Anknüpfungspunkt für das Evangelium bereits in Athen entdeckte: Altäre eines unbekannten Gottes. Damit beginnt er dann auch seine Predigt auf dem Areopag – hören wir noch einmal hinein:

„Athener, nach allem, was ich sehe, seid ihr besonders fromme Menschen. Denn als ich umherging und mir eure Heiligtümer ansah, fand ich auch einen Altar mit der Aufschrift: DEM UNBEKANNTEN GOTT. Was ihr verehrt, ohne es zu kennen, das verkünde ich euch. Gott, der die Welt erschaffen hat […] wohnt nicht in Tempeln […].
Er lässt sich auch nicht von Menschen bedienen, als brauche er etwas – er, der allen das Leben, den Atem und alles gibt. […] Er wollte, dass die Menschen nach ihm suchen – ob sie ihn vielleicht spüren oder entdecken können. Denn keinem von uns ist er fern. In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir.“

Apg 17, 23-28

Was macht Paulus hier? Er knüpft an bei dem, was die Menschen kennen und tun, bei dem, was ihnen wichtig ist, – und sagt: Keinem von Euch ist Gott fern. Gott ist nahe dem, was ihr alles versucht, was ihr verehrt, was ihr versteht. Er, der All-Schöpfer, hat alles gemacht. Darum seid ihr schon immer – als seine Geschöpfe – Teil seines Plans, Teil seiner Welt. Ja, ihr verehrt ja schon Dinge, die ihm wichtig sind: Eure Gesundheit zum Beispiel, aber auch dass es Euch gut geht, bis in Luxus hinein, will er. Spiritualität und Kunst will er – und Engagement. Dass Euch das alles auch wichtig ist, freut ihn. Ihr sucht das Richtige.

Gerade weil auch wir Kirchenchristen aller Konfessionen längst keine gesellschaftsdominierende Mehrheit mehr sind, verweist diese Botschaft uns auf die vielen nichtkirchlichen, säkularen ‚Altäre’ Gottes in unserer Stadt – auf inspirierende Orte voll sozialer Phantasie und mit kulturellem Sexappeal, an denen man sich über die großen Dinge des Seins austauscht. Dass diese Altäre derzeit wegen Corona alle unbespielt und un-beweihräuchert bleiben, tut nicht nur denen da draußen nicht gut, sondern auch uns nicht. Wir werden nicht mehr neuartig in Frage gestellt. Das einzige quasi-religiöse Hochamt scheinen die Pressekonferenzen von Wiehler, Drosten und Spahn zu sein. So sehr sie sich mühen, das kann nicht alles sein. Jetzt haben Schauspieler versucht, einen Gegenpol zu bilden – und scheitern schon wieder an sich selbst.

Und jetzt?

Aber es gibt sie weiter: Die Fragen, die viel tiefer dringen als die Pandemie. Aber: Fragen sind nicht Antworten, Fragen beantworten sich nicht von selbst. Deshalb meint Paulus, nachdem er die richtigen Ansätze der Athener gewürdigt hat: Wir sollen „nicht meinen, die Gottheit sei gleich den goldenen, silbernen und steinernen Bildern, durch menschliche Kunst und Gedanken gemacht.“ Wir können nur fragen, wir können sogar radikal fragen – Kunst und Literatur und Philosophie tun das auch – aber antworten sie auch? Sie versuchen es, sicher, aber tragen menschliche Antworten auf menschliche Fragen? Kann man aus dem Material menschlicher Fragen und Sehnsüchte rettende Götter fabrizieren?

Paulus meint natürlich: Nein! Deshalb setzt er seine Rede auf einmal als Bußprediger fort, – ganz unerwartet:

„Nun – Gott sieht nachsichtig über die Zeiten hinweg, in denen die Menschen ihn nicht gekannt haben. Aber jetzt fordert er alle Menschen an allen Orten auf, ihr Leben zu ändern. Denn Gott hat einen Tag festgesetzt, um über die ganze Welt zu richten.“

Paulus beginnt hier damit, den unbekannten Gott bekannt zu machen. D.h.: Nach der Würdigung der richtigen Fragen, bringt er die richtige Antwort. Und die klingt nicht angenehm: Man soll sein Leben ändern! – Dafür hatten die Athener ihren Altar für den unbekannten Gott sicher nicht gebaut. Dafür ist auch kein Karstadt, kein Frankenstadion, keine Meistersingerhalle gebaut. Gott, sagt Paulus, will die Welt richten. Und diese Gerichtsbotschaft soll bewirken, dass möglichst viele sich noch darauf einlassen und sich darum umstellen. Dass das erste, womit sich dieser Gott bekannt macht, „Gericht“ ist, ist natürlich eine Spitze gegen den Areopag selbst. Denn nicht nur der Hügel heißt so, sondern auch die Gerichtsbehörde die darauf tagt. Paulus sagt hier also zwischen den Zeilen: Areopag-Gericht schön und gut, aber der eigentliche Richter ist Gott. Und das bedeutet, dass es diesem Gott entscheidend, lebensentscheidend um Gerechtigkeit geht. Bei den Griechen gehört die Göttin der Gerechtigkeit Diké nicht einmal zu den olympischen Hauptgöttern; sie ist eine Untergöttin unter vielen.

Und wie sieht es bei uns aus?

Der Justiz haben wir immerhin Paläste gebaut wie an der Fürtherstr., wo sogar Weltgeschichte geschrieben wurde. Aber den Bereich der Religion halten wir gern von Justiz-Fragen fern. Religion muss doch das Leben erleichtern, befreien und nicht mit Paragraphen einengen. Religion, da muss es doch um einen fröhlichen, lieb-reizenden Schwebezustand gehen – oder zumindest um frohgemute Lebens-Motivation. Aber nicht um Rechtsfragen!

Wie stark diese Abwehr von Recht in der Kirche ist, erlebe ich gerade hautnah, da ich mich mit Recht und Rechtsanwalt gegen meine Vertreibung aus der Melanchthonkirche wehre. Das wird als sehr unpassend empfunden. Und ob sich das Recht durchsetzt, ist bis heute fraglich. Wie sehr unser Glaube mit dem Recht verschmolzen ist, zeigt letztlich das Kreuz Christi. Denn er stirbt hier zum einen an der fehlgeleiteten Gesetzlichkeit der Schriftgelehrten, zum anderen von Gott her an unseren Gesetzesbrüchen. Und typisch für das Religionsverständnis unserer Zeit ist auch hier, dass das Kreuz heute gern aus der Mitte des Glaubens weggeräumt wird, – bis hin zu Neugestaltungen von Kirchenräumen.

Paulus dagegen predigt: Recht und Gerechtigkeit gehören ins Zentrum unseres Glaubens und sind nicht das Kleingedruckte in irgendwelchen Fußnoten. Und dies sei nicht bloß eine Botschaft vom Himmel, sondern sie ist beglaubigt und geerdet durch den auferstandenen Menschensohn:

„Dann wird er Gerechtigkeit walten lassen – durch den Mann, den er dazu bestimmt hat. Dass dieser Mann wirklich dafür bestimmt ist, hat Gott allen Menschen durch dessen Auferweckung von den Toten bewiesen.«

Gott hat seinen Generalbevollmächtigten, diesen Mann Jesus, durch den Tod hindurch bestätigt. Nicht der Tod besiegelt die Bilanz seines Lebens wie bei Sokrates oder Cäsar, wie bei Mahatma Gandhi oder Prinzessin Diana, sondern Jesu Siegel ist sein neues Leben. Das neue Leben im Reich der Gerechtigkeit, das uns allen versprochen ist. Das ist ja eigentlich die Pointe, wenn Gott zu Buße aufruft, zum „Ändert Euer Leben!“. Dieses geänderte Leben soll nicht einer ideologischen Weltverbesserung dienen; das geänderte Leben ist auch nicht der Preis, mit dem wir Gott etwas abkaufen könnten. Sondern es könnte einen Vorgeschmack geben auf das gerechte, ewige Leben.

Aber soweit kommt Paulus gar nicht, weil das Stichwort Auferstehung die Zuhörer endgültig spaltet und die meisten abwinken lässt. „Darüber wollen wir dich ein andermal hören“, sagen sie und gehen weg. Nur wenige bleiben. Wer auf dem „Markt der Möglichkeiten“ spricht, darf nicht mit einem überwältigenden Massenerfolg rechnen.

Wir dürfen Gott selbst fragen: Bin ich hier richtig?

Die Landeskirche schreibt uns gerade im Zuge des Struktur-Prozesses PuK vor, wir sollten jetzt endlich nicht nur für das Häuflein klein im Gottesdienst arbeiten, sondern wir müssten jetzt die Unerreichten erreichen. Was dem für ein Erfolg beschieden sein wird, sieht man an Paulus. Aber – biblische Begründungen finden sich in den PuKPapieren ohnehin nur ganz wenige.

„Bin ich hier richtig?“ Das war ja die Einstiegsfrage. Die meisten Athener, die sich durchaus richtig fühlten am Altar des unbekannten Gottes, fühlten sich nach seiner Bekannt-Machung durch Paulus nicht mehr richtig. Und wir? Auch wir sollen uns in unserem Nachfragen und Nachhaken durchaus durch die scharfen Fragen unserer atheistischen Kulturträger radikalisieren lassen. Aber dann können wir an diesem (zeigt auf den Kirchenaltar) Altar damit ernst machen, dass wir keinen unbekannten, sondern einen offenbaren Gott haben. Wir dürfen Gott selbst fragen: Bin ich hier richtig? Und die Apostel damals und wir Pfarrer und Pfarrerinnen heute sind Ihnen schuldig zu antworten, warum und inwiefern sie hier eben richtig sind. Mit weniger müssen Sie sich nicht zufrieden geben. Der christliche Glaube denkt! Das Wunder und das Absurde sind eben NICHT des Glaubens liebstes Kind! Das früheste Zeugnis davon ist die Botschaft des Paulus – und die finden wir am besten allerdings nicht in der Apostelgeschichte, sondern in seinen echten Briefen. Darin nun weiterzulesen, ist so schwierig wie das Leben, Aber genauso lohnend.

Amen.

Dr. Matthias Dreher, Pfarrer

Predigt zum Sonntag Misericordias Domini – „Der Herr ist mein Hirte“

Von Pfarrerin Gabriele Edelmann-Richter am 18.04.2021 in der Stephanuskirche in Gebersdorf

Hes, 34,1-2.10-16.31

Der Predigttext für den heutigen Sonntag steht im AT beim Propheten Hesekiel im 34. Kapitel:
Und des Herrn Wort geschah zu mir: Du Mensch, weissage als Prophet zu den Hirten Israels und sprich zu ihnen: So spricht Gott der Herr: Wehe den Hirten Israels, die sich nur selbst weiden! Sollen die Hirten nicht die Herde weiden?
Ja, so spricht Gott der Herr: Seht her, ich werde meine Schafe suchen und mich selbst um sie kümmern. Ich mache es genauso wie ein guter Hirte, wenn seine Schafe sich eines Tages zerstreuen. Ja, so werde ich mich um meine Schafe kümmern. Ich rette sie von allen Orten, an die sie zerstreut waren – an dem Tag, der voll finsterer Wolken sein wird. Ich führe sie weg von den Völkern und sammle sie aus den Ländern. Ich bringe sie zurück in ihr eigenes Land. Ich werde sie auf den Bergen und Tälern Israels weiden, an allen Weideplätzen des Landes. Ihr Weideland wird auf den hohen Bergen Israels liegen. Ja, ich lasse sie dort auf gutem Weideland lagern. Auf den Bergen Israels finden sie eine grüne Weide. Ich weide meine Schafe und ich lasse sie lagern. So lautet der Ausspruch von Gott dem Herrn. Verirrte suche ich und Verstreute sammle ich wieder ein. Verletzte verbinde ich und Kranke mache ich stark. Ich will sie weiden, wie es recht ist.
Ja, ihr sollt meine Herde sein, die Herde meiner Weide und ich will euer Gott sein, so spricht der Herr.“

Liebe Gemeinde,

Hesekiel, ein Prophet des 6.Jhdts. v. Chr., ist ein klassischer Prophet. Er bemüht sich, das Volk Israel zur Umkehr zu rufen.
Wenn das gelingt, so verspricht er ihnen, wird das Volk Gottes Güte und die daraus entspringende Hoffnung erfahren.
Aber zunächst geht Hesekiel mit den Mächtigen des Landes ins Gericht. Im alten Israel wurden diese als Hirten bezeichnet. Sie sorgten für das Volk und verteidigten es gegen Feinde.

Wenn Sie den Predigttext genau verfolgt haben, ist Ihnen aufgefallen, dass aber etwas schiefgelaufen sein muss. Denn im 6. Jhd. v. Chr. kam es zur Deportation der Oberschicht Jerusalems nach Babylon, das liegt im heutigen Irak.
Hesekiel, der selbst als Sohn eines Priesters der Oberschicht angehört, ist sauer.
Er wirft den Mächtigen vor, ihr Land verraten zu haben, sich nicht genügend um das eigene Volk gekümmert zu haben, auf eigene Vorteile geschaut zu haben.
All das seien Gründe, die zu dieser Katastrophe des Exils geführt haben.

Ganz schön mutig, wie sich Hesekiel da gegen seine eigenen Leute stellt.

Ich bin mir sicher, wenn sich Menschen zurzeit treffen dürften, in der Kneipe oder im Biergarten, da würden momentan viele in diese Klage miteinstimmen.
Viele von uns haben das Gefühl, dass „die da oben, vor allem die in Berlin, ihre Macht nur für sich selbst gebrauchen. Uns fallen spontan Politiker ein, die vor allem ihre Wiederwahl vor Augen haben, und da fallen beim Regieren die Nöte des Volkes und der Schwachen der Gesellschaft schon mal aus dem Blick.

Uns fallen auch die großen börsennotierten Unternehmen ein, die nach jahrelangen satten Gewinnen sich nicht scheuen, bei den Coronahilfen kräftig die Hand aufzuhalten.

Uns fallen auch Kirchenleute ein, die unsere Gemeinden wie Zahlenspiele auf dem Schreibtisch liegen haben und gar nicht wissen, was eigentlich an der Basis los ist.

Hesekiel sagt uns im Namen Gottes: Macht bedeutet, Verantwortung für die Schwachen, für die Verirrten und Bedürftigen zu übernehmen.
Als Sprachrohr Gottes sagt er, dass zu einer guten Regierung immer auch die Sorge um die gehört, die nicht mitkommen, die am Rand stehen.

Ja, wir könnten lang mitjammern.
Aber ganz so einfach dürfen wir es uns doch nicht machen!

Denn wir sind auch Hirten!

Ich als Pfarrerin, Sie als Chef, als Kollegin, als Kirchenvorsteherin, als Vater oder als Mutter, als Nachbar…
Wir sollen füreinander Hirten sein, sagt Gott – füreinander da sein und füreinander sorgen.

Die Kritik von Hesekiel trifft also letztlich alle Menschen, die in der Verantwortung für einen anderen Menschen sind.
Weil er die Missstände sieht, schreibt Hesekiel weiter in unserem Bibeltext:
Euch wird die Verantwortung entzogen. Euch gehört die Herde nicht mehr.
Ein wirklich vernichtendes Urteil über die menschlichen Hirten!

Angesichts der ernsten und sehr schwierig zu beurteilenden momentanen Krise, in der jeden Tag Entscheidungen gefällt werden, die wir nicht ganz überblicken, wächst die Sehnsucht nach einer Kraft und einer Macht, die alles überblickt und richtig macht.
Obgleich natürlich keiner von uns wie ein dummes Schaf geführt werden will.
Ist es doch so, dass ein guter Hirte hinter seiner Herde her läuft und aufpasst, dass sich keines seiner Tiere verirrt und verloren geht.

Damals verkündet Hesekiel dem Volk Gottes den Heilsplan:
Gott ist der Hirte! Er selber wird sein Volk behüten!
Das heißt:
Gott nimmt die Menschen an.
Er sucht die Verirrten.
Er rettet die Zerstreuten.
Er verbindet die Wunden.

Klar, das Bild des Guten Hirten berührt die Sehnsucht, die tief in der Seele des Menschen verwurzelt ist.
Jeder Mensch sehnt sich nach einem behüteten Leben.
Jeder Mensch hat den Wunsch nach Geborgenheit bei einem anderen Menschen, gerade in der momentanen Zeit.

Hesekiels Prophezeiung hat sich damals erfüllt.
Das Volk Gottes durfte nach einigen Jahrzehnten im Exil wieder nach Jerusalem zurück und dort den Tempel neu aufbauen. Will heißen, auch die Menschen nahmen ihre Verantwortung wahr an dem Platz, an den sie gestellt wurden.

Etwa 500 Jahre später kam dann wieder einer, der zu seinem Volk gesagt hat:
„Ich bin der gute Hirte. Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie und sie folgen mir und ich gebe ihnen das ewige Leben.
Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich hineingehen!“

Liebe Gemeinde,
diese unendliche Liebe Jesu wird uns bei der Taufe zugesprochen und gilt einem jeden von uns ganz persönlich.

Der berühmte protestantische Theologieprofessor Karl Barth wurde einmal gefragt, was denn nun für ihn die Zusammenfassung seines Glaubens sei. Er antwortete mit einem alten Kirchenlied:

„Weil ich Jesu Schäflein bin, freu ich mich nur immerhin über meinen guten Hirten, der mich wohl weiß zu bewirten, der mich liebet, der mich kennt und bei meinem Namen nennt!“

So einfach ist das mit dem Glauben. Und das aus dem Mund eines hochangesehenen Professors.

AMEN

Einführungsgottesdienst für Pfarrerin Dr. Böttcher

Am Sonntag, den 02.05.2021, findet in der Thomaskirche der Einführungsgottesdienst für Pfarrerin Dr. Böttcher statt, die ab 01.05.2021 die halbe Pfarramtsstelle in der Thomaskirche übernimmt.

Es wird darum gebeten, sich für den Gottesdienst anzumelden, da aufgrund der aktuellen Situation die Anzahl der Gottesdienstbesucher begrenzt ist.

Die Anmeldung erfolgt bis spätestens 29.04.2021 über

  • E-Mail (pfarramt.thomaskirche.n@elkb.de)
  • Schriftlich (Briefkasten)
    (Winterstraße 20a, 90431 Nürnberg)
  • Telefonisch (direktes Gespräch oder auf den Anrufbeantworter)
    (Tel.Nr. 0911 / 61 35 62)

Wir bitten um Verständnis, dass wir für diesen Tag eine Anmeldung benötigen, da aufgrund des besonderen Anlasses ein großes Interesse der Gemeindeglieder zu erwarten ist. 

Wir danken für Ihr Verständnis und freuen uns auf Sie!

Ihr Pfarramt der Thomaskirche

Konfirmationen

Dieses Jahr wird vielen als ein Ausnahmejahr im Gedächtnis bleiben. Zum ersten Mal gibt es zwei Konfirmationen von zwei verschiedenen Jahrgängen in jeweils zwei Gottesdiensten.

Die KonfirmandInnen, die sich schon 2020 auf die Konfirmation vorbereitet und gefreut haben, erleben ihre Einsegnung erst ein Jahr später.
Für uns als Konfirmatoren ist das auch eine ungewöhnliche Situation, da die Jugendlichen des letzten Jahrgangs jetzt eben auch ein Jahr älter und damit reifer sind.

Ihren Unterricht besuchten sie in der Regel von zu Hause aus, also online. Trotzdem werden wir es einrichten, dass die Konfirmation live stattfindet. Das traditionelle Abendmahl vor der Konfirmation werden wir wohl im kleinen Kreis feiern, mit Abstand und strengen Hygienevorschriften. Die Kirchenvorstände haben sich ja wagemutig auf ein umsetzbares Konzept für das Abendmahl in Corona eingelassen. Davon können die KonfirmandInnen und ihre Eltern profitieren.

Die Konfirmation der Gruppe I finden in der Stephanuskirche am 11. April statt. Wir haben in Stephanus neun KonfirmandInnen und damit sie auch wenigstens ein paar Begleitpersonen dabei haben können, werden wir zwei Gottesdienste anbieten, einen um 9:00 Uhr und einen um 10:30 Uhr. Da die Anzahl der Besucher aber begrenzt werden muss, können wir leider nicht wie üblich sagen: Herzlich willkommen! Im Vordergrund werden die Familien der KonfirmandInnen stehen.

Die elf KonfirmandInnen der Gruppe II der Stephanuskirche werden am 9. Mai konfirmiert. Wir hoffen, dass es für die Gemeinden dennoch Feste für die Zukunft sind, wenn mit der Thomaskirche zusammen insgesamt 49 junge Leute „Ja“ zur Kirche sagen und gezeigt haben, dass ihnen die Konfirmation etwas bedeutet. Die Jugendlichen der Gruppen I haben unter schwierigen Unterrichtsbedingungen sogar ein ganzes weiteres Jahr durchgehalten. Für die Konfirmationen haben sich folgende jungen Leute angemeldet:

Stephanuskirche I

Felix Eibl, Julia Engelbrecht, Lena Larsen, Michelle Maier, Kevin Rademacher, Marlene Röckelein, Maximilian Scheel, Celina Schnitzlein, Laura Sieber

Stephanuskirche II

Eric Eberlein, Jannis Frisch, Tim Hasieber, Laura Hofmann, Linda Hofmann, Marc Knie-wasser, Luisa Loos, Julian Pojda, Jan Wanner, Bianca Weigand, Sina Zeilinger

Beide Gruppen werden von Pfarrerin Gabriele Edelmann-Richter konfirmiert.

Gottesdienst.zu.Fuß für Familien

Die Jünger sind noch immer schockiert von den Vorfällen in Jerusalem. Verraten, gekreuzigt und gestorben. Und was jetzt?
Die Jüngern versuchen sich gegenseitig zu erklären, wie es weiter gehen kann und sitzen zusammen beim Essen. Da geht die Tür auf und…

Habt ihre eine Idee?

Bei unserem Gottesdienst.zu.Fuß für Familien erzählen wir euch, wie es in der Geschichte mit den Jüngern weiter geht.
Ihr findet ihn vom 9. bis 20. April direkt an der Stephanuskirche.
Startpunkt ist an den Eingangspfosten am Vorplatz der Kirche.
Der Weg führt dann über das Insektenhotel und das Apfelbäumchen in die Kirche und schließt mit dem Segen an der Mauer von „Adam und Eva“ (links neben der Kirche auf dem Vorplatz).

Seid ihr Neugierig geworden? Dann kommt zur Stephanuskirche – gemeinsam mit Euren Eltern oder Großeltern.

Bitte achtet nur auf die aktuell geltenden Kontaktbeschränkungen und Abstandsregeln. Vielen Dank und ganz viel Spaß wünschen wir Euch!

Predigt zum Osterfest

von Pfarrerin Gabriele Edelmann-Richter am 5. April in der Stephanuskirche zum Predigttext 2. Mo. 14 Fürchtet euch nicht, der Herr hat Großes an euch getan!

Liebe Gemeinde,

die momentane Lage ist wirklich bedrückend. Von allen Seiten her heißt es, dass wir Kontakte meiden, am besten unser Haus oder unsere Wohnung nicht verlassen sollen, und das selbst über die Osterfeiertage.
Kein Treffen der Großfamilie!
Das ist wirklich schwer zu verkraften. Kaum einer spricht von Hoffnung, höchstens, dass es besser sein wird, wenn Dreiviertel der Bevölkerung geimpft sein wird, eine Herdenimmunität eintritt … und das kann noch lange dauern.
Über uns schweben Inzidenzwerte, die über unser erlaubtes Verhalten bestimmen.

Der bayerische Landesbischof Bedford -Strohm hat dementsprechend ein neues Wort erfunden: „Depressionsinzidenz“.

Schon im vergangenen Jahr beklagten die Sozialstationen und auch die Arztpraxen, dass die Anzahl derer, die über die Lockdowns hinweg an Depressionen leiden, stetig größer wird.
Wann hört das Ganze endlich auf? Wer gibt uns Hoffnung?

Zum heutigen Ostermontag möchte ich Ihnen eine Geschichte erzählen, in der wir uns wiederfinden können. Eine Geschichte aus vergangener Zeit, eine Geschichte der Hoffnung:

Die Familie saß im Zimmer beieinander.
Die Großmutter Lydia, die Eltern Jonas und Rahel, sowie die Kinder Phoebe und Benjamin.
Sie waren ans Haus gefesselt.
Seit Freitag, als Jesus mit zwei Verbrechern ans Kreuz genagelt wurde, herrschte in Jerusalem der Ausnahmezustand.
Die Römer versuchten, die Lage in den Griff zu bekommen, indem sie aufbegehrende Anhänger dieses Jesus aus Nazareth, der sich angeblich „König der Juden“ nannte, kurzerhand verhafteten.
Keiner wagte sich mehr auf die Straße.
Keiner traute mehr dem andern.
Es hieß sogar, dass Judas, ein Jünger Jesu, seinen Freund verraten habe und Jesus dann von den Römern im Garten Gethsemane abgeführt wurde.
Selbst Petrus, einer der engsten Vertrauten Jesu verleugnete seinen Freund, als die Römer ihn fragten, ob er nicht auch zu den Jüngern gehöre.
Die Lage war sehr angespannt.
Viele Anhänger blieben also zuhause, um nicht aufzufallen, um jegliche Gefahr für die Familie abzuwehren.
Die Großmutter Lydia hatte in ihrem Leben schon viel erlebt.
Sie konnte von kriegerischen Auseinandersetzungen berichten, von Vertreibung und Flucht erzählen.
Das tat sie immer wieder, wenn jemand zu Besuch kam.
Das Schlimmste aber, das ihr widerfuhr, war der plötzliche Tod ihres Mannes. Das ging ihr besonders nah.
Damals machte sie täglich lange Spaziergänge, solange, bis ihr leichter ums Herz wurde.
Doch jetzt:
Niemand wusste, wie lange die Lage noch so ernst und so gefährlich war.
Ihren Hoffnungsträger Jesus hatten die Römer ans Kreuz genagelt wie einen Schwerverbrecher, der Mob war aufgestachelt und rief wie irr: „Kreuziget ihn, kreuziget ihn“.
So hing Jesus dann nach einem kurzen Prozess am Kreuz und verschied vor Beginn des Passahfestes um die 9. Stunde.
Unglaublich, wie schnell die Stimmung doch kippen konnte:
Noch vor wenigen Tagen wurde Jesus von vielen umjubelt, als er nach Jerusalem ein- zog. Mit Palmwedeln und lauten Hosianna-Rufen hieß man ihn willkommen und jetzt …
Die absolute Katastrophe!
Was tun?
Lydia holte tief Luft und sagte dann in die Stille hinein:
„Also, liebe Familie,
wir leben doch von der Hoffnung!
Fürchtet euch nicht, der Herr hat Großes an uns getan!
Erinnert Euch an die Befreiung unseres Volkes aus Ägypten. Als die Truppen des Pharao hinter dem Volk Israel herjagten und Gott einen Ostwind schickte, der das Volk trockenen Fußes durch das Schilfmeer ziehen ließ, die Ägypter aber ertranken.
Ich schlage vor, dass jeder von uns nun eine Geschichte der Hoffnung erzählen soll. Das wird uns beruhigen! “
Jonas, der Vater, überlegte kurz, dann erzählte er die Geschichte von dem Gichtbrüchigen, der von seinen Freunden durch das Dach gelassen wurde und von Jesus geheilt wurde.

Rahel, die Mutter, lächelte und erzählte dann die Geschichte vom Weinwunder auf der Hochzeit zu Kana. Phoebe fiel noch die Geschichte von der Auferweckung des Töchterchens des Jairus ein und Benjamin konnte es kaum erwarten dranzukommen, um von der Kindersegnung durch Jesus zu berichten.

Während sich die Familie das alles erzählte, verging die Zeit schnell.
Es fing schon an zu dämmern, da klopfte es plötzlich an die Tür.
Jakob, der Nachbar, stand aufgeregt davor und rief:
„Stellt Euch vor:
Jesus lebt!
Er ist auferstanden!
Er ist wahrhaftig auferstanden!

Das war ein Befreiungsschlag!
Die Familie konnte es kaum fassen!

Liebe Gemeinde,

Jesus ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!
Welch eine Botschaft! Tod und Angst sind überwunden!
Sicherlich haben Sie es gemerkt, die damalige Stimmung war ähnlich wie die Stimmung heute:
Verzweiflung, Wut, Hilflosigkeit, Sprachlosigkeit und eigentlich nur noch ein Kopfschütteln … all das zeichnet auch unsere momentane Zeit aus.

Aber, wenn wir nicht im Selbstmitleid versinken wollen, müssen auch wir uns Geschichten der Hoffnung erzählen,  über den Gatenzaun, übers Telefon, über Zoom oder Skype!
Auch wir dürfen nicht müde werden, von der Hoffnung zu berichten. Das macht unser Herz leichter.
Die Angst muss überwunden werden.
Haben Sie Rezepte gegen die Angst?
Ich weiß nicht, wie Sie mit der momentanen Lage umgehen.

In meiner Familie blättern wir in Fotobüchern, planen schon mal künftige Reisen und auch Familienfeste werden angedacht. Manch einer träumt auch von einem Besuch im Stadion oder in der „Arena“.

Hätten sich Jesu Anhänger damals aufgegeben, dann wäre Jesu Botschaft vom Leben verlorengegangen.
Damals vertrauten sie seiner Verheißung: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende!“

Und dann: Jesus hat den Tod besiegt!
Was konnte da seinen Anhängern noch schaden?

Jesus hat den Tod besiegt!
Das ist die Osterbotschaft.
Die Osterbotschaft ist eine Aufforderung zum Leben!

Liebe Gemeinde, lassen Sie uns deshalb planen!
Lassen Sie uns nach vorne schauen!

Amen.


FROHE OSTERN!

Von der Dunkelheit ins Licht

Osternachtsgottesdienst an der Stephanuskirche am 04. April 2021 um 5:30 Uhr

Leeres Kreuz auf einem Berg bei Sonnenaufgang - Symbolbild

Herzliche Einladung

Am Osterfeuer ankommen

Die Stille in der Dunkelheit wahrnehmen

Die Osterbotschaft mit Texten und Musik aufnehmen

Im Schein des Osterfeuers den Anbruch des neuen Tages erleben

Der Gottesdienst findet dieses Jahr ausschließlich vor der Kirche statt. Bitte tragen Sie den Temperaturen angepasste Kleidung. Gerne können wir Ihnen eine Sitzgelegenheit zur Verfügung stellen. Das Tragen einer FFP2-Maske ist auch im Freien auf dem Kirchengelände dauerhaft erforderlich.

Wir freuen uns auf Ihr Kommen!

Predigt zum Karfreitag

Von Pfarrer Dr. Matthias Dreher am 02.04.2021 in der Stephanuskirche in Gebersdorf

Liebe Mitchristen,

bei dem Mann auf unserem Bild handelt es sich – um Norbert Steiner aus Zirndorf, 46 Jahre alt. Wie man sieht, geht es ihm schlecht. Ziemlich verwahrlost sitzt er versunken da, während im Hintergrund die Sonne aufgeht. Schlaflos scheint er die ganze Nacht hier oben gesessen zu sein. Auch der heraufziehende neue Tag kann seine Miene nicht aufhellen.

Bis vor 10 Monaten war er KfZ-Mechaniker in einer Opel Werkstatt; dann – wie aus heiterem Himmel – traf ihn die Diagnose: Krebs, Nierenkrebs. Die ersten Behandlungen schlugen noch gut an und es bestand realistische Hoffnung. Doch inzwischen hat der Krebs aufgeholt und gestreut. Die Ärzte haben Herrn Steiner beigebracht, dass eine Heilung kaum noch möglich ist. Allerdings könnte man mit verschiedenen Mitteln das letzte, unangenehme Stadium noch anderthalb, vielleicht sogar zwei Jahre hinauszögern. Garantien gäbe es natürlich keine. „Unter Umständen geht alles schneller“, – sagt der Arzt.

„Ich muss hier raus!“, rief Herr Steiner gestern Abend. Er hat sich nur eine Decke über den verschwitzten Schlafanzug geworfen und ist in die Fränkische Schweiz gefahren. Und da sitzt er jetzt.
„Was wird kommen? Warum ich? Warum so früh? Ich bin Mitte Vierzig! Halte ich das aus? – Wozu überhaupt aushalten? Könnte ich das nicht früher – beenden? Bevor es richtig schlimm wird?“ So denkt er, einsam in der Steinwüste. – Wie weit wird er am Abend dieses Tages mit sich und seinem Leiden sein?

Liebe Mitchristen, es macht sich unter uns – in der Gesellschaft, aber vielleicht auch in dieser Kirchengemeinde – ein Konsens, eine einhellige Meinung, breit, dass die Würde des Menschen genau darin liegt, über sich selbst bestimmen zu können – und das heißt auch: selbstbestimmt Leid zu verhindern und zu sterben. Würdiges Leben und Leid schließen sich dieser Meinung nach aus. Leidendes Leben ist zu bedauern und auf Dauer nicht lebenswert.

Ich weiß nicht, ob Sie’s gesehen haben. Als im November das Sterbehilfe-Schauspiel „Gott“ im Fernsehen lief, stimmten 71% der Zuschauer dafür, dass der Sterbewillige das tödliche Mittel bekommt. Daher kommt der Druck, die Gesetzeslage zur Sterbehilfe zu lockern. Und was sonst als unbedingt zu verhütendes Übel gefürchtet wird, steht auf einmal da als Erfüllungsgehilfe wahren Menschseins: der Selbstmord. – Denn um nichts anderes handelt es sich ja bei der Aktion, die man beschönigend „Sterbehilfe“ nennt.

Seltsam ist nur: Bei einem 16jährigen Mädel, das sich aus Liebeskummer umbringen will, weil sie sich auf immer verletzt sieht, zu der würde keiner sagen: „Ja, hast recht.
Deine Würde kannst Du nur wahren, wenn Du diesem Leid selbstbestimmt ein Ende machst. Hier hast Du eine Ampulle gelöstes Natrium-Pentobarbital, – du kennst doch diese Hütte im Wald; da hast du die Ruhe dazu.“ – Jesus würde sagen: Wer einen jungen Menschen so „zum Abfall verführt, für den wäre es besser, dass ihm ein Mühlstein an den Hals gehängt und er ins Meer geworfen würde.“ (Mk 9,42). Aber was berechtigt dann zur tödlichen Selbstbestimmung? Altersreife? Muss man über vierzig oder über fünfzig sein? Oder gilt nur körperliches, nicht aber seelisches Leid, um sich „berechtigt“ umzubringen? Kaum, denn der Sterbewillige im Film „Gott“ war kerngesund.

Die Befürworter der Sterbehilfe argumentieren mit dem Recht auf Selbstbestimmung. – Gegner der Sterbehilfe sagen, es gehe letztlich nur um die Angst und die könne man den Menschen mit Palliativmedizin, als Schmerzbetäubung nehmen. Was hier ignoriert wird ist, dass es nicht nur um die Angst vor dem Schmerz geht, sondern um die Angst, sich in die Hände anderer auszuliefern, sein Schicksal aus der Hand zu geben. – Nun – die zweite Variante gibt sich gern als die „christliche“ aus. Aber ist sie es auch? – Beide Positionen gleichen sich ja darin, dass sie sagen: Würde und Leid schließen sich aus. Beide sagen: Lieber Norbert, wir verhindern, dass Du leidest, und genau so erhalten wir deine Würde. Genau das, liebe Gemeinde, ist aber nicht christlich. – Ich muss hier den ansonsten recht katholisch-verstockten Bischof aus dem Stück „GOTT“ zitieren: „Leben bedeutet
zu leiden. Das Christentum, wenn man es ernst nimmt, ist die Religion des Leidens. Das ist schwer und passt nicht in die Moderne.“ Damit hat er recht.

Ich lese Ihnen jetzt den Bibeltext, der den Karfreitag mit der Sterbehilfe zusammenbindet. Paulus schreibt im 2. Brief an die Korinther im 4. Kapitel: V. 8-12.17

„Wir sind von allen Seiten bedrängt, aber wir ängstigen uns nicht. Uns ist bange, aber wir verzagen nicht. Wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen. Wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um. Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserm Leibe, damit auch das Leben Jesu an unserm Leibe offenbar werde. Denn wir, die wir leben, werden immerdar in den Tod gegeben um Jesu willen, damit auch das Leben Jesu offenbar werde an unserm sterblichen Fleisch. So ist nun der Tod mächtig in uns, aber das Leben in euch. Denn unsre Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit.“

2. Korinther 4,8-12.17

Was heißt das? Es heißt: Der Christenmensch hat seine Würde gerade darin, dass er das Schicksal seines Herrn teilt. „Wir tragen allezeit – allezeit! – das Sterben Jesu an unserem Leibe, damit auch das Leben Jesu an unserm Leibe offenbar werde.“ Wahres Leben gibt es also nicht als Gegensatz zum Leiden, sondern gerade das Leid, das im Glauben getragene Leid, gebiert das wahre Leben. „Denn unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit.“

Diese Wahrheit verraten die Kirchen immer dann, wenn sie den christlichen Glauben als Wellness-Kur für ein erfülltes oder glückliches Leben anpreisen. Nicht Glück, sondern Leidensfähigkeit ist ein untrügliches Kennzeichen von Christsein. Die Altvorderen haben das gewusst: „Und wer dies Kind – das Jesus-Kind – mit Freuden umfangen, küssen will, muss vorher mit ihm leiden groß Pein und Marter viel, danach mit ihm auch sterben und geistlich auferstehn, das ewig Leben erben, wie an ihm ist geschehn.“ So habe ich’s vorhin gesungen. Darum genau geht es. Und wir sehen: Es geht da schon um Glück, sogar Glücksgefühle: Das Kind, Christus, umfangen, küssen, das ewige Leben erben. So kann man die Hoffnung unseres Glaubens schon ausdrücken. Ihre Stärke besteht aber nicht darin, Leid auszuschließen, sondern es zu bestehen. Aber warum leiden – und wozu? Ist Gott ein Sadist? Darauf läuft’s doch hinaus. Und gerade angesichts der Kreuzigung Jesu ist dieser Vorwurf oft schon erhoben worden.

Damit die Sache nicht theoretisch bleibt, wende ich mich an Norbert Steiner und versuche ihm zu erklären, warum er lieber leidend sterben sollte als sich umzubringen. – Gott bewahre mich davor, dabei zynisch zu werden oder etwas zu sagen, was ich selbst nicht mehr hören könnte, wenn mich eine Krebsdiagnose träfe. – Also los: Lieber Herr Steiner, Ihre Lage ist zum Verzweifeln. Das sehe ich. Da gibt’s auch nichts zu beschönigen. Auch ich würde wahrscheinlich an Ihrer Stelle in ein paar Monaten in ein Hospiz gehen. Niemand braucht mehr leiden als nötig, auch kein Christ. Aber – Sterben ist auch im Hospiz nicht schön. Sie werden wegdämmern, Ihr Bewusstsein wird vielleicht getrübt werden. Ihr Aussehen, Ihre Geräusche, Ihre Gerüche, – Sie werden recht erbarmungswürdig daliegen. Und Sie fragen sich jetzt, warum Sie diese letzte Lebensphase des Verfalls mitmachen sollten? Tiere schläfert man auch ein, aus humaner Tierliebe.

Ich weiß nicht, ob Sie ein überzeugter Christ sind, Herr Steiner, aber nehmen wir mal an, Sie versuchen sich jetzt mal wirklich, in den christlichen Glauben reinzudenken. Also nicht in so ein Chrismon-Gutelaune-Christentum zum Leute-Anfüttern, sondern wirklich in den hardcore Glauben, wie er in der Bibel steht.
Da haben wir Jesus, den Menschen, mit dem Gott sich 1 zu 1 identifziert. In ihm zeigt Gott, was er von uns will und was er für uns will; anders gesagt: Gerechtigkeit und Liebe. Und an diesem Menschen behandelt er das Problem, dass der Mensch normalerweise erstmal Gerechtigkeit und Liebe gar nicht haben will, sondern Ego, Ego, Ego. Die Bibel nennt das Sünde.

„Stop, Pfarrer, unterbricht mich Herr Steiner, „ich sitze auf dem Stein hier oben, nicht weil ich besonders lieblos oder ungerecht bin, ich bestimmt nicht, sondern ich sitze hier, weil ich verrecke. Willst du mir sagen, ich hätte den Krebs, weil ich so ein Super-Egoist bin? Was du da erzählst von Sünde, Liebe und dem Schmarrn – das ist bereits zynisch. Also geh weg und lass mich in Ruhe!“ Herr Steiner, sorry, so war’s nicht gemeint. Sie haben recht, ich erspar mir den Anmarsch-Weg. Aber noch lass ich nicht locker. – Mit Ihrem Leiden sind Sie nicht nur unter Menschen, sondern sogar bei Gott nicht allein. Jesus hat gelitten, Folter bis zum Tod am Kreuz. Und auch er war verzweifelt. Aber er hat es ausgehalten, weil er erkannt hat: Nur so kommt die Gottlosigkeit dieser Welt zu Ende, wenn ich den Preis dafür bezahle. Und der Preis dafür, Gottes Liebe und Gerechtigkeit abzuwürgen, der Preis dafür kann nur der Tod sein.

„Und das soll ich getan haben, dieses Abwürgen?“, fragt Steiner. – Pfr.: „Naja, nicht nur Sie speziell, aber Sie auch. Sie sind sicherlich kein Haupttäter, aber Mitläufer. Ob KfZ-Mechaniker oder Pfarrer. Wir sind alle Mitläufer. Es ist die Grundhaltung, in der die Menschheit sich vorfindet. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie davon nichts in sich haben. – „Naja …“
So, und Gott kann über die Gottlosigkeit nicht einfach hinweggehen. Er muss sie richten, sonst wäre er nicht gerecht. Und wie gesagt: Da alles Leben von Gott kommt, bedeutet Gott-Losigkeit: Tod. Paulus meint: durch den Menschen ist die ganze Welt dem Tod verfallen und seufzt unter der Sünde des Menschen. Das ist ja gar nicht so schlecht nachzuvollziehen, wenn man an die ganze Umwelt-Sache denkt.“ – „Du schweifst schon wieder ab, Pfaffe: Ich soll in ein bis zwei Jahren tot sein! Die Umwelt interessiert mich grad einen Dreck.“

„Hm, ok, also Jesus hat diesen Tod der Gottlosen auf sich genommen, weil der Tod der Ort ist, wo wirklich alles menschliche Werkeln, Tüfteln, Schaffen, Leisten, Gestalten, Vermurksen zu Ende ist. Im Sterben bin ich so passiv wie der Erdklumpen, aus dem Gott den Adam geformt hat. Im Tod kann ich nur noch eines: empfangen. Genau an den Punkt wollte Jesus.“ – „Na bravo! Eigentor, Pfarrer! Da will ich auch hin, gib mir das Gift, dann bin ich dort!“ „Eben nicht, Steiner! Denn statt zu empfangen, bestimmst du eigenmächtig, wie’s laufen soll und bist gerade nicht passiv. Jesus blieb passiv – er ist sogar am Kreuz verzweifelt – aber dann hat er empfangen: Gott hat ihm an Ostern ein neues, ein völlig neuartiges Leben gegeben. Kurz: In Jesus hat sich Gott den Weg gebahnt zu uns. Und Jesus hat uns durch Karfreitag und Ostern den Weg gebahnt zu Gott.“ – „Was Pfarrer reden können … So, aber jetzt bring’s mal auf den Punkt, also auf mich endlich; – mir geht nämlich die Geduld aus!“ „Ok, Herr Steiner, der Punkt tut aber weh: Ihr Krebs ist ein Splitter vom Kreuz Jesu. Sie leiden Gottes Urteil über uns sündige Menschen – mit Jesus mit – und wie er es aushielt und am Kreuz fixiert aushalten musste, – so sind Sie in die Nachfolge gerufen, zum Leiden, zum Sterben und damit zum radikalen Empfangen. Gerade so bleiben Himmel, Frieden, ewiges Leben ‘ Ihre Hoffnung, begründet in der Ostertat Gottes. Und diese Hoffnung ist keine Vertröstung, sondern Trost im Leiden selbst. „Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserem Leibe, damit auch das Leben Jesu an unserem Leibe offenbar werde.“ – Und „Leib“, das heißt: schon hier in der Welt vor dem Tod. Also hier im Leid des Leibes, im Leib des Leidens, kann das Leben Jesu schon an uns und in uns aufleuchten. Etwa, wenn wir mit unserer Hoffnung anderen Hoffnung geben. Indem wir ausstrahlen, dass jetzt nichts mehr an uns, aber alles an Gott liegt. Und mit in den Tod – nehmen wir die Verheißung, dass wir – so wie wir mit Christus gestorben sind, auch mit ihm leben werden. (Röm 6,8)

Herr Steiner, hören Sie überhaupt noch zu? – „Jaja. – Und weißt Du, Pfarrer, was mir aufgefallen ist? So wie ich hier oben sitze, sehe ich schon fast aus wie dein Jesus. Komisch was?“ – „Äh, ich wollt‘ ja nichts sagen, aber das is mir gleich schon aufgefallen. Das könnte ja der erste Schritt sein in die richtige Richtung, also in die Nachfolge Jesu. – Alles Gute, Herr Steiner, gute Besinnung, gute Entscheidung! Gott mutet Ihnen was zu; das sehe ich. Aber er traut Ihnen auch was zu. Und er hat mit Ihnen noch was vor; viel vor.“

Amen.

Dr. Matthias Dreher, Pfarrer