Predigt zur Christmette

Von Pfarrerin Gabriele Edelmann-Richter am 24.12.2021 in der Stephanuskirche in Gebersdorf

Krippe in der Stephanuskirche mit Maria, Josef, Jesuskind und den Hirten

Liebe Gemeinde,

Der Prophet Micha ist zunächst eher unbedeutend gewesen. Meist stand er im Schatten des großen Propheten Jesaja.
Aber einige Jahrhunderte nach seinem Tod gewinnt er plötzlich an Bedeutung, denn da entdeckten drei Sternendeuter am orientalischen Nachthimmel einen außergewöhnlichen Stern.
Für die Drei war schnell klar, dass diese Himmels-Erscheinung der Hinweis auf die Geburt eines großen Königs sein musste.
So machten sich die Astronomen auf einen langen Weg und fragten unter anderem beim König Herodes nach, ob er in seinem Regierungsgebiet von einer besonderen Geburt gehört hätte.
Herodes hatte keine Ahnung und wenn er eine gehabt hätte, wäre er den drei Weisen zuvorgekommen und hätte den Nebenbuhler schleunigst ausgeschaltet, was er nach einigen Wochen dann auch versuchte.
Doch die Gelehrten forschten weiter nach und fanden in den damals bekannten Heiligen Schriften die Stelle im Prophetenbuch des Micha, die uns heute als Predigttext vorliegt:

Du Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir kommen der, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist.“

Micha 5,1

In dem kleinen Dorf Bethlehem also – 20 Kilometer südwestlich von Jerusalem entfernt – Hier ist es geschehen. Die Geburt des Friedenskönigs!
Hier wurde Gott Mensch! Was für eine Botschaft!

 Die Gelehrten staunten damals nicht schlecht.
Auch sie hatten große Ehrfurcht, großen Respekt vor der Nähe Gottes.
Die Bibel schreibt, dass es stets Engel waren, die den Menschen die Furcht vor der Größe und Erhabenheit Gottes genommen haben.
So sprach der Engel Gabriel zu Maria:

Fürchte dich nicht, Gott hat Großes mit dir vor!

 Auch sprach der Engel Gabriel zu den Hirten auf dem Feld: „Fürchtet euch nicht, denn ich verkündige euch große Freude! Euch ist heute der Heiland geboren!“

„Fürchtet euch nicht!“

So werden auch wir heute angesprochen von dem Geschehen in Bethlehem.
Wir können darüber nur staunen, dass sich aus einem eher unbedeutenden Geschehen in einem Stall, in einem kleinen Dorf, so Großes entwickelt hat.
Genau deshalb ist die Weihnachtsgeschichte wie Balsam für die Schwachen, die Unbedeutenden, die Enttäuschten, für die, die keine Hoffnung mehr haben.
Wer sich auf diese Weihnachts-Geschichte einlässt, darf staunen wie ein Kind, von dem wird nichts gefordert.

Die Starken, die Emsigen unter uns werden sich aber fragen: Na, wird das gut gehen? Werden wir da nicht von der Welt belächelt, wenn wir uns gemeinsam mit den einfachen Hirten vor der Krippe niederknien, ganz in Gedanken versunken, die ganze Bedrohlichkeit der Welt hinter uns lassend?
Und vielleicht noch singend:
Ich steh an deiner Krippen hier, o Jesu du mein Leben!

Liebe weihnachtliche Gemeinde,

ich bin der Überzeugung: an Weihnachten dürfen, ja sollen wir an der Krippe innehalten und über die Menschwerdung Gottes staunen.

 Martin Luther sagte:

„Willst du gewiss sein und Gott in seinem Wesen recht kennenlernen, so musst du unten anfangen, wie der Prophet es tut, dass du zuerst nach Bethlehem kommst!“

Für den Propheten Micha, der 800 Jahre vor Jesu Geburt gelebt hat, wäre so ein stiller Ort vor den Toren Jerusalems ein Traum gewesen – tobte doch damals im Land ein heftiger Krieg.

Und wie ist das mit dem Frieden bei uns?

Äußerlich gesehen, können wir in Deutschland – Gott sei Dank – von einer Friedenszeit reden, wenngleich die Spannungen in unserer Gesellschaft zurzeit an Fahrt aufnehmen.
Mag es daran liegen, dass uns innerer Halt und Zuversicht abhandengekommen sind?
Viele von uns werden im Arbeitsalltag oft bis an die Grenzen herausgefordert.
Dazu kommt noch die Pandemie mit täglich neuen Verhaltensregeln – das alles bringt Unruhe in unser Leben.
Am liebsten würden wir das alles endlich hinter uns lassen!
Weil wir momentan am eigenen Leib spüren, dass uns die äußere Sicherheit abhandenkommt, haben wir Sehnsucht nach innerem Halt, nach festen Werten, nach Geborgenheit.

Der Prophet Micha verheißt seinen Lesern ein sicheres Wohnen, ein Dach über dem Kopf, wenn er die Geburt dessen ankündigt, der ein Herrscher der besonderen Art sein wird:

„Der Verheißene aber wird auftreten und wird sie weiden in der Kraft des Herrn, seines Gottes. Und sie werden sicher wohnen; denn er wird zur selben Zeit herrlich und groß werden bis an die Enden der Erde. Und er wird der Friede sein!“

Micha 5,3 – 4a

Mit dem Friedenslicht aus Bethlehem halten Sie diese Weihnachtsbotschaft symbolisch auch in ihren Händen.
Auf der einen Seite im Lichtschein die Heilige Familie – eingebettet in ein tiefes beruhigendes Blau.

Auf der anderen Seite in hellem Weiß nur ein Wort: „Friedenslicht“. Nicht mehr, nicht weniger!
Das genügt erst einmal, um unsere Sehnsucht zu stillen.

Wer die Geburtskirche in Bethlehem besuchen möchte, der muss sich tief hinunterbeugen, um die Stelle zu sehen, an der die ersten Christen den Standort der Krippe vermuteten.
Vor einigen Jahrhunderten schon hat man aus Angst vor Plünderungen das Portal der Geburtskirche zugemauert und nur einen schmalen Gang gelassen.
Wer also heute zur Krippe kommen möchte, muss sich klein machen, muss im übertragenen Sinn Demut zeigen vor dem, der den inneren Frieden bringen wird.
Stolzes Gehabe hat an der Krippe nichts zu suchen.
Ja, wer sich in diesen Tagen auf den Weg zur Krippe macht, dem wird klar, dass sich Gott durch seine Menschwerdung in die tiefsten Abgründe unserer menschlichen Existenz begibt.

Dazu kommt noch, dass Jesus in Bethlehem Efrata geboren wird. Das heißt übersetzt. „Haus des Brotes“.

Wieder ein schönes Bild auch für uns.
Jesus gibt uns die Speise, die wir brauchen. Unseren Hunger nach Frieden, Liebe und Geborgenheit kann er stillen, wenn wir uns auf ihn einlassen.

Das kleine Bethlehem wird Großes hervorbringen!

Die drei Weisen haben den Prophezeiungen aus dem Micha Buch vertraut.
Zielstrebig sind Sie damals nach Bethlehem gezogen.

Ich wünsche uns allen, dass das Geschehen im kleinen Bethlehem auch für uns das bedeutendste Erlebnis in den kommenden Tagen, ja vielleicht sogar in unserem Leben wird.

Der Friede des Herrn, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus .

Amen.

Gabriele Edelmann-Richter, Pfarrerin

Gottesdienste an Weihnachten

Weihnachtlich beleuchtete Stephanuskirche Nürnberg Gebersdorf an der Christmette

Die Weihnachtsgeschichte mit Maria und Josef und dem Kind in der Krippe – jedes Jahr berührt sie uns aufs Neue. Auch wenn wir dieses Jahr noch mit Einschränkungen leben, bieten wir wieder ein vielfältiges Weihnachtsangebot in unserer Kirche an.

Mit den Hirten unterwegs zur Krippe

Familiengottesdienste für Groß und Klein
Beginn jeweils um 14:30 Uhr und 16:00 Uhr
Treffpunkt vor der Stephanuskirche

Zusammen mit dem Rabenchor und dem Familiengottesdienstteam begleiten wir die Hirten auf ihrem Weg zur Krippe. Jeder, der dahin kommen will, muss sich auf den Weg machen. Was bewegt uns heute und was hat die Hirten und alle anderen damals zur Krippe bewegt?
Der Gottesdienst wird vollständig im Freien vor der Kirche stattfinden. Jede und jeder ist herzlich eingeladen zu kommen! Bitte ziehen Sie sich dem Wetter entsprechend an. Mit dem tragen einer FFP2-Maske schützen Sie sich und alle anderen. Wir freuen uns über Ihren Besuch!

Christmette

Besinnliche Andacht in der weihnachtlich beleuchteten Kirche
Beginn dieses Jahr schon um 21:30 Uhr in der Stephanuskirche

Zutritt nur mit 3G-Nachweis und FFP2-Maske. Bitte planen Sie aufgrund der Einlasskontrollen mehr Zeit ein.

Krippenfiguren der Stephanuskirche mit Maria und Josef, Jesuskind, Sterndeutern und Schafen.

1. Weihnachtsfeiertag

Gemeinsamer Gottesdienst in der Thomaskirche Großreuth um 10:15 Uhr
Bitte tragen Sie eine FFP2-Maske auch während des Gottesdienstes.

2. Weihnachtsfeiertag

Gemeinsamer Gottesdienst in unserer Stephanuskirche um 10:15 Uhr
Bitte tragen Sie eine FFP2-Maske auch während des Gottesdienstes.

Weihnachten ist Party für Jesus!

Symbolbild: Maria und Josef als Holzfiguren vor einer Krippe

Mit diesem Zitat von D. Kallauch lädt die Thomaskirche alle Kinder und Eltern ein und auch wir möchten gerne dieses Angebot weitersagen:

An Weihnachten freuen wir uns darauf, dass Jesus geboren wird. Natürlich wollen wir gerne Geburtstag mit ihm feiern und uns gemeinsam mit anderen freuen, dass Gott ganz nah zu uns kommt.

Uns ist es sehr wichtig, dass ihr gesund bleibt und trotzdem Weihnachten feiern könnt. Darum haben wir uns überlegt, dass wir euch dieses Jahr mal ganz anders zum Krippenspiel in unsere Thomaskirche einladen. Das Krippenspiel-Team und das Musik-Team bereiten den Gottesdienst so vor, dass ihr ihn am Heiligen Abend ab 15 Uhr von eurem warmen Zuhause aus mit eurer Familie anschauen könnt.

Wenn ihr den Krippenspielgottesdienst anschaut, könnt ihr sehen, wie viele andere Familien dies auch tun. Das wichtigste ist, dass wir wissen, dass Jesus an diesem Abend zu uns nach Hause kommt.

Wir freuen uns auf euch und wünschen euch ein friedliches, fröhliches und gesegnetes Weihnachtsfest!

Eurer Krippenspiel-Team, Musik-Team und eure Pfarrerin Juliane Jung

Advent – eine gute Zeit, eine Zeit des Haushaltens

Von Pfarrerin Gabriele Edelmann-Richter am 12.12.2021 (3. Advent) in der Stephanuskirche in Gebersdorf

Drei Teelichthalter mit brennenden Kerzen warm erleuchtet inmitten von getrockneten Apfel- und Orangenscheiben, Sternanis, Zimtstanden, Beeren und Nüssen.

Liebe Gemeinde,

heute am 12. Dezember befinden wir uns gerade mitten in der Adventszeit.
In den letzten Wochen habe ich vielen Gemeindemitgliedern eine stille Zeit, eine besinnliche Zeit gewünscht.
Wahrscheinlich können Sie dasselbe berichten.
Denn in uns allen steckt die tiefe Sehnsucht, das Geheimnis von Weihnachten ganz langsam und behutsam zu lüften, nur so können wir am meisten davon haben.
Sonntag für Sonntag zünden wir eine Kerze mehr am Adventskranz an, um der Hektik des Alltags bewusst entgegenzusteuern.
Doch die Realität, den Alltag mit dem Mysterium, dem Geheimnis von Weihnachten in Einklang zu bringen, verlangt von uns viel Geduld und Kraft.

Vergangene Woche hatten wir in der Sitzung des Kirchenvorstands den neuen Haushaltsplan zu verabschieden. Da ging es in erster Linie um den sachgemäßen und verantwortlichen Umgang mit unseren Finanzen.
„Gemeinde an sich“ ist wahrhaftig kein Selbstläufer mehr. Die verantwortliche Verwaltung unseres Kindergartens, unseres Gemeindehauses und natürlich unserer Stephanuskirche, mitsamt den hauptamtlichen, nebenamtlichen und ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen fordert uns jedes Jahr aufs neue heraus.
Nach der Vorstellung des Haushaltsplanes durch unseren Kirchenpfleger konnten wir schon den Eindruck gewinnen, dass wir ein mittelständisches Unternehmen sind.
Auch wir hier in der Kirchengemeinde sind Ökonominnen und Ökonomen!

Die Bedeutung des guten Haushaltens griff schon Paulus in seinem Brief an die Korinther auf.

So lautet unser heutiger Predigttext zum 3. Advent:

Dafür halte uns jedermann: für Diener Christi und Haushalter (Ökonomen) über Gottes Geheimnisse.
Nun fordert man nicht mehr von den Haushaltern, als dass sie für treu befunden werden.

1. Korinther 4,1-2

Die Worte des Paulus weisen uns darauf hin, dass die Adventszeit eine Zeit ist, in der wir auch als Christen Bilanz ziehen.
Nur, dass Paulus da nicht den finanziellen Haushalt meint, sondern den Umgang und das Haushalten mit den göttlichen Geheimnissen.
Nach Paulus sollen die Ökonomen der Gemeinde treu sein, zuverlässig im Handeln, aber auch in dem, was sie erreichen.

„Zielführend“ und „zielorientiert“ wären da die passenden Worte aus unserer modernen Zeit.
Der Unterschied zu einem Wirtschaftsunternehmen ist, dass wir in der Gemeinde, neben der ordnungsgemäßen Buchführung, die Geheimnisse Gottes gut verwalten.
Wir haben den Auftrag, diese Geheimnisse allen verständlich zu machen und öffentlich davon zu sprechen. Das ganze Leben eines Menschen mit allen seinen Wegen und Umwegen sollen wir mit Gott in Verbindung bringen.
Allem Gelingen, aber auch allem Scheitern sollen wir einen Sinn entlocken.
Wege zu erfrischenden Quellen aufzeigen und auf Überlebensstrategien hinweisen.

Nach Paulus muss die Adventszeit also so verstanden werden, Bilanz zu ziehen, wo wir momentan stehen, nachzuprüfen, ob wir wirklich bereit sind für das Kommen Gottes auf die Erde.

Dass diese Messlatte für uns Christen sehr hoch hängt, das wusste Paulus auch und so schreibt er weiter an seine Gemeinde:

Mir aber ist’s ein Geringes, dass ich von euch gerichtet werde oder von einem menschlichen Gericht; auch richte ich mich selbst nicht.
Ich bin mir zwar keiner Schuld bewusst, aber darin bin ich nicht gerechtfertigt; der Herr ist’s aber, der mich richtet.

1. Korinther 4,3-4

Das kennen wir alle: unsere Mitmenschen neigen dazu, sich vor allem über die anderen das Maul zu zerreißen.
Und je mehr man im Fokus der Öffentlichkeit steht, desto mehr läuft man Gefahr, regelmäßig mit Kritik überhäuft zu werden.
Das gilt nicht nur für die Politiker und die Ökonomen in unserer Gesellschaft, das gilt auch für die Verantwortlichen in unseren Kirchengemeinden.
Aus eigenen Befindlichkeiten heraus und das Ganze wahrhaftig nicht wirklich im Blick habend, vielleicht auch, weil man mit dem eigenen Leben nicht zufrieden ist,
wird da über andere gemauschelt, gelästert und nicht selten gemobbt.

Paulus hält da mit einem gesunden Selbstvertrauen und mit einem tiefen Gottvertrauen dagegen.
Er lässt sich von keinem menschlichen Urteil den Weg vermiesen, sondern er nimmt allein Gottes Urteil ernst!

Danke Paulus! – Das ist wirklich eine befreiende Botschaft in der Adventszeit!

Er schickt sogar noch einen Appell hinterher. Einen Aufruf, der sich an die Geduld seiner Hörerinnen und Hörer wendet:

Darum richtet nicht vor der Zeit, bis der Herr kommt, der auch ans Licht bringen wird, was im Finstern verborgen ist und das Streben der Herzen offenbar machen wird.
Dann wird auch einem jeden von Gott Lob zuteilwerden.

1. Korinther 4,5

Die Adventszeit ist also auch eine Zeit der Umkehr von alltäglichen Verhaltensmustern, eine Zeit des Innehaltens, des Überdenkens:
Wie oft habe ich im vergangenen Jahr schon mal allzu schnell ein hartes Urteil über einen Mitmenschen gefällt, ohne wirklich was über sein/ihr Leben zu wissen?

Manche von uns hadern in dieser dunklen Jahreszeit auch mit sich selbst und ihrem Schicksal.
In solche Situationen hinein spricht uns Paulus Trost zu:

Am Ende rückt uns kein geringerer als Gott ins Licht!

Unsere Geduld mit anderen und auch mit uns selbst wird belohnt werden mit dem Glanz von Weihnachten.

Wir werden belohnt mit dem Kommen Gottes auf die Erde!

Das himmlische Licht umgibt uns und zeigt uns den Weg durch die größte Finsternis!

Das ist es, was wir in der Adventszeit erwarten: den Heiland, der uns heil macht, den Retter, der uns rettet und den Friedefürsten, der uns mutig macht, in unserem Leben immer wieder neu anzufangen, aufzubrechen und zuversichtlich nach vorne zu gehen.

Genau das ist das Geheimnis des Glaubens, welches wir gut verwalten sollen!

Die Wochen vor Weihnachten möchten uns Zeit und Raum geben, aus dem Alltagstrott herauszutreten, das Geheimnis des Glaubens ganz langsam zu enthüllen.

Alle unsere Sinne werden in diesen Wochen durch unser Handeln angesprochen:
Unsere Augen freuen sich über den Lichterglanz, unsere Nasen nehmen den Plätzchenduft auf, unsere Hände rascheln beim Basteln mit dem Stroh oder mit dem Glanzpapier, unsere Ohren lieben die Musik und die Lieder, die uns Beständigkeit und Geborgenheit vermitteln, unsere Spenden öffnen unsere Herzen für andere in Not.

Die Adventszeit ist eine gute Zeit, eine Zeit des Haushaltens.
Da können wir schon mal üben, wie es ist, wenn es Gott gut mit uns meint, wenn er uns im Stall an der Krippe willkommen heißt und den Lohn des Wartens gibt.

Der Friede des Herrn, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus!

Amen.

Gabriele Edelmann-Richter, Pfarrerin

Predigt zum 2. Advent

Von Pfarrerin Dr. Judith Lena Böttcher am 05.12.2021 in der Stephanuskirche in Gebersdorf

Adventskranz in der Stephanuskirche Nürnberg Gebersdorf mit zwei brennenden Kerzen zum Gottesdienst am 2. Advent

Liebe Gemeinde,

wieder ist es ein Advent, in dem viele Erwartungen enttäuscht werden. Wieder ist es ein Advent, in dem Veranstaltungen abgesagt werden. In dem wir nicht auf dem Weihnachtsmarkt unbeschwert Glühwein trinken können. Wieder keine betrieblichen Weihnachtsfeiern. Keine dichtgedrängten Kaufhäuser mit süßlicher Weihnachtsmusik, die irgendwie doch an Kindheit erinnert.

Stattdessen werden wir wieder einmal enttäuscht. Und wir leben in Sorge: Wohin soll es gehen? Wie kommen wir raus aus der schier Endlosschleife Pandemie? Wie lange müssen wir das uns, unseren Kindern, unseren Eltern noch zumuten? Wie lange noch währt die Dunkelheit?

„Er kommt, aber anders“ – so las ich auf der Titelseite der Nürnberger Nachrichten Mitte November. Neugierig ging ich näher an den Zeitungsstand. Ich entdeckte, dass es um das Thema Christkindlesmarkt ging. „Er kommt, aber anders“ – diese Zeile ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Wie passend für diesen Advent und wie passend eigentlich für jeden Advent!

Er kommt, aber anders

Ist es nicht eigentlich so, dass Enttäuschung in jedem Advent mitschwingt? Weil es doch nicht so besinnlich und feierlich zugeht, wie wir uns das eigentlich wünschen würden. Weil sich doch wieder Hektik und Stress breitmacht. Enttäuschte Erwartungen gehören wohl eigentlich zu jedem Advent dazu, vielleicht, weil vorher die Hoffnung so groß war, es möge diesmal anders sein.

„Er kommt, aber anders“ – so singt es auch Maria in ihrem berühmten Lied, nachdem ihr von dem Engel verkündet worden war, dass sie schwanger ist und ein Kind gebären wird, das die Welt entscheidend verändern wird. Es wird alles anders werden – das wird ihr blitzartig klar. Gott hat sich offenbart als der, der Veränderung will. Der die Ordnung dieser Welt auf den Kopf stellt und die Spielregeln des Lebens noch einmal ganz neu auslegt. „Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen. Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer ausgehen.“ Ein solcher Gott kommt in die Welt. Er verzichtet selbst auf alle Macht, Herrlichkeit und Herrschaftsinsignien. Er wird als Baby geboren und lässt sich umsorgen und nähren von einer jungen Mutter.

„Er kommt, aber anders“ – das soll uns auch in diesem Jahr Hoffnung schenken. In unserem Predigttext aus dem Alten Testament wird diese Hoffnung nach Nahbarkeit und Menschlichkeit als Klagelied ausgedrückt.

Predigttext

So schau nun vom Himmel und sieh herab von deiner heiligen, herrlichen Wohnung! Wo ist nun dein Eifer und deine Macht? Deine große, herzliche Barmherzigkeit hält sich hart gegen mich. Bist du doch unser Vater; denn Abraham weiß von uns nichts, und Israel kennt uns nicht.
Du, Herr, bist unser Vater; »Unser Erlöser«, das ist von alters her dein Name. Warum lässt du uns, Herr, abirren von deinen Wegen und unser Herz verstocken, dass wir dich nicht fürchten? Kehr zurück um deiner Knechte willen, um der Stämme willen, die dein Erbe sind! Kurze Zeit haben sie dein heiliges Volk vertrieben, unsre Widersacher haben dein Heiligtum zertreten. Wir sind geworden wie solche, über die du niemals herrschtest, wie Leute, über die dein Name nie genannt wurde.
Ach dass du den Himmel zerrissest und führest herab, dass die Berge vor dir zerflössen, wie Feuer Reisig entzündet und wie Feuer Wasser sieden macht, dass dein Name kundwürde unter deinen Feinden und die Völker vor dir zittern müssten, wenn du Furchtbares tust, das wir nicht erwarten, und führest herab, dass die Berge vor dir zerflössen! Von alters her hat man es nicht vernommen, kein Ohr hat gehört, kein Auge hat gesehen einen Gott außer dir, der so wohltut denen, die auf ihn harren.

Jesaja 63,15- 64,3

Hier spricht die Sehnsucht, dass Gott machtvoll in unser Leben eingreift. Dahinter steht das Bild eines strengen Vaters, der über allem steht und mit Donnerwort für Recht und Ordnung sorgen kann: „Schau doch vom Himmel herab, wo du in Heiligkeit und Pracht wohnst! Wo sind deine brennende Liebe und deine Macht?“ Und: „Reiß doch den Himmel auf und komm herab, so dass die Berge vor dir beben!“ Zu wenig spürten die Menschen damals von Gott und seinen Taten. Sie wollten sichtbare, machtvolle Zeichen, dass Gott mit ihnen ist und ihnen zur Seite steht.

Was war damals los, im 6. Jahrhundert vor Christus?

Nach vielen Jahren hatte die Besatzungsmacht Israel verlassen. Familien kehrten aus babylonischer Gefangenschaft heim. Doch was fanden sie vor? Viele Häuser waren zerstört. Felder, Jahrzehnte lang nicht gepflegt, brachten nur geringe Erträge. Gerade so viel wurde geerntet, dass man nicht hungern musste. Was besonders schmerzte: Ihren Tempel in Jerusalem hatten die gegnerischen Soldaten entweiht. Ihr Heiligtum war geschändet. Wo sie sich Gott so nahe fühlten, was ihnen über alles heilig war, – ihre Gegner zogen es in den Schmutz und verhöhnen es. So unter die Räder geraten, so durch und durch geschüttelt, täglich um das Allernotwendigste kämpfen müssen – wenn zudem noch verspottet wird, woran das Herz hängt, dann stellen sich bohrende Fragen. Was habe ich selber falsch gemacht? Haben etwa andere daran Schuld? Hat es gar mit Gott selbst zu tun? Wie kann Gott das ganze Elend zulassen? Geht ihm das nicht nahe? Müsste er nicht eingreifen?

Ich finde  diese Erwartung verständlich. Wie sehr sehne ich mich, und ich denke wir alle, immer wieder nach einem machtvollen Zeichen, dass Gott im Regiment sitzt und alles herrlich regiert. Dass endlich einer für Recht und Gerechtigkeit sorgt. Besingen wir nicht auch an Weihnachten den Gott-Held, den Wunder-Rat, den Friede-Fürst? Und steckt nicht dahinter genau diese Sehnsucht: Dass endlich einer kraftvoll Ordnung schafft?

Bei Jesaja wird diese Erwartung in ein Wort gebündelt: „‘Unser Befreier‘ – das ist von jeher dein Name.“ Beim Wort Befreier wird die Geschichte mit Gott lebendig. Als Israel in Ägypten versklavt war, war es in höchster Bedrängnis. Doch Gott hat es befreit. Daran erinnert Jesaja. Was damals geschehen ist, kann doch wieder geschehen. Gott gibt die Seinen nicht auf.

„Er kommt, aber anders“: Die Geschichte von Maria, Jesu Mutter, lehrt uns, dass wir unsere eigenen Erwartungen immer wieder in Frage stellen sollten.  Er kommt, aber bis es geschah, vergingen noch fünf Jahrhunderte. Als er dann kommt, verzichtet er auf seine unwiderstehliche Macht. Die Berge wanken nicht, und die Völker zittern nicht. Unauffällig kommt er. Er kommt im zarten Gewand eines Kindes, der erst einmal selbst völlig auf Fürsorge und liebevolle Pflege angewiesen ist. Mit dem Kind Jesus beginnt die Befreiung, die Erlösung. In ihm nimmt Gott Wohnung. Er ist nun das neue Heiligtum. Ein kostbarer Tempel, nicht aus toten Steinen erbaut.  Er kommt, und mischt sich unter die Ausgegrenzten und Erniedrigten, die Kranken und Verachteten. „Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten?“, fragen seine Jünger einmal. Und Jesus antwortete: „Geht hin und sagt (…), was ihr hört und seht: Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt; und selig ist, wer sich nicht an mir ärgert.“ (Matthäus 11,3-5)

Auch in dieser Adventszeit 2021 müssen liebgewonnene Rituale und vertraute Traditionen wegen der Pandemie zumindest zum Teil wieder ausfallen. Vielleicht sollten wir uns nicht ärgern, sondern die Zeit nutzen, Neues zu erwarten. „Er kommt, aber anders“. Ein Literat und Blogger schreibt:

„Jedes Jahr befällt mich in der Adventszeit aufs Neue ein unbestimmtes Gefühl der Erwartung“. Diese Erwartung „blüht (…) jedes Jahr so zuverlässig in mir auf wie im März die Krokusse. (…) Es ist nicht unbedingt ein Gefühl, als würde nun alles besser werden und als würden sich meine Probleme auf wundersame Weise in Luft auflösen – aber doch die stille Hoffnung, zumindest alles in einem anderen Licht [zu] sehen.“

https://rotherbaron.files.wordpress.com/2015/11/text-advent.pdf

Was erwarten Sie von Weihnachten?

Erwartung – das ist laut Duden eine vorausschauende Vermutung, eine Annahme oder Hoffnung. Advent ist das Ineinander von Erwartungen, die zuverlässig aufblühen wie Krokusse im März: die Erwartung, dass ich selbst berührt, verändert werde. Und die Erwartung, dass die Welt eine andere wird. Alle Jahre kehrt die Erwartung wieder – und einmal wird sie für immer erfüllt sein. Denn in der Erwartung liegt bereits die Aussicht auf Vollendung. Darum sagt den verzagten Herzen – und hört es selbst: Fürchtet euch nicht! Seht, da ist euer Gott!

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.

Dr. Judith Lena Böttcher, Pfarrerin

Predigt zum 1. Advent

Von Pfarrerin Gabriele Edelmann-Richter am 28.11.2021 in der Stephanuskirche in Gebersdorf – Aktionstag für Brot für die Welt

Gottes Geist kommt über uns Menschen, Grafik/Kunstwerk

Liebe Gemeinde,

von Jeremias Traum haben wir vorhin schon erfahren. In seinem Buch im 23. Kapitel schreibt der Prophet noch die Worte, die Grundlage für die heutige Predigt zum ersten Advent sind:

Seht, die Zeit wird kommen, spricht der Herr, dass ich dem Volk Davids einen gerechten Spross erwecken will. Der soll ein König sein, der wohl regieren und Recht und Gerechtigkeit im Lande üben wird. Zu seiner Zeit soll Juda geholfen werden und Israel sicher wohnen. Und dies wird sein Name sein, mit dem man ihn anreden wird: Der Herr ist unsere Gerechtigkeit!

Jeremia 23, 5-6

„Seht, die Zeit wird kommen …“, so beginnt der Text. Auch das ist ein Traum – eine Wunschvorstellung, etwas, das herbeigesehnt wird. 
Jeremia spricht diese Worte in eine politische Situation hinein, in eine Zeit, in der das Land unterzugehen droht. Die Zerstörung Jerusalems durch den babylonischen Herrscher Nebukadnezar im Jahr 586 vor Christus liefert den historischen Hintergrund für Jeremias Worte. Seine Heimat löste sich gerade auf, viele Menschen gingen ins Exil. – Eine Katastrophe für das damalige Volk Israel! 

Die Bilder von Vertreibung und Flucht nach dem Krieg haben auch viele Menschen aus Gebersdorf noch gut vor Augen.
Und Bilder von Vertreibung und Flucht flimmern nahezu täglich auf unseren Fernsehern in unsere Wohnzimmer.
Leider kennen wir alle auch die Gefühle der Unsicherheit in dieser unruhigen und von der Pandemie begleiteten Zeit nur allzu gut.
Genau in so eine Situation hinein erscheint nun die hoffnungsvolle Botschaft:

„Gott lässt einen gerechten Spross wachsen, der umsichtig herrscht und Recht und Gerechtigkeit im Land umsetzt!“

Die Träumenden in unserem Anspiel: 
Josef, die Schülerin von heute und das Kind aus Bangladesch sehnen sich nach Recht und Gerechtigkeit.
Wie soll ich dich Gerechten empfangen? So haben wir alle vorhin gesungen, so fragten sich unsere Träumenden.
Angesichts der schwierigen familiären Lage, die sich bei Josef darstellte, oder der klimatischen Bedrohung, die die Schülerin beschrieb oder der existentiellen Sorgen, die das Kind aus Bangladesch bewegte, ist es wirklich eine große Herausforderung, auf einen Retter, einen gerechten Friedefürsten zu hoffen. 

Im Gegensatz zu damals, als das Unglück von einem Menschen, einem Herrscher ausging, sind wir in unserer modernen Zeit, zumindest was die Klimaveränderungen angeht, als ganze Gesellschaft mitverantwortlich.
Obwohl keiner von uns bewusst an der Schraube der Erderwärmung dreht, kann doch ein jeder für sich seinen eigenen ökologischen Fußabdruck beleuchten.
Auch in unserem Land machen sich die Klimaveränderungen schon bemerkbar:
Heftigere Regenfälle und Stürme auf der einen Seite und Hitze- und Trockenperioden auf der anderen Seite.
Doch noch können wir hier in Deutschland gut leben und dank der Versicherungen auch nach Katastrophen überleben.

Anders ist es in Bangladesch, dem Land östlich von Indien.
Große Teile des Landes liegen auf der Höhe des Meeresspiegels. Als es dort in den vergangenen Jahren vermehrt zu Wirbelstürmen und Überschwemmungen ungeheuren Ausmaßes kam, spitzte sich die Lage vor allem für die vielen Kleinbauern  desaströs zu.
Deshalb wurde auch die Aktion „Brot für die Welt“ auf Bangladesch aufmerksam. Mit einem Teil der Spenden, die ab diesem Sonntag bis zum Ende des Jahres auf dem Spendenkonto eingehen, werden vor allem die Kleinbauern in den Küstenregionen unterstützt. Fachleute geben ihnen spezielles Saatgut, welches auch unter Salzwasserbedingungen eingesetzt werden kann. 
Von den Hilfsorganisationen werden auch Dämme und Schutzräume für die Familien gebaut, damit sie in ihren Regionen wohnen bleiben können.
Da die meisten Familien von der Landwirtschaft leben, sind sie nach Naturkatastrophen auf das geringe Einkommen der Väter angewiesen, die sich als Tagelöhner verdingen müssen.

Eine Welt. Ein Klima. Eine Zukunft.“ 

Aktionsplakat für die 63. Spendenaktion von Brot für die Welt.

So lautet in diesem Jahr das Motto der 63. Aktion Brot für die Welt.
Dieses Motto kann nur mit einer gehörigen Portion Hoffnung verfolgt werden.
Aufzugeben kommt da auf keinen Fall in Frage!
Jeremia hat damals die Hoffnung auf den Friedefürsten gesetzt, der sein Volk aus der Katastrophe retten sollte.
Uns ist aus der Geschichte bekannt, dass schließlich nach 50 Jahren babylonischem Exil der persische König Kyros Jeremias Volk wieder in die Heimat zurückgehen ließ.
Bis dann der von Jeremia angekündigte Friedefürst zur Welt kam, dauerte es allerdings noch 500 Jahre.

Doch das judäische Volk blieb auf dem Weg und ließ sich nicht beirren.
Genauso wenig dürfen wir uns beirren lassen, wenn wir uns in den kommenden Wochen auf den Weg nach Weihnachten machen.
Getragen von der Hoffnung, dass wir einen König erwarten, einen Wunder-Rat, einen Helden, dessen himmlisches Licht unseren Weg auf der Erde ausleuchtet, können auch wir unseren Kindern und Enkeln Mut machen!
Wir geben ihnen Hoffnung für die Zukunft, wenn wir unser tägliches Tun und Handeln im Umgang mit der Natur genau beleuchten und nur so lange unsere eigenen Interessen verfolgen, als wir diese mit einem guten Gewissen verantworten können.
Das kann unser Einkaufsverhalten betreffen, unser Reiseverhalten, unsere Mobilität im Alltag, unsere Achtsamkeit allen Lebewesen gegenüber.

Gottes Schöpfung gehört uns nicht, sie ist uns nur geliehen!

In der Zeit des 2. Weltkriegs predigte der Theologe Dietrich Bonhoeffer, dass Gott auf verantwortliche Taten wartet und darauf antwortet. 
Die feministische Theologin Dorothee Sölle lehrte in den 70-er und 80-er Jahren, dass Gott keine Hände hat, nur unsere Hände.
Damit wollte sie ausdrücken, dass wir Menschen unsere Hände einsetzen sollen, um uns gegenseitig zum Wohl zu dienen und Gott dabei zu loben.

Vor 2000 Jahren hat Gott seinen Sohn geschickt, damit alle Menschen seine Liebe erkennen. Von Palästina aus ging diese Botschaft in wenigen Jahrhunderten um den damals bekannten Erdkreis.
Und heute glaubt etwa ein Drittel der Weltbevölkerung an die frohe Botschaft Jesu. 

Diese frohe Botschaft gibt uns stets aufs Neue die Kraft, den Widrigkeiten unseres Lebens zu trotzen und mutig für ein verantwortungsvolles Leben auf diesem Planeten Erde einzustehen.

Machen wir etwas daraus! 

Amen.

Gabriele Edelmann-Richter, Pfarrerin

Alles wieder gut!?

Von Pfarrerin Gabriele Edelmann-Richter am 17.11.2021 (Buß- und Bettag) in der Stephanuskirche in Gebersdorf

Liebe Gemeinde,

kennen Sie das? – wenn uns jemand nach einer aufregenden Situation beruhigen will, fällt schon mal schnell der Satz: „Alles wird wieder gut!“  oder einfach nur „Alles gut!“
In die unterschiedlichsten Situationen hinein hören wir diesen Satz, manchmal kommt er auch ganz schnell als Nachricht auf dem Handy daher.
Ein aktuelles Beispiel: Eine Familie saniert ihr Haus. Es herrscht ein einziges Chaos. Handwerker haben Terminschwierigkeiten, weil sie Lieferengpässe haben. Der Winter rückt näher, die neuen Türen sind noch nicht da. 
Da sagt der Sohn, als er spürt, dass die Eltern wieder mal am Rad drehen: „Alles wird gut, Leute!“
„Na ja, das hoffen wir“, denken die Eltern und erleben, dass der junge Mann mit anpackt und die Wohnung provisorisch winterfest macht. Der erste Schritt hin zu einer Besserung ist gemacht.

„Alles wird wieder gut“ – was könnten diese Worte heute am Buß-und Bettag für uns bedeuten?

Der Buß-und Bettag ist ein guter Anstoß dafür, sich einen Moment Zeit zu nehmen zum Jahresende und sich zu fragen, wie es mir eigentlich geht?
Wofür bin ich dankbar? Was ist ungeklärt, was liegt im Argen? Was möchte ich in Ordnung bringen?

Die Pilgerreise zur himmlischen Seligkeit

Der Baptistenprediger John Bunyan schrieb bereits im Jahr 1675 den Bestseller „Die Pilgerreise zur himmlischen Seligkeit“. Das Buch wurde in zweihundert Sprachen übersetzt. Es handelt von einem Mann, namens Christian, der sich aus einer zerstörten Stadt aufmacht in die himmlische Stadt Jerusalem.
Das scheint für ihn die einzige Möglichkeit zu sein, seine Sünden loszuwerden. Ein Mann mit dem Namen „Evangelist“ zeigt Christian den Weg.
Er weist ihn hin auf das kleine Licht am Horizont. Es scheint aus einer schmalen Pforte heraus zu leuchten.
„Behalte das Licht im Blick! Lass dich nicht ablenken!“
So der Rat des Evangelisten.
Christian macht sich auf den Weg und es begegnen ihm Menschen mit merkwürdigen Namen.
Sie heißen „Stur“, „Willig“, „Weltklug“.
Natürlich machen sie ihren Namen alle Ehre und möchten Christian aufhalten oder zumindest auf falsche Wege und Umwege führen.
Zum Glück tauchen aber auf der Pilgerreise auch immer wieder Menschen auf, die Christian helfen, wieder auf den richtigen Weg zurückzufinden.

Diese alte Symbolgeschichte passt auch noch für uns heute.
Wir gehen auf unserem Lebensweg, meinen zu wissen, wohin wir wollen, haben auch das Licht aus der Pforte im Blick und trotzdem passiert es, dass wir regelmäßig an Weggabelungen ankommen, an denen wir uns entscheiden müssen. 
Aber welcher Weg ist der richtige Weg? Wann können wir sagen, „Alles wird gut!“?

In der Bergpredigt weist Jesus auf zwei unterschiedliche Wege hin: Der eine Pfad ist schmal und sehr beschwerlich; der andere ist breit und bequem zu begehen. 
Er weist darauf hin, dass ein gelingendes Leben nicht automatisch bequem zu erreichen ist. Oft verlangt es von uns, die letzten Kräfte einzusetzen, nicht aufzugeben, um nach vorne zu kommen.
Denken Sie mal an die Entscheidungen, die Sie schon auf Ihrem Lebensweg treffen mussten, sei es in der Schule, in der Familie oder im Beruf. 
Rückblickend waren das sicher stets Herausforderungen, die Mut verlangten und dennoch nicht immer die richtigen Entscheidungen waren.

Auch unser Zusammenleben als Gesellschaft steht immer wieder vor solchen Weggabelungen.
Viele komplexe Fragen brechen auf uns herein:
Wie können wir unseren Wohlstand wahren, ohne den nachfolgenden Generationen ein klimatisches Desaster zu hinterlassen?
Wie können wir es schaffen, dass Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen friedlich miteinander leben?
Wie können wir diese schreckliche Pandemie körperlich und seelisch gut überstehen?

Am Anfang der Bibel heißt es: „Alles war sehr gut“. Da wird erzählt, wie Gott aus dem Chaos, aus dem Tohuwabohu eine wunderbare Welt schafft, so wie wir Menschen sie auch kennen und lieben. 
Auch Jesu Botschaft wird zusammengefasst mit dem Wort Evangelium, die gute Nachricht, die frohe Botschaft.
Wir brauchen solche Botschaften in unsere turbulente Welt hinein! Wir brauchen die Botschaft gerade dann, wenn wir mit dem Schlechten kämpfen, wenn wir aus der Bahn geworfen wurden, oder wenn wir auf unserem Weg Schweres zu tragen haben.
Wir brauchen den Zuruf von außen, um unser Vertrauen auf die Zukunft zu stärken.
Jeder von uns weiß, dass ein gutes Vertrauen zu sich selbst und in die Zukunft uns stark macht, mitzuwirken an der besseren Welt.

Eine der Regeln, um den richtigen Weg einzuschlagen, ist die sogenannte Goldene Regel.
Jesus hat diese seinen Jüngern mit auf den Weg gegeben.
Die Goldene Regel passte damals, sie passt auch noch heute:

„Was ihr wollt, das euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch!“

Jesu Auftrag an seine Nachfolger lautet also, sich in die andern hineinzuversetzen, auch ihre Erwartungen zu verstehen.
Das erfordert Geduld und Zeit. Vermeidet aber Missverständnisse und Konflikte.

Der große Theologe Hans Küng – er ist in diesem Frühjahr verstorben – gründete das Projekt Weltethos. 
Nach seinem großen Konflikt mit der katholischen Kirche war es für ihn klar, seinen weiteren beruflichen Lebensweg ganz dem Verständnis der Religionen zu widmen. Nur Weitblick und Offenheit auch für die anderen Religionen war für ihn eine Option für den Weltfrieden.
Küng fand sowohl im Judentum, als auch im Islam und auch im Buddhismus und im Hinduismus die Goldene Regel vor, die die Basis für eine Verständigung der Religionen und Kulturen ist.

Den Blick wieder auf uns selbst gerichtet, muss man sagen, dass sich die Goldene Regel nicht mechanisch auf alle Situationen anwenden lässt. Stets ist eine Portion 
Einfühlungsvermögen und auch Anstrengung damit verbunden.
Und wenn wir nun unseren Weg gehen, müssen wir uns doch immer bewusst sein, dass es daneben noch viele andere Wege für uns geben könnte. 
Aber nur wer aufbricht, wer nachdenkt und sich auf die Suche macht, kann den goldenen Weg finden!
Wenn wir dann am Ziel sind, den steilen Berg erklommen haben, in das Licht der Pforte eintreten, werden wir sehen, dass da einer auf uns wartet, der zu uns sagt: „Alles wieder gut!“

Ich wünsche uns allen Gottes Weisheit für unsere Entscheidungen und Gottes Begleitung auf unseren Wegen durch das Leben!

Der Friede des Herrn, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.

Gabriele Edelmann-Richter, Pfarrerin

Bereitsein für den Schalom / den Frieden Gottes

Predigt zum drittletzten Sonntag im Kirchenjahr vom 7.11.2021 von Pfarrerin Gabriele Edelmann-Richter

Liebe Gemeinde,
erinnern Sie sich, wann waren Sie das letzte Mal im Kino?
Ich gebe zu, seit Beginn der Pandemie habe ich mich auch, dank Netflix und Co., auf das Heimkino beschränkt.
Aber egal für welches Genre ich mich entschieden habe, eine Szene mit einem großen Kuss war immer mit dabei!
Wenn Sie gerade auch so eine Szene im Kopf haben, dann sind Sie heute bei unserem Predigttext ganz nah dran!
Nach bangem Hin und Her, nach erstickter und dann doch wieder aufgeflammter Hoffnung geschieht es endlich … zwei Menschen küssen sich und reißen die Zuschauer mit in die Welt der Gefühle, der Träume, der besseren Welt.

Unser heutiger Predigttext aus dem Psalm 85 könnte, wenn er denn verfilmt wäre, ganz großes Kino sein.
Es geht um die Liebesgeschichte Gottes mit seinem Volk.
Sämtliche Gefühlszustände zwischen Zorn und Freude sind da mit dabei.

Predigttext in der Übersetzung der Basisbibel:

Herr, du hast dein Land wieder liebgewonnen und das Schicksal Jakobs zum Guten gewendet. Du hast deinem Volk die Schuld vergeben und alle Sünden hast du ihm verziehen. Du hast deinen ganzen Ärger aufgegeben und deinen glühenden Zorn verrauchen lassen.
Gott, du bist unsere Hilfe, stell‘ uns wieder her!
Sei nicht länger so aufgebracht gegen uns!
Willst du denn immer auf uns zornig sein?
Soll sich dein Zorn noch ausdehnen von der einen Generation auf die andere? Willst du nicht wieder neues Leben schenken?
Dann wird sich dein Volk über dich freuen.
Gott erweise uns deine Gnade und gib uns dein Heil. –

Ich will hören, was Gott zu sagen hat. Der Herr redet vom Frieden.
Er verspricht ihn seinem Volk und seinen Frommen.
Sie sollen nicht mehr zurückblicken zu den Dummheiten der Vergangenheit!
Seine Hilfe ist denen nahe, die zu ihm gehören.

Dann wohnt seine Herrlichkeit wieder in unserem Land.
Güte und Treue finden zueinander. Gerechtigkeit und Frieden küssen sich. Treue wächst aus der Erde empor. Gerechtigkeit scheint vom Himmel herab.
Auch schenkt uns der Herr viel Gutes und unser Land gibt seinen Ertrag dazu.
Gerechtigkeit zieht vor ihm her und bestimmt die Richtung seiner Schritte.

Liebe Gemeinde,
wenn wir uns den Text verfilmt vorstellen, sehen wir in der ersten Szene, dass der Psalmbeter Gott daran erinnert, dass er schon einmal gnädig gehandelt hat. Ein Blick also in die Vergangenheit.

Dann schwenkt die Kamera in die Gegenwart: Gott wird wieder um Gnade gebeten, damit sich sein Volk freuen kann.

Die dritte Szene wirft den Blick dann auf die Zukunft. Der Psalmbeter möchte nicht nur selbst sprechen, er möchte gerne Hörer sein!
Er möchte eine Antwort von Gott. Und zwar nichts weniger, als dass Gott den Menschen seinen Frieden verspricht!

Kurze Verschnaufpause… dann ganz großes Finale, ganz großes Kino:

Gerechtigkeit und Friede küssen sich!

An dieser Stelle schauen wir das Drehbuch genauer an:

Was ist hier wohl mit Gerechtigkeit gemeint?
Die Bedeutung geht weit über unsere Vorstellungen von Gerechtigkeit hinaus!
Gerechtigkeit Gottes ist mehr als gleicher Lohn für gleiche Arbeit oder mehr als gleiche Strafe für gleiches Vergehen.
Wenn der Psalmbeter auf Gottes Gerechtigkeit hofft, dann hofft er, dass Gott seinen Zorn, den er durchaus immer wieder seinem Volk gegenüber zeigt, überwinden kann und sich seinem Volk immer wieder auf’s Neue zuwendet.

Schließlich geht es um Gottes Barmherzigkeit, die die Nähe zu den Menschen sucht!
Gerechtigkeit ist also nicht das Einhalten von Prinzipien; Gerechtigkeit meint im Gebet des Psalmbeters, dass auch nach schlimmstem Versagen ein Neuanfang möglich ist, im Vertrauen darauf, dass Gott ein guter Gott ist.

Das war auch für Martin Luther so. Viele Jahre war er auf der Suche nach innerem Frieden gewesen, bis er erkannte, dass man sich Gottes Gerechtigkeit nicht verdienen kann; sie wird uns geschenkt, allein durch Gnade und allein durch den Glauben an Jesu Versöhnungstat.
Erst nachdem Luther das erkannt hatte, erhielt er einen inneren Frieden.

Liebe Gemeinde,
unser Psalm schlägt eine Brücke von Gottes Gerechtigkeit zum Frieden Gottes.
Und Frieden, hebräisch: „Schalom“, hat eine umfassende Bedeutung: „Schalom“ bedeutet „Wohlergehen“.
Lebt ein Mensch mit Schalom, so führt er ein Leben in Würde und Freiheit, erfährt Gerechtigkeit im Alltag.

In unserer Stephanus Gemeinde gibt es schon seit vielen Jahren einen Schalomladen.
Die Waren, die hier angeboten werden, ermöglichen den Produzenten ein würdevolles Leben und Arbeiten. Die Zertifizierung sorgt dafür, dass es gerecht zugeht, bei der Herstellung und beim Verkauf. So können die weltweiten Produzenten mit sich und ihrer Umgebung in Frieden leben.

Und wie sieht es bei uns hier in Nürnberg mit dem „Schalom Gottes“ aus?
Zwar ist trotz anhaltender Coronakrise die Arbeitslosigkeit auf einem relativ niedrigen Niveau, trotz Lieferengpässen gibt es ein Wirtschaftswachstum.
Aber die Beschäftigungen im Niedriglohnsektor nehmen zu. Zeitarbeit verwehrt vielen auch in unserer Gemeinde eine Planung in die Zukunft.
Die Mieten steigen in astronomische Höhen und der Traum vom Eigenheim ist gerade dabei, sich in Luft aufzulösen angesichts der horrenden Immobilienpreise.

Aber noch leben wir in einem Sozialstaat, der das Schlimmste immer wieder auffängt. Wir können im weltweiten Vergleich ziemlich gut leben!
Gott sei Dank!
Und trotzdem ist es für uns wichtig, die Zusage Gottes, seinen Schalom, immer wieder neu zu hören.
Denn die Angst vor der Macht des Virus, aber auch die Angst vor den unglaublich schnellen Veränderungen unseres Klimas macht auch vor unseren Türen nicht halt. Schalten wir die Nachrichten ein, so hören wir zwar die wohlmeinenden Zielsetzungen auf den Gesundheitsgipfeln der WHO oder die hochgesteckten Klimaziele der Konferenz in Glasgow, doch die Wohlstandsmehrung einiger Länder und die korrupten Methoden einiger Präsidenten machen es dem Schalom Gottes auf Erden nicht leicht, sich auszubreiten.

Liebe Gemeinde,
Gottes Drehbuch für diese Welt zielt auf ein gutes Ende hin.
Es verspricht uns Güte, die uns erkennen lässt, wie wir in das Weltgeschehen eingebunden sind, Güte, die uns die Augen öffnet für die Gemeinschaft mit anderen Menschen, Güte, die uns den Weg weist in ein Leben im Einklang mit der Natur, den Weg in unsere Beziehung zu unserem Schöpfer.
Gottes Drehbuch sieht unsere Rolle als treue Gläubige, die das, was Sie sagen, auch tun, auf die Verlass ist.

Wenn dann die Interessen dieser Welt zu einem Ausgleich kommen und jeder Mensch von sich sagen kann, dass er als Geschöpf und Person gesehen und behandelt wird, dann ja, dann küssen sich Gerechtigkeit und Frieden!

Bis es so weit ist, dürfen wir mit Leidenschaft die Hoffnung und die Sehnsucht danach nicht aufgeben, wenn wir zu Gott beten oder ihn mit unseren Liedern loben.
Wenn wir jeden Tag unsere Schritte den Spuren der Gerechtigkeit Gottes folgen lassen, den Frieden lieben und zur Versöhnung mit der Welt und mit Gott bereit sind, dann ja, dann wird aus dem großen Kino eine bessere Welt!

AMEN