Predigt Rogate 17.05.2020

Pfarrerin Gabriele Edelmann-Richter

Predigttext: Mt.6,6-15

Gnade sei mit Euch und Friede, von dem der da ist, der da war und der da kommt!

Liebe Schwestern und Brüder in Christus,
erinnern Sie sich an die rot umrandete Wolke, die ich vor ca. 8 Wochen in und um unsere Kirche herum aufgehängt habe?

„BETEN VERBINDET! „

So war darauf zu lesen in einer Zeit, in der rein äußerlich nichts mehr verbunden zu sein schien. Persönliche Kontakte und Gemeinschaft, all das, was jeder Mensch unbedingt für sein Leben braucht, all das, was zu den menschlichen Grundbedürfnissen zählt, wurde – aus Sicherheitsgründen – untersagt!

Was blieb uns da noch? Wie konnten wir ohne äußere  Begegnungen zumindest die inneren Verbindungen aufrechterhalten?

In unserem Nürnberger Dekanat aber auch anderswo wurden schnell Ideen entwickelt. Und wie Sie an der Wolke sehen, war eine der ersten Ideen mit die beste!

Das Gebet, das die Christen auf der ganzen Welt verbindet, das die allermeisten auswendig können, sollte beim Läuten der Kirchenglocken gebetet werden, sodass jeder, der sich da mit einreihte, wusste, dass er zwar rein äußerlich in seiner Wohnung, in seinem Zimmer allein dasaß, aber innerlich doch mit den Menschen seiner Gemeinde verbunden war.

Was und wie sollen wir eigentlich beten?

Diese Frage stellten sich schon die Freunde und Anhänger Jesu.

Und Jesus, bekannt für seine klugen und lebensnahen Antworten gab den Menschen, die sich um ihn versammelt hatten, das Vaterunser Gebet. Aufgeschrieben finden wir es im Evangelium des Matthäus in der sogenannten Bergpredigt Jesu:

Ich verlese den heutigen Predigttext:

„Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht sein wie die Heuchler, die gern in den Synagogen und an den Straßenecken stehen und beten, um sich vor den Leuten zu zeigen. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt. Wenn du aber betest, so geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir’s vergelten. Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht viel plappern, wie die Heiden; denn sie meinen, sie werden erhört, wenn sie viele Worte machen. Darum sollt ihr ihnen nicht gleichen. Denn euer Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet. Darum sollt ihr so beten:

„Unser Vater im Himmel! Dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.“

 Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben.“

Liebe Gemeinde,
Das Vaterunser Gebet steht in der Mitte der Bergpredigt. Hier fasst Jesus alles Wichtige seiner Botschaft zusammen. Wer ihm zuhört, der lernt: Diese schön geschaffene Welt wird vergehen, aber ihr Ziel ist das Himmelreich.  Die Tage und die Jahre vergehen, das Leben blüht und verwelkt, aber alle dürfen wissen: Die ganze Welt, die irdische und die geistige Welt gehören Gott, unserem Vater, der die Welt und uns geschaffen hat!

Jeder von uns sieht ihm ähnlich und wird am Ende in Gottes Reich als Gottes Kind kommen.

Als Jesus damals dieses Gebet sprach, provozierte er die jüdischen Zuhörer, weil sie sich niemals erlaubt hätten Gott/Jahwe mit Vater anzureden.

Aber Jesu Sicht auf den Schöpfergott war eine ganz andere! In seinem Gebet mit der Anrede „Vater“ wollte er seine Zuhörer einladen zu dem abstrakten Gegenüber eine ganz persönliche Beziehung aufzubauen. Der gläubige Mensch darf vertraut sein, nicht bloß mit einer höheren Macht, sondern mit dem himmlischen Vater.

Und Jesus geht mit seiner Neuerung noch weiter: Nicht nur im Gotteshaus kann der Gläubige „richtig“ beten, nein, gerade zuhause kann der Mensch sein Innerstes, sprich von ganzem Herzen sein Gebet zu Gott formulieren, ohne Ablenkung, ohne zur Schaustellung der eigenen Besonderheiten in Stimme und Aussehen.

Auf die innere Haltung kommt es also an, still zu werden, das Geplapper ausklingen zu lassen und zu warten, bis man Gott hört.

Liebe Gemeinde,
haben Sie sich schon einmal gefragt, weshalb wir das Vaterunser erst gegen Ende des Gottesdienstes beten?

Es lässt sich erklären mit der Ruhe, die wir dann hoffentlich in uns spüren.

 Nach liturgischen, regelmäßigen Formeln und Texten, nach biblischen Erzählungen, der Predigt, den Liedern, Musik und Gebeten sind wir innerlich bereit, uns direkt an unseren Vater im Himmel zu wenden. Wir sind dann bereit, ihn um unser tägliches Brot zu bitten, das uns am Leben erhält.

Wir sind bereit, nachdem wir uns unserer Schuld bewusst geworden sind, Gott um Vergebung zu bitten.

Wir sind bereit, ihn auch darum zu bitten, dass er uns nicht den Verlockungen der Welt erliegen lässt, dass wir Gutes von Bösem unterscheiden können.

Und sollte es uns nicht immer gelingen, haben wir die tröstenden Worte Jesu im Ohr: Wenn ihr den Menschen vergebt, so wird euch auch euer himmlischer Vater vergeben.

Das macht uns zuversichtlich mit seiner Hilfe und dem im Gottesdienst darauffolgenden Segenszuspruch in den Tag, in die neue Woche zu gehen. Gerade, weil wir nicht wissen, was da wieder alles auf uns zukommen mag.

Voller Überzeugung dürfen wir dann genauso, wie es die ersten Christen vor 2000 Jahren auch getan haben, sprechen:

„Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit!“

Freuen wir uns, dass wir dieses, uns in allen Lebenslagen wichtiges Gebet seit heute wieder in Gemeinschaft sprechen können.

AMEN

Der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

AMEN