Predigt Christi Himmelfahrt

Himmelfahrt 21.05.20   Joh.17,20-26: Jesu Testament

Liebe Gemeinde,

der Himmelfahrtstag hat sich in der Rangfolge der kirchlichen Feiertage schon lange auf einem Abstiegsplatz festgesetzt.
Manchmal ereilt uns der Eindruck, dass dieser Feiertag nur dank der Vatertagsidee überlebt hat. Hinaus ins Grüne, mit Freunden, Gleichgesinnten, dem Himmel ganz nah zu sein, das ist der Wunsch vieler.

Doch in diesem Jahr ist das so nicht möglich. Nur sehr kleine Gruppen dürfen heute unterwegs sein. Und auch für uns in der Stephanuskirche ist heute einiges anders. Der viele Jahre übliche Gottesdienstort am Hainberg wurde uns aus Naturschutz-gründen gestrichen. Und für ein großes ökumenisches Treffen auf der Leitzmannwiese in Kleinreuth gab es heuer auch keine Genehmigung durch die Stadt.
Da bleibt uns nichts anderes übrig, als den Himmelfahrtstag für eine Angelegenheit zu nutzen, die meist in geschlossenen Räumen stattfindet und unseren Blick in Richtung Himmel zu richten.

Liebe Gemeinde,
willkommen zur Testamentseröffnung!

Sie haben geerbt! Ja, sie sind von einem vermögenden Mann kurz vor seinem Ableben reichlich bedacht worden.
Und heute am Himmelfahrtstag findet die Testamentseröffnung statt!

Aber zuerst klären wir den Begriff „Testament“:
Gemäß unserer modernen Rechtsprechung handelt es sich dabei um „die einseitige Verfügung des Erblassers über den Nachlass“.
Und wann sollte man ein Testament machen?
Klare Antwort: Rechtzeitig!

Schon Martin Luther hat im Jahr 1519 für einen Freund im Sermon „Von der Bereitung zum Sterben“ als erste Aufgabe – nicht Besinnung, Bekehrung oder Gebet verlangt –  sondern ganz und gar weltlich hat er geschrieben, dass der Mensch zuerst sein Hab und Gut ordnen soll.
Luther schreibt: „Weil der Tod ein Abschied von dieser Welt und von allen ihren Geschäften ist, ist es nötig, dass der Mensch über sein zeitliches Gut ordnungsgemäß verfügt, wie es sich gehört.“

Liebe Gemeinde, diese alten friedenstiftenden Hinweise scheinen so manchem unserer Zeitgenossen abhanden gekommen zu sein. Wahrscheinlich fallen einem jeden von uns Familien ein, die sich nach dem Tod eines Angehörigen erst einmal richtig verkrachen, weil eben nichts geordnet war.

Auch zu Jesu Zeiten war Erben und Vererben ein Thema. Haben Sie gewusst, dass auch Jesus ein Testament gemacht hat?
Na klar, das NT!   … werden jetzt einige denken. Also ein ganzes Paket von Äußerungen, Wünschen und Forderungen.
Ich denke dabei aber an den heutigen Predigttext, der sich wie Jesu letzter Wille liest:    
Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden,
dass sie alle eins seien. Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein, auf dass die Welt glaube, dass du mich gesandt hast.

Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, auf dass sie eins seien, wie wir eins sind,
ich in ihnen und du in mir, auf dass sie vollkommen eins seien und die Welt erkenne, dass du mich gesandt hast und sie liebst, wie du mich liebst.

Vater, ich will, dass, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast, damit sie meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast; denn du hast mich geliebt, ehe die Welt gegründet war.
Gerechter Vater, die Welt kennt dich nicht; ich aber kenne dich, und diese haben erkannt, dass du mich gesandt hast.
Und ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, damit die Liebe, mit der du mich liebst, in ihnen sei und ich in ihnen.

Liebe Gemeinde, weshalb spricht Jesus diese Worte?
Er möchte, dass etwas von seinem Vermächtnis bleibt – auch über seinen Tod hinaus. Damit es nicht dem Zufall oder anderen überlassen bleibt, was aus dem wird, was ihm wichtig war. 
Dabei stellt sich uns die Frage: Was für ein Vermächtnis oder gar Vermögen hat Jesus, was hat er zu verteilen, ehe er zu seinem Vater in den Himmel auffährt?

Nicht Geld, sondern Geltung – nicht Wertpapiere, sondern Werte hat er zu verteilen!

Der Glaube, die Liebe und die Hoffnung als Verbindung zum Vater im Himmel.

Die Erlösung von allem, was gefangen hält und abhängig macht.

 Die Freiheit der Kinder Gottes, das ist es, was Jesus in die Welt gebracht hat!

Wenn also Jesus an Himmelfahrt zurück zu seinem Vater geht, vererbt er uns vieles, was wir mit großer Verantwortung weitertragen sollen.
„In Verantwortung“ den Glauben weitertragen, das heißt dann, um im juristischen Fachjargon zu bleiben, dem Streit vorzubeugen, Spaltungen zu verhindern.

 M. Luther hat es so ausgedrückt: „damit nach dem Tod kein Anlass zu Zank, Hader oder sonst einem Zwist unter den Hinterbliebenen vorhanden ist“. 
Auch Jesus hatte das im Sinn!
Sein einziger Wunsch für seine Nachfolger war, dass sie sich einig sind im Glauben an ihn und seinen himmlischen Vater.

Aber wenn wir uns unsere Kirchenlandschaft ansehen, ist das bei weitem nicht der Fall. 
Nehmen also Jesu Nachfolger sein Vermächtnis nicht ernst genug?
An was mag es liegen, wenn es nach der Testamentseröffnung zu Streitigkeiten kommt?

 Ein Jurist würde antworten: Wahrscheinlich haben die Erben einer Linie keine gleichen Anteile bekommen, manche wurden bevorteilt, andere ungerecht behandelt!
Auf Jesu Forderung übertragen, heißt das, dass sich alle Konfessionen ohne Übervorteilung, ohne Arroganz des gemeinsamen Auftrags bewusst sein sollen.
Alle Christen sollen gemeinsam Verantwortung gegenüber der Welt zeigen, nicht vereinheitlicht, sondern selbstbewusst und mit Respekt für die anderen Konfessionen.

Gerade weil alle, die an Jesus Christus glauben, unter Gottes Gnade und Vergebung stehen, werden sie von Jesus aufgefordert, sich gleichermaßen engagiert und verantwortlich gegenüber ihrem Mitmenschen und gegenüber der Schöpfung zu zeigen.

Wir als Christen, egal welcher Konfession, ob evangelisch, katholisch, orthodox oder freikirchlich sollen Leuchttürme in einer Gesellschaft sein, die gerade in unruhigen Zeiten Orientierung braucht!
Und so werden wir immer wieder neu unsere Erbschaft im Glauben antreten müssen. 
Denn: Erbe verpflichtet! 
AMEN.

Pfarrerin Gabriele Edelmann-Richter