Wie Glaube und Vernunft zusammenspielen

Zum 750. Todestag des Philosophen Thomas von Aquin

„Ich kann nicht mehr; angesichts dessen, was ich geschaut habe, erscheint mir alles, was ich geschrieben habe, wie Spreu.“ Das sagte der bedeutendste Theologe und Philosoph des Mittelalters: Thomas von Aquin. Drei Monate vor seinem Tod muss er eine unmittelbare Gotteserfahrung gemacht haben. Noch bevor er sein großes Lebenswerk, die „Summe der Theologie“ vollendet, legt er seine Schreibfeder nieder und schweigt. Er starb vor 750 Jahren am 7. März 1274.

Der um die Jahreswende 1224/25 auf dem Schloss Roccasecca bei Aquino geborene
Dominikanermönch und Gelehrte hat so viele Schriften und Bücher hinterlassen, dass man vermutet, er müsse drei bis vier Schreibern gleichzeitig diktiert haben. Immer ging es ihm um das Zusammenspiel von Glauben und Vernunft. Die um 1200 im christlichen Abendland neu entdeckte Philosophie des Aristoteles (384 – 322 v. Chr.) hatte die Gelehrten des Mittelalters vor die Alternative gestellt, entweder einer rein naturwissenschaftlichen Wahrheit zu folgen oder einer, die nur auf dem Glauben beruht. Weil Thomas sich auf beide Weltsichten einlassen konnte, gelang ihm der bedeutendste Entwurf einer christlichen Philosophie. Das Gerüst besteht darin, dass Thomas beide Weltsichten gedanklich durchdringt, ohne dass die Bereiche auseinanderfallen. Der Glaube hat es mit übernatürlichen Wahrheiten zu tun. Im Bereich der reinen Wissenschaft hat dieser zunächst nichts zu suchen. Hier richtet sich Vernunft auf die Weltwirklichkeit, die sinnlich erfahren werden kann. Das Kriterium für ihre Wahrheit ist die rationale Nachvollziehbarkeit.
Dagegen kann der Mensch von sich aus ohne die göttliche Offenbarung weder die Trinität noch die Erbsünde noch die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus erkennen. Auch dass die Welt eine Schöpfung Gottes ist, lässt sich rein wissenschaftlich nicht beweisen.

Sind Vernunft und Glauben also doch zwei voneinander getrennte Welten? Nein! Denn ihr Zusammenhang ist dadurch gegeben, dass Vernunft und Glaube von Gott stammen, aus Gottes Weisheit ist der Glaube also nicht widervernünftig, sondern erweist sich im Nachdenken der göttlichen Wahrheiten als vernünftig. Und auch die Vernunft kann, wenn sie in ihren Grenzen bleibt, nichts lehren, was dem Glauben widerspricht. Thomas fasst das Zusammenspiel von Glaube und Vernunft so zusammen: „Die Gnade hebt die Natur nicht auf, sondern vollendet sie.“ Diese Vollendung ist Thomas gegen Ende seines Lebens in überwältigender Weise widerfahren.

Reinhard Ellsel