Ein Hungerleider auf dem Papstthron

Vor 500 Jahren starb Hadrian VI.

Dieser Papst war ein Skandal – raunten wenigstens die Kardinäle und Hofschranzen im Vatikan und die römische Bevölkerung, die von Sparsamkeit und Schlichtheit am päpstlichen Hof herzlich wenig hielt. Mitten in der luxusverliebten Renaissance verbot er teure Festmähler, warf Tänzerinnen und Schauspieler hinaus, wies den Koch an, das päpstliche Mittag- und Abendessen dürfe nicht mehr als einen Dukaten kosten, den er ihm jeden Tag penibel auf den Tisch legte. Den Kurienbeamten warf er Verschwendung und Vetternwirtschaft vor. Ein Hungerleider auf dem Papstthron – das hatte den noblen Römern gerade noch gefehlt!

Was musste man denn auch einen Kulturbanausen aus dem hohen Norden zum Pontifex machen! Wobei sich die Kritiker nicht darum scherten, dass dieser Hadrian Florensz dʼEdel aus Utrecht zwar aus dem Kleinbürgertum stammte, aber Theologieprofessor, Bischof und, nun ja, Großinquisitor gewesen war, Mitregent Spaniens und Erzieher des späteren Kaisers Karl V. Übrigens galt Hadrian VI., wie er sich nannte, als Deutscher, denn Utrecht gehörte zu den habsburgischen Niederlanden, also zum Deutschen Reich. Am 9. Januar 1522 wurde er zum Papst gewählt. Wegen seines strikten Spar- und Reformkurses bekämpft, im Vatikan völlig isoliert und erschöpft vom feuchtheißen römischen Klima, erlag er bereits am 14. September 1523 einem Nierenleiden.

Über den Erfolg Luthers und der übrigen Reformatoren hatte Hadrian einem seiner Legaten geschrieben, „dass Wir aufrichtig bekennen, Gott lasse diese Verfolgung der Kirche zu wegen der Sünden der Menschen, namentlich der Priester und Prälaten . . . Wir wissen, dass auf diesem Heiligen Stuhl vor etlichen Jahren eine Menge abscheulicher Dinge geschehen sind . . . Und es ist kein Wunder, dass die Krankheit vom Haupt in die Glieder, von den Päpsten zu den Prälaten zog. Wir alle, die Prälaten und Geistlichen, sind vom Weg des Rechtes abgewichen . . .“

Hätte Hadrian länger regiert, vielleicht wäre das Auseinanderbrechen der westlichen Kirche vermieden worden und die Kritik der Reformatoren hätte zu einer kraftvollen Erneuerung der Christenheit geführt, nicht zu ihrer Spaltung.

Christian Feldmann

Die Wette

Zum 400. Geburtstag des Philosophen Blaise Pascal

Der französische Philosoph, Mathematiker und Physiker Blaise Pascal

„Wetten, dass Sie mit Gott glücklich werden?“ Derjenige, der zu dieser außergewöhnlichen Wette einlädt, wurde am 19. Juni 1623 Clermont in Frankreich geboren. Blaise Pascal, der dazu auffordert, mit Gott die Probe aufs Exempel zu machen, ist alles andere als ein oberflächlicher Spielertyp. Das Universalgenie hat eine Entwicklung durchschritten, die ihn vom Naturwissenschaftler zum Philosophen und tiefgläubigen Christen führt.

Blaise Pascal (1623–1662; Sammelbild der Gutermann-Nähseidenfabrik um 1920). Bild: epd bild/akg-images

Neben die reine naturwissenschaftliche Neugierde tritt bei Pascal der Drang, anderen durch seine Begabung zu helfen. Sein Vater war nach Rouen versetzt worden, wo er die Steuereinnahmen neu zu regeln hatte. Um ihm diese Arbeit zu erleichtern, konstruiert Pascal in angestrengter Tag- und Nachtarbeit die erste mechanische Rechenmaschine.

Ein mystisches Erlebnis muss den Naturwissenschaftler endgültig zum Christentum gewendet haben. Wir wissen von dieser sogenannten „Feuer-Nacht“ nur durch Pascals geheime Aufzeichnung, dem sogenannten „Mémorial“. Das ist ein Zettel, den man nach seinem Tod im Futter seines Rocks eingenäht gefunden hat. Der Zettel ist handschriftlich datiert auf das „Jahr der Gnade 1654. Montag, den 23. November“.
Pascal hat den lebendigen Gott erfahren – Gott, der weder durch den Geist der Mathematik noch der Philosophie zu ergründen ist. Im „Mémorial“ heißt es unter anderem: „Jesus Christus. Ich habe mich von ihm getrennt. Ich bin vor ihm geflohen, habe mich losgesagt von ihm, habe ihn gekreuzigt. Möge ich nie von ihm geschieden sein! Nur auf den Wegen, die das Evangelium lehrt, kann man ihn bewahren. Vollkommene und liebevolle Entsagung.“

Pascal plant, eine Verteidigungsschrift des Christentums zu verfassen. Mit mathematischer Schärfe will er seine gebildeten Zeitgenossen bis an die Grenze heranführen, wo der Glaube an Jesus Christus beginnt. Da aber selbst ein Pascal die Glaubensinhalte nicht beweisen kann, fordert er seine Leser mit einer Wette heraus, das Glaubenswagnis einzugehen und bewusst sein Leben mit Gott zu gestalten: „Wetten, dass Sie mit Gott glücklich werden?“

Pascal ist über die Abfassung von scharfen Gedankenentwürfen und groß angelegten Skizzen nicht mehr hinausgekommen. Er stirbt nach einem Leben voller Krankheit und körperlicher Schwäche am 19. August 1662 im Alter von 39 Jahren. Allerdings wurde die Materialsammlung sieben Jahre nach seinem Tod herausgegeben unter dem Titel „Pensées“ – zu Deutsch: „Gedanken“. Wahrscheinlich haben gerade deshalb seine „Gedanken“ bis heute ihre große Faszination behalten, weil sie unvollendet geblieben sind.

Auch mit Blick auf die „Pensées“ erfüllt sich das Lebensmotto von Pascal: „Es ist nicht auszudenken, was Gott aus den Bruchstücken unseres Lebens machen kann, wenn wir sie ihm ganz überlassen.“

Reinhard Ellsel