Platz für Hoffnung

Symbolbild: Bibel

„Kann ich trotz der ganzen Katastrophen glauben?“ Die Antwort auf unsere Frage finden wir am Frankfurter Flughafen. Es gibt dort eine Art Haftanstalt, wohin unter anderem Menschen gebracht werden, die hier ohne gültige Papiere landen. In einem Schnellverfahren wird entschieden, ob der Asylantrag Chancen hat und der Mensch nach Deutschland einreisen darf. In vielen Fällen ist die Antwort: nein. So ging es auch Frau Dube, die eigentlich anders heißt. Ihre Geschichte ist wahr, aber anonymisiert.

Ein paar Tage nach der Entscheidung sah ein Mitarbeiter Frau Dube. Sie lächelte. In so einer Situation lächeln zu können, das sei bewundernswert. Sie habe wirklich Kraft. Sie sagte in Anlehnung an ein Jesuswort: „Gott kümmert sich um uns. Wenn er sich um die Vögel am Himmel und die Blumen auf der Erde kümmern kann, warum dann nicht auch um uns.“ Frau Dube konnte trotz der Katastrophen in ihrem Leben glauben. Glauben entsteht nicht, weil es einem Menschen so gut geht oder weil die Welt so paradiesisch wäre. Im Gegenteil wirkt Glauben oft dann besonders stark, wenn alles schlecht und bedrohlich ist. Glauben ist trotzig.

Auch die Jüngerinnen und Jünger Jesu waren trotzig. Jesu Tod am Kreuz hat sie nicht endgültig abgeschreckt. Sie haben trotzdem geglaubt. Gut, er ist ihnen als Auferstandener erschienen. Aber wie lesen wir diese Geschichten heute? Wir Menschen haben die Fähigkeit, trotz aller Katastrophen zu glauben. Die Jünger und Jüngerinnen waren erst einmal in sich zusammengebrochen, doch sie gaben nicht auf und ließen den Tod nicht das Ende sein. Jesus war tot und ist es bis heute. Die Christen nennen ihn den Auferstandenen, trotzdem.

Warum manche glauben und andere nicht, ist ein Geheimnis. Traditionell finden Menschen durch Verkündigung (Predigt) und Sakramente (Taufe und Abendmahl) zum Glauben. Aber auch ohne die Kirche können wir Menschen daran arbeiten, dass andere glauben. Es ist wie bei der Erziehung von Kindern: Vorleben führt zu Nachahmung, Geborgenheit führt zu Zutrauen in die Welt.

Dass wir Menschen so etwas wie Glauben empfinden können, ist ein evolutionärer Vorteil. Wie sonst sollten wir uns motivieren, immer wieder aufzustehen? Katastrophen sind allgegenwärtig. Auch ein glückliches Leben endet in der Katastrophe des Todes, führt dazu, dass wir irgendwann nicht mehr aufstehen können. Es ist nicht nur möglich, trotz Katastrophen zu glauben, sondern auch nötig. Ansonsten lassen wir der Katastrophe das letzte Wort.

Konstantin Sacher
Aus: „chrismon“, das Monatsmagazin der evangelischen Kirche. www.chrismon.de

Wie kann Glaube trösten?

Symbolbild: Bibel

Wenn man Schlimmes erlebt hat, dauert es, bis man wieder auf die Füße kommt. Was man da nicht braucht, sind fromme Sprüche und falsche Versprechen. Not lehrt nicht automatisch beten, sondern oft fluchen oder verstummen. Wenn es schier unerträglich geworden ist, wird nicht selten nach einem Tröster gerufen, der mit einem mächtigen Wort die Angst vertreibt und Hoffnung schenkt. Doch aus guten Gründen hat sich die christliche Seelsorge vor Jahrzehnten von solch einem autoritären Verständnis verabschiedet.

Den Theologen ist klar geworden: Trösten ist weniger eine Sache des Zusprechens als des Zuhörens, des Dabeiseins und Dabeibleibens. Trost zu finden kann bedeuten, dass man das Unvermeidliche annimmt. In der Not geraten viele Menschen ins Straucheln und verlieren ihre Kraft und Initiative. Trösten kann man jemanden in solch einer Lage nur, wenn man sich ihm ohne Vorbehalte zuwendet, seine Not wahrnimmt, sie ernst nimmt, sie auch klar und realistisch anschaut. Trost zu finden muss nicht heißen, sofort wieder festen Halt zu spüren. Es kann auch bedeuten, dass man das Unvermeidliche annimmt und sich ihm ergibt.

„Ergebung“ ist ein wichtiges Wort in der christlichen Tradition. Wenn ich mich „ergebe“, bin ich in meiner Not angekommen, erkenne ich meine Lage, halte ich mich nicht für stärker, als ich bin, werde ich bereit, nach einem neuen Weg zu suchen. Doch diesen zu finden, dauert seine Zeit. Deshalb gehört neben der Ergebung auch die Geduld zu einem echten Trost. Man muss warten und ausharren, manchmal sehr lange. Das macht das Trösten in einer Zeit, die auf Schnelligkeit und Effizienz ausgerichtet ist, so schwer. Wer getröstet ist, hat sich selbst wiedergefunden. Dafür muss man nicht gläubig sein. Aber die Sprache der Bibel und die christliche Bilderwelt stellen Worte bereit, die die eigene Angst und die eigenen Schmerzen fassbar machen, sie mitteilbar machen.

Und wer Worte für die eigene Not hat, kann sie mit anderen teilen. Biblische Metaphern sind poetisch und damit offen. Es sind kollektive Bilder, ein geteilter Schatz an Erfahrungen und Erzählungen. Ihre Kraft entfalten sie am ehesten, wenn man sie miteinander teilt, im Gespräch mit der Pfarrerin oder dem Pfarrer, im Gottesdienst, manchmal auch im privaten Gespräch. Und es kann sich etwas entwickeln, an dessen Ende keiner recht zu sagen weiß, wer hier wem geholfen hat. Das nennt man dann Seelsorge.

Johann Hinrich Claussen
Aus: „chrismon“, das Monatsmagazin der evangelischen Kirche. www.chrismon.de