Dürfen Christen hassen?

Symbolbild: Bibel

„Wir wissen, wo du wohnst, und werden dich töten!“ Solche Nachrichten werden im Internet täglich vielfach verschickt. Sie werden Hatespeech (Hassrede) genannt. Aber nicht nur im Internet scheint Hass derzeit Konjunktur zu haben. In Medien, in Klassenzimmern oder auf Demos: Judenhass, Hass auf Politiker, Schwulenhass oder Hass auf Klimaaktivisten – die Formen sind vielfältig. Hass entsteht langsam, bleibt lange und führt nie zu etwas Gutem. Hass ist das Gegenteil von Liebe. Wie ist es im Christentum? Schon im Alten Testament steht: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Die Antwort auf unsere Frage scheint also nahezuliegen: Ein Christ hat zu lieben und darf nicht hassen. Aber so einfach ist es nicht, denn Hass ist als Emotion etwas, was sich nicht verhindern lässt. Wie Menschen sich verlieben, ob sie wollen oder nicht, so können sie sich auch „verhassen“ – wie es der spanische Philosoph José Ortega y Gasset einmal gesagt hat. Es wäre also unmenschlich, einem Christen das Hassen zu verbieten. Trotzdem steht der Hass dem christlichen Grundgebot der Nächstenliebe entgegen. Christen sollten sich dem Hass also nicht hingeben – falls er aufkommt. Hass als verboten zu brandmarken, macht es aber nur schlimmer. Hass ist eigentlich gesellschaftlich tabuisiert. Doch ist das Erkennen und Verstehen die einzige Möglichkeit, Hass zu beseitigen. Und das ist dringend notwendig, denn Hass ist tatsächlich gefährlich.

Hass richtet sich nicht auf eine Eigenschaft des Gegenübers, sondern auf das Hassobjekt als Ganzes. Jemanden zu hassen bedeutet, ihn zerstören zu wollen.

Jesus hat die Nächstenliebe erweitert: „Liebt eure Feinde“, sagt er sogar. Was für eine Zumutung! Und trotzdem steckt hier ein wichtiger Hinweis darauf, wie mit Hass umzugehen ist. Als die alttestamentlichen Könige David und Saul sich bekriegen und umzubringen versuchen, bekommt David die Möglichkeit, Saul aus dem Hinterhalt zu töten. Saul ist in eine Höhle gegangen, um sich zu erleichtern – ein urmenschliches Bedürfnis. David schleicht sich an, tötet Saul dann aber nicht – in diesem merkwürdigen Moment in der Höhle wird aus dem Feind ein Mitmensch. David tritt vor Saul und erzählt ihm, dass er die Chance hatte, ihn zu töten. Daraufhin lässt auch Saul sein Schwert fallen. Dazu gehört Mut, denn Saul hätte auch anders reagieren können. Die neue EU-Verordnung DAS (Digital Services Act) richtet sich nicht umsonst gegen Hass im Internet. Hier ist es einfacher, die Empathie auszuschalten, den anderen nicht als Mitmenschen zu sehen und so hassen zu können. Gut, dass die Politik dagegen vorgeht. Ein christlicher Blick fügt aber hinzu, dass auch die Hassenden Menschen sind, die es zu lieben gilt. Jeder Mensch hasst einmal, nur mit Empathie und Verzeihen – wie in der Geschichte von David und Saul – kann die Spirale des Hasses gebrochen werden.

Konstantin Sacher
Aus: „chrismon“, das Monatsmagazin der Evangelischen Kirche. www.chrismon.de

Dürfen Christen hassen?

Symbolbild: Bibel


„Die ihr den Herrn liebet, hasset das Arge!“, heißt es in Psalm 97,10. Auch die Bibel ruft manchmal zu Hass auf gegen Feinde oder Menschen, die anders sind, Abweichendes glauben oder dem eigenen Glauben entgegenstehen. Mit einem hasserfüllten Aufruf endet Psalm 137: „Wohl dem, der deine jungen Kinder nimmt und sie am Felsen zerschmettert!“ Vielleicht auch wegen solcher Passagen hat sich bei manchen Menschen, die sich Christen und Christinnen nennen, eine Feindschaft gegen Muslime und Juden, gegen Schwarze, Zuwanderer, Schwule und Lesben im Herzen eingenistet, die zuweilen in Gewalt umschlägt.

Manchmal ist die Bibel sehr klar: Es gilt, Geschwister, Nächste und sogar Feinde zu lieben. „Gott ist Liebe“, betont der 1. Johannesbrief 4,16: „Und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.“ Der Theologe Friedrich Wilhelm Graf bringt das so zusammen: „Gott mag das Böse als Inbegriff des ihm Widerwilligen hassen. Aber er ruft deshalb nicht zum Kampf gegen die Bösen auf. Denn seine Gnade und Güte gelten auch jenen, die sich von ihm loszureißen versuchen.“

Und dann gibt es noch die hochethische Empfehlung Jesu aus dem Neuen Testament:

„Wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar … Und wenn dich jemand eine Meile nötigt, so geh mit ihm zwei“

Matthäus 5,39–41

Wer sich seine Hassgefühle eingesteht, kann versuchen, sich zu ändern. Ganze Gesellschaften haben sich von solchem Bemühen prägen lassen: Die amerikanische Gesellschaft ließ sich auf die Ziele der Bürgerrechtsbewegung ein. Südafrika beendete – zumindest gesetzlich – die Apartheid. Die angeblichen „Erbfeinde“ Deutschland und Frankreich wurden Verbündete. Konfessionshass wich ökumenischem Geist. Hassreden und -taten mögen manchem das Hochgefühl geben, sich über andere erheben zu können. Größer als dieser Kick ist aber allemal der Lohn, in einer friedlichen Gesellschaft zu leben.

Eduard Kopp
Aus: „chrismon“, das Monatsmagazin der Evangelischen Kirche. www.chrismon.de