Seit 1951 sind sie ohne Unterbrechung jeden Tag im Einsatz. Sommer wie Winter, Tag und Nacht läuten unsere Glocken mindestens dreimal am Tag und rufen zum Gebet auf, kündigen das Wochenende an, erinnern an die Kreuzigung von Jesus Christus oder rufen die Gemeinde zum Gottesdienst und begleitet sie währenddessen beim Vater Unser. Außerdem weisen sie natürlich auch auf besondere Ereignisse im Leben der Gemeinde und der Menschen hin. Nach fast 70 Jahren klangvoller Verkündigung vom Evangelium Jesu Christi sind sie in letzter Zeit etwas aus dem Takt gekommen…
Bim Bam Bim Bam
Egal wo man sich befindet, ob in der Kirche oder davor, ob nah oder weit entfernt: Wird ein und dieselbe Kirchenglocke geläutet, hört man immer zwei unterschiedliche Klänge. Kinder sagen dazu oft lautmalerisch „Bim Bam“ und meinen damit die akustische Eigenart der Glocken. Aber warum ist das so?
Glocken haben nicht nur einen festen Ton, den sogenannten Prinzipalbereich, sondern verfügen neben dem Grundton über eine Fülle von Obertönen. Als musikalischer Laie würde ich sagen, sie haben ein Klanggemisch und nicht genau einen definierten Ton wie man ihn bei einer Musiknote im Gesangbuch erwarten würde.
Der tiefste Teilton wird Grundton genannt und bestimmt in den meisten Fällen die wahrgenommene Tonhöhe, während die übrigen Teiltöne, die Obertöne, die Klangfarbe beeinflussen
Aus der Wikipedia zum Thema Oberton
Ganz entscheidend ist aber noch ein anderer Punkt. Wird eine Glocke geläutet, steht diese nicht fest und unbeweglich im Glockenturm und wird im Takt angeschlagen. Vielmehr schwingt die gesamte Glocke und durch diese Bewegung trifft der Klöppel, welcher wie ein Hammer fungiert, der auf das Eisen schlägt und den Ton erzeugt, gegen den Schlagring. Der Klang der Glocke wird dabei in die verschiedenen Richtungen gestreut. Vorstellen kann man sich dies wie einen Lautsprecher, der abwechselnd zu einem zeigt und dann wieder von einem weggedreht wird. Zeigt die Glocke in die Richtung des Zuhörers, wenn der Klöppel auf den Schlagring trifft, hört man das charakteristische Bim, also das vollständige Klangspektrum zusammen mit dem metallischen Klöppelgeräusch. Danach schwingt die Glocke von einem weg und der Klöppel schlägt genau an der dem Zuhörer abgewandten Seite und erzeugt das Bam, ein Geräusch mit weniger Obertönen und ohne das Klöppelgeräusch.
Klingt ganz schön kompliziert
Ist es auch. Würde man beim Läuten auf dieses Zusammenspiel von Bewegung, Glocke und Klöppel verzichten und die Glocke stillstehen lassen, würde diesem Klang alles Lebendige fehlen. An vielen Friedhöfen wird zu Beerdigungen die Glocke nur angeschlagen um einen gleichmäßigen, monotonen und damit traurigen Klang zu erzeugen. Die Glocke steht still und wird im Takt von einem motorgetriebenen Hammer geschlagen.
Fürchte Dich nicht, denn ich habe Dich erlöst
Inschrift der Glocke II: Jessaja 43,1
Wird hingegen die Glocke angetrieben, so muss der Klöppel etwa in dem Augenblick anschlagen, in dem die ausschwingende Glocke ihre höchste Lage erreicht hat. Dabei ist es wichtig, dass die Glocke nicht zu stark schwingt, da sonst der Klöppel den Schlagring der Glocke zu hart treffen würde und der Klang sich nicht optimal entfalten könnte. Außerdem würde der Klöppel dann abprallen und könnte seinen harmonischen Schwung verlieren, was zu einem ungleichmäßigen Läutebild führen würde. Natürlich darf der Schwung aber auch nicht zu gering sein, weil der Klöppel die Glocke dann gar nicht treffen würde und der Ton ausbleiben oder aussetzen würde. Für ein gleichmäßiges Läuten ist also ein perfektes Zusammenspiel von Glocke und Klöppel sowie von Motor und Steuerung erforderlich.
Auf Fehlersuche
Genau dieses Zusammenspiel ist im Moment nicht mehr hundertprozentig gegeben. Wird die Glocke durch den Motor in Bewegung gesetzt dauert es immer eine Weile, bis diese in ein gleichmäßiges Bim Bam Bim Bam übergeht. Nach einiger Zeit fehlt aber ein Schlag, die Glocke klingt also nur noch Bim Bam Bim … Bim Bam. Jetzt könnte man natürlich sagen, das ist nicht so schlimm und den meisten ist es wahrscheinlich noch nicht einmal aufgefallen, dass es nicht mehr ganz rund klingt. Wenn man sich aber wieder bewusst macht wie wichtig es für die Glocke ist, dass alle Bauteile miteinander harmonisieren, ist dies ein Anzeichen, dass etwas nicht mehr richtig funktioniert.
Zum Glockenläuten muss man sich nicht anstrengen, es reicht am Steuerpult einen Hebel für die entsprechende Glocke umzulegen und kurze Zeit später hat diese genug Schwung durch den Elektromotor bekommen, dass der erste Ton erklingt. Das Steuersignal wird also noch richtig übermittelt, sonst wäre gar nichts mehr zu hören.
Ein Fall für den Kundendienst
Unsere Glocken werden regelmäßig gewartet. Dazu kommt ein Spezialist für Kirchenglockenmotoren aus Österreich und kontrolliert alle Bauteile auf Funktionalität. So sollen Schäden frühzeitig erkannt und somit verhindert werden. Die letzte Überprüfung war erst vor ein paar Monaten, dort ist aber nichts im Protokoll vermerkt worden. Ich habe trotzdem angerufen und das Problem geschildert. Der Monteur kann es sich nicht erklären, wir vereinbaren einen Vor-Ort-Termin.
Zusammen mit dem Kundendienst hören wir nacheinander alle drei Glocken an. Erster Hinweis: Der Monteur lässt die Glocken bei der Wartung nicht lange genug Läuten, damit dieses Problem deutlich auftritt. Zum Gottesdienstbeginn klingen die Glocken ungefähr drei Minuten, nach etwas über einer Minute tauchen die Aussetzer das erste Mal auf. Wir gehen auf den Glockenturm, um uns die Mechanik genauer anzuschauen.
Die größte Glocke in der Stephanuskirche. Im Turm hängen drei Gussstahlglocken vom Bochumer Verein in der V7-Rippe (Geometrie des Rotationskörpers). Sie bilden ein Te Deum Motiv und das heutige Geläut. Das Vorgänger- Geläut musste 1942 zu Kriegszwecken abgeliefert werden. 1951 schuf der Bochumer Verein das heutige Trio. Die Glocken hängen in einem Glockenstuhl aus Stahl mit Holzjochen.
Im Glockenturm ist – zum Glück – auf den ersten Blick kein Problem erkennbar. Die Glocken haben alle leichten Rost angesetzt, sonst sind sie aber noch in sehr gutem Zustand (meint der Spezialist). Auch die Holzjoche sind noch vollkommen in Ordnung. Durch ein Gitter ist die Mechanik auch vor Verunreinigungen durch Vögel geschützt. Nacheinander schauen wir uns alle drei Glocken genauer an.
O Land, Länder, höre des Herrn Wort
Inschrift der Glocke I: Jeremia 22,29
Der Monteur erzählt von den vielen verschiedenen Kirchen, die er Tag für Tag sieht um dort die Glocken zu warten. Die Gemeinde hat häufig keinen Bezug mehr zum Geläut, weil alles automatisiert abläuft. Früher, als noch von Hand geläutet werden musste, gab es eine sehr starke Verbindung von dieser Person oder diesem Personenkreis zum Geläut. Jetzt läuft auch alles immer perfekt ab, die Elektronik läutet jeden Tag, jede Stunde immer genau gleich und genau gleich lang. Er meint, das manuelle Läuten sollte eigentlich dem automatischen vorgezogen werden.
Da Stahl auf Stahl einen unschönen Klang ergibt, ist in die Klöppel in einer schwach kegelförmigen Bohrung einen Anschlagbolzen aus einem weicheren Material wie Bronze eingearbeitet. Auf dem Bild ist dies als Knubbel auf der linken Seite erkennbar. Dieser sollte gleichmäßig in der Mitte abgenutzt werden. Deutlich erkennbar ist die Abnutzung aber im oberen Bereich des Anschlagbolzens. Ein weiterer Hinweis?
Der Klöppel wird durch eine mehrfach gefaltete und getränkte Ledereinbindung mit der Glocke verbunden. Diese Verbindung hat wohl über die Jahre nachgegeben, sodass der Klöppel jetzt tiefer hängt als es eigentlich vorgesehen ist. Durch die veränderte Position schlägt er nicht mehr an der gleichen Stelle an und die Glocke selbst müsste wohl einen Tick weiter schwingen, damit er immer zuverlässig anschlägt. Er empfiehlt den Anschlagbolzen zu tauschen und die Klöppelaufhängung zu erneuern. Pro Glocke ungefähr ein Aufwand von einem Tag.
Anschlagsarten
Das Glockenläuten mit drei Glocken, die alle einzeln ansteuerbar sind, bietet eine Vielzahl von Variationen. Durch die damalige, beschränkte Technik ist die Vielfalt verloren gegangen. Auch wir können über unsere Zeitschaltuhr nur die Glocke III, also die kleinste Glocke, einzeln läuten oder alle drei Glocken zusammen. Nachfolgend ein kleiner Einblick in die Vielfallt an Varianten, die mit diesem Musikinstrument möglich sind.
Normales Läuten
Die Glocke wird durch Ziehen eines Seils oder durch eine elektrische Maschine zum Schwingen gebracht, wobei der Klöppel an den Schlagring schlägt.
Halbzugläuten
Die Glocke wird so schwach bewegt, dass der Klöppel ruhig hängen bleibt und nur eine Wandung gegen ihn schlägt. Wird zum Beispiel als Trauergeläut verwendet. Ist bei uns technisch im Moment nicht möglich.
Anschlagen
Die ruhig hängende Glocke wird mit dem Klöppel, der durch ein Seil bewegt wird, oder durch einen Uhrschlaghammer mehrmals angeschlagen. Ist in der Stephanuskirche auch nicht eingebaut.
Gruppenläuten
Beim Läuten mehrerer Glocken beginnt man stets mit der kleinsten Glocke. Erst dann, wenn diese regelmäßig ausschwingt, wird mit dem Läuten der nächsten Glocke begonnen und so fort. Das Läuten wird in der gleichen Reihenfolge beendet: Die kleinste Glocke verstummt zuerst, die größte Glocke läutet am längsten.
Die Dauer des Glockenläutens sollte sechs Minuten nicht überschreiten. Möglich sind auch Unterbrechungen, also das Läuten einer Glocke mit einer anschließenden kurzen Pause und darauffolgend das Gruppengeläut. Dadurch können besondere Gottesdienste hervorgehoben werden. Die einzelne Glocke kann auch dem Gruppengeläut folgen.
Einzelglocke
Am häufigsten wird nur eine einzelne Glocke geläutet. In der Läuteordnung ist dazu folgendes vermerkt:
Das Läuten einer einzelnen Glocke bringt deren Eigenart und Schönheit besonders gut zur Geltung. Es ist allen anderen Läutearten gleichwertig und möglichst weitgehend anzuwenden.
Läuteordnung für evangelisch-lutherische Gemeinden
In der Stephanuskirche Läuten wir zum Gebet um 07:00 Uhr, um 12:00 Uhr und um 21:00 Uhr mit der Glocke III. Das Freitagsläuten erinnert an Christi Kreuzigung um 09:00 Uhr. Dafür sollte die tiefste Glocke verwendet werden. Da die Glocke I nicht automatisiert angesteuert werden kann, erfolgt auch dieses Läuten mit Glocke III.
Das Wochenende wird am Samstag um 14:00 Uhr eingeläutet. Dafür erklingen alle drei Glocken als Gruppengeläut. Die Elektronik erlaubt hier nur das Ansteuern aller Glocken gleichzeitig, weshalb sich das Geläut nicht langsam auf- und später wieder abbaut. Dies ist aktuell nur durch manuelles Läuten möglich, wie es zu den Gottesdiensten erfolgt.
Das Problem mit der Elektronik
Neben den Klöppeln hat der Monteur noch ein weiteres Problem angesprochen. Die verbaute Elektrik ist nicht mehr vorschriftsgemäß und muss erneuert werden. Die folgenden Bilder geben einen Einblick.
Links oben der Glockenmotor aus dem Jahr 1951. Bisher hat er bis auf den regelmäßigen Austausch der Verschleißteile keine Probleme bereitet. Er ist aber nach so langer Zeit am Ende seiner Lebenserwartung angekommen. Rechts oben die Motorsteuerung im Glockenturm, welche das Steuersignal aus der Kirche entgegennimmt (Bild rechts unten)
Da das Zusammenspiel aller einzelnen Komponenten äußerst wichtig ist, wird empfohlen diese auch gemeinsam zu erneuern. Werden nur Einzelteile ausgetauscht, ist davon auszugehen, dass dies früher oder später zu neuen Schäden führt, die dann teuer repariert werden müssen. Mit einer aktuellen Steuereinheit könnte das Läuten für die Glocken schonender erfolgen und es wäre auch eine größere Varianz möglich, da durch die moderne Elektronik jede einzelne Glocke sekundengenau angesteuert werden kann.
Fast 70 Jahre hat uns die vorhandene Technik einen treuen Dienst geleistet. Durch regelmäßige Wartungen und die sorgsame Behandlung gemäß den Vorgaben der Sachverständigen konnte die verwendete Technik eine solch hohe Lebensdauer erreichen. Wir hoffen, dass die neue Technik genauso lange halten wird wie es die alte getan hat. Mit einem Spezialisten für Glockenmotoren können wir hier auf einen Partner setzen, der uns von Anfang an fachmännisch begleitet und alle Arbeiten zuverlässig ausgeführt hat.
Soweit möglich werden wir versuchen, nötige Arbeiten in Eigenleistung auszuführen. Viele Komponenten benötigen aber das Fachwissen des Spezialisten und auch durch die benötigten Spezialteile werden auf die Kirchengemeinde kosten in Höhe von mehreren tausend Euro zukommen. Wir informieren uns gerade bei einem Sachverständigen der Landeskirche bezüglich eines Zuschusses. Wahrscheinlich werden wir aber über 10.000€ aus eigenen Mitteln finanzieren müssen.
Spenden
Wenn Sie uns beim Erhalt der Glocken unterstützen möchten und können, freuen wir uns sehr über Ihre Spende! Für diese erhalten Sie selbstverständlich einen Beleg, welchen Sie bei der Steuererklärung angeben können.
Unsere Bankverbindung:
Evangelische Bank
IBAN: DE39 5206 0410 0001 5731 28
BIC: GENODEF1EK1
Verwendungszweck: Kirchenglocken
Wir danken Ihnen schon jetzt für Ihre Unterstützung mit einem herzlichen Vergelt’s Gott!
Siehe ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende
Inschrift der Glocke III: Matthäus 28,20
Zögern Sie auch nicht uns bei weiteren Fragen direkt zu kontaktieren. Gerne können Sie sich auch persönlich ein Bild von unseren Glocken machen. Wenden Sie sich bezüglich einer Terminvereinbarung an unser Pfarramt.
Weitere Informationen
Der Bauausschuss wird zu gegebener Zeit über den Gemeindebrief und auch über die Webseite der Kirchengemeinde den aktuellen Stand weitergeben.
Weitere allgemeine Informationen über den Hersteller unserer Glocken finden sie hier. Wer mehr über die Verschiedenen Arten des Läutens erfahren möchte, wird hier fündig. Die Glocken der Stephanuskirche und ihre Vorgänger haben auch einen eigenen Bereich auf unserer Webseite, zu dem Sie hier gelangen.
Für den Bauausschuss – Christian Fenn