Eine Pflanze trägt die Attribute des Leidens Christi

Köstlich, exotisch, erfrischend – einfach delikat. Wer eine Packung oder eine Flasche des säuerlich-süßen, orangefarbenen Saftes oder Nektars aus dem Supermarktregal greift, möchte genießen: sich am Frühstückstisch oder zu einer besonderen Mahlzeit etwas Gutes tun. Wer Geschmack pur liebt, geht noch einen Schritt weiter und kauft im Feinkostgeschäft die ganze Frucht: gelbgrüne bis rote oder blauschwarze Beeren, deren geleeartige, saftreiche Samen genüsslich auszulöffeln sind. Bekanntgeworden ist die tropische Leckerei gemeinhin unter dem Namen Maracuja. Weniger bekannt ist der Zusammenhang mit der Pflanze „Passiflora“ (Passionsblume), einer Gattung der Passionsblumengewächse mit rund 370 Arten. Nicht nur die schmackhaften Erträge mögen der Grund gewesen sein, weshalb der Strauch im 17. Jahrhundert aus Südamerika in die Alte Welt eingeführt wurde. Es sind vor allem die auffallend ausgebildeten Blütenteile, die diese hübsche Kletterpflanze zu etwas Besonderem machen. Denn Pflanzenliebhaber und gläubige Menschen sind gleichermaßen erstaunt, wenn sich die schnell vergänglichen Blüten öffnen und ihr Geheimnis offenbaren: ihre verblüffende Ähnlichkeit mit den Attributen des Leidens Christi.

Ein rot gesprenkelter Strahlenkranz bildet die Dornenkrone,
drei Narben erinnern an die Nägel,
der gestielte Fruchtknoten gleicht einem Kelch,
Ranken stellen die Geißeln dar,
fünf Staubblätter bilden die Wunden,
dreilappige Blätter ähneln der Lanze.

Die Verbindung pflanzlicher Merkmale und menschlicher Glaubenserfahrung weist auf das Bild von der Passion hin. Sie führte zur Namensgebung, zum Hinweis auf den Weg, den Jesus von der Gefangennahme bis zur Kreuzigung gegangen ist.

Stefan Lotz