Für diesen Sommerurlaub haben meine Frau und ich geplant, wieder einmal ein paar Tage in Prato, einer Nachbarstadt von Florenz, zu verbringen. Schon öfter haben wir vom dortigen Castello aus auf die Stadt hinunter geschaut. Beim letzten Mal fiel mein Blick erstmalig auf eine Sonnenuhr sammt lateinischer Inschrift: „Sol omnia lucet“ ‒ „Die Sonne bescheint alles“.
Ob die Menschen, die nicht viel zum Leben haben, das auch so sagen könnten, hab ich mich gefragt: Die Sonne bescheint alles? Es wäre nicht verwunderlich, wenn sie es anders dächten: Manchen leuchtet die Sonne besonders, anderen weniger und wieder anderen gar nicht… Das war für mich eine mächtige Anfrage an meinen Glauben an den gütigen Gott: Wie kann man diesen Glauben durchhalten in einer Welt, die so viele schwere Einzelschicksale kennt und in der die Güter so ungleich verteilt sind?
Ich hab dann genauer hingesehen und entdeckt, wo die Sonnenuhr mit ihrer Anschrift angebracht ist: In einem Innenhof, der zu den Gemeindegebäuden der dortigen katholischen Kirchengemeinde „Santa Maria delle Carceri“ gehört. Und dann konnte ich mich auch daran erinnern, dass ich dort schon mehrmals etwas beobachtet habe: Zu einer bestimmten Vorabendstunde öffnete sich eine Türe und ein Pater mit seinen Helferinnen verteilte stattliche Lebensmitteltüten an alle, die dorthin kamen. ‒ Vielleicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein in einer Großstadt mit riesigen sozialen Problemen. Und doch für so manchen Bedürftigen ein Zeichen: Der große Gott mit seinem Licht hat mich nicht vergessen!
Als jemand, der sich einen Urlaub in andre Länder leisten kann, wurde mir bewusst, dass ich’s eigentlich leichter haben müsste, die Sonnenstrahlen Gottes in meinem Leben zu entdecken und auch etwas von diesen Strahlen weiterleuchten zu lassen. Und doch bin ich viel zu oft blind dafür.
Ich möchte mein eigenes Gesicht der Sonne zuwenden. Wenn die Urlaubsmonate vorüber sind, ist das gar nicht mehr so leicht. Aber ein aufmunterndes Bibelwort, ein lebensfrohes Lied, leere Hände in der Stille Gott hinhalten, zusammenkommen mit anderen Christen ‒ darauf kann ich achten. Da scheint dann vielleicht doch auch durch manche graue Wolkendecke die Sonne Gottes in mein Leben…
Matthias Jung, Pfarrer Thomaskirche