Von guten Mächten

500 Jahre Gesangbuch – Dietrich Bonhoeffer dichtete das Lieblings-Kirchenlied im EG

Lied 65 im EG: Von guten Mächten

Vor 500 Jahren erschienen in Deutschland die ersten Gesangbücher.
Dies Jubiläum wird 2024 von der Evangelischen Kirche in Deutschland
(EKD) gefeiert. Gleichzeitig ist bis 2030 ein neues evangelisches
Gesangbuch in Planung. Deshalb hat die EKD nach den fünf Liedern
gefragt, die auf jeden Fall im neuen Gesangbuch dabei sein sollen
.

Knapp 10.000 Teilnehmer haben dabei mitgemacht. Hiermit stellen wir
Ihnen die Top 1 unter den Lieblingsliedern vor: „Von guten Mächten“.

Von guten Mächten treu und still umgeben,
behütet und getröstet wunderbar,
so will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr.

EG 65,1

Dietrich Bonhoeffer (4.2.1906 – 9.4.1945) hat diesen Text in der
Adventszeit 1944 geschrieben – im Kellergefängnis der Gestapo-Zentrale
in Berlin. Der inhaftierte junge Pastor, der sich am Widerstand gegen
Adolf Hitler beteiligt hatte, musste in der damaligen Prinz-Albrecht-Straße
täglich mit seiner Hinrichtung rechnen.

Vor diesem Hintergrund gelesen, spricht das siebenstrophige Gedicht
eindrücklich von unserm Glauben, von unsrer Liebe und Hoffnung.
Bonhoeffer hat es am 19.12.1944 seinem Brief an seine Verlobte Maria
von Wedemeyer (1924 – 1977) beigelegt, als einen vielleicht letzten Gruß
an sie und seine Eltern zu Weihnachten und zum neuen Jahr.

In weiten Teilen ist es ein Gebet, in dem der Inhaftierte seine schlimme Situation vor
Gott bedenkt: „Ach Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen …“
Das Gedicht ist öfters vertont worden. Besonders mit der Melodie von
Siegfried Fietz (*1946), der die letzte Gedichtstrophe zum Refrain
gemacht hat, ist das Lied äußerst beliebt geworden: zum Jahreswechsel,
bei Beerdigungen und überhaupt immer, wenn man an der Schwelle zu
Neuem steht.

Da ist es gut zu wissen, dass man von „guten Mächten“ begleitet wird. Seiner Verlobten hat Bonhoeffer erklärt, was er mit „guten Mächten“ meint: „Du, die Eltern, ihr alle, die Freunde und meine Studenten an der Front.“ Und weiter: „Deine Gebete, gute Gedanken, Worte aus der Bibel, längst vergangene Gespräche, Musikstücke und
Bücher“. Und natürlich auch Gottes Engel.

Die letzte Strophe ist zu dem geistlichen Vers geworden, der die Menschen
bis heute am Stärksten anspricht, Christen und Nichtchristen:

Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

EG 65,7 / Refrain in EG-Anhängen

Reinhard Ellsel