„O du fröhliche“

Ein Weihnachtslied aus Weimar


Das Lied kennt jeder, und manche mögen es sogar lieber als das unsterbliche „Stille Nacht“: Anders als die innig-zarte Weise aus dem Alpenland steht „O du fröhliche“ für die ausgelassene, strahlende Seite des Festes. Kein Wunder, stammt die ebenso muntere wie feierlich-getragene Melodie wohl aus dem Fundus sizilianischer Schiffer- oder Hochzeitslieder.

Aber wer hat es nach Deutschland gebracht und mit dem weihnachtlichen Text versehen? Ein barocker Hofkapellmeister? Ein Opernkomponist? Nein, es waren zwei eher nüchterne Leute aus Weimar: der Dichter, Theologe und Kulturphilosoph Johann Gottfried Herder, der seine Inspiration möglicherweise von einer Italienreise mit nach Deutschland brachte, und ein Privatgelehrter der pädagogischen Wissenschaft namens Johannes Daniel Falk, der etwas schwerfällige Verse verfasste – und als Begründer der Sozialarbeit mit Jugendlichen gilt.

Falk schrieb viel, zahllose Gedichte, ein „Geheimes Tagebuch“, ein einfühlsames Porträt Goethes; alles ist vergessen bis auf das international bekannte Weihnachtslied, und seine Arbeit brachte ihm auch damals weder Ruhm noch Geld. Bis 1806 die Kriegsfurie über das stille Weimar hereinbrach: Flüchtlingsfamilien in panischer Angst, zersprengte Haufen der preußischen Armee, schließlich die siegreichen napoleonischen Truppen, 50 000 Mann stark, eine zerstörerische, raubgierige, gewalttätige Soldateska.

Da wurde aus dem verträumten Privatgelehrten plötzlich ein Held. Falk stellte sich den Marodeuren entgegen, trieb Lebensmittel und Quartiere auf, um sie vom Plündern abzuhalten. Für die Kriegskrüppel, Obdachlosen und Hungernden leitete er Hilfsmaßnahmen in die Wege.

Und er öffnete sein Haus für die halb verhungerten, verwahrlosten Waisen, die mit Napoleons Soldaten durch die Lande zogen. Er mietete einen leerstehenden Hof, richtete ihn als Schule ein, suchte und fand Pflegefamilien, vermittelte den Halbwüchsigen Lehrstellen bei Weimarer Handwerksmeistern. Die „Gesellschaft der Freunde in der Not“, die Falk für seine kleinen Streuner gründete, war vermutlich die erste sozialpädagogisch orientierte Bürgerinitiative Deutschlands. Falks Erziehung folgte freiheitlichen, höchst modernen Prinzipien.

Den Text des strahlend-schönen Weihnachtsliedes schrieb Johannes Daniel Falk 1816, zehn Jahre vor seinem Tod, und die Menschen verliebten sich sofort in „O du fröhliche“: Der sonst eher spröde Geheimrat Goethe gestand, er sei vom „schlichten Glanz“ des Liedes „hingerissen“.

Christian Feldmann

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