Alles wieder gut!?

Von Pfarrerin Gabriele Edelmann-Richter am 17.11.2021 (Buß- und Bettag) in der Stephanuskirche in Gebersdorf

Liebe Gemeinde,

kennen Sie das? – wenn uns jemand nach einer aufregenden Situation beruhigen will, fällt schon mal schnell der Satz: „Alles wird wieder gut!“  oder einfach nur „Alles gut!“
In die unterschiedlichsten Situationen hinein hören wir diesen Satz, manchmal kommt er auch ganz schnell als Nachricht auf dem Handy daher.
Ein aktuelles Beispiel: Eine Familie saniert ihr Haus. Es herrscht ein einziges Chaos. Handwerker haben Terminschwierigkeiten, weil sie Lieferengpässe haben. Der Winter rückt näher, die neuen Türen sind noch nicht da. 
Da sagt der Sohn, als er spürt, dass die Eltern wieder mal am Rad drehen: „Alles wird gut, Leute!“
„Na ja, das hoffen wir“, denken die Eltern und erleben, dass der junge Mann mit anpackt und die Wohnung provisorisch winterfest macht. Der erste Schritt hin zu einer Besserung ist gemacht.

„Alles wird wieder gut“ – was könnten diese Worte heute am Buß-und Bettag für uns bedeuten?

Der Buß-und Bettag ist ein guter Anstoß dafür, sich einen Moment Zeit zu nehmen zum Jahresende und sich zu fragen, wie es mir eigentlich geht?
Wofür bin ich dankbar? Was ist ungeklärt, was liegt im Argen? Was möchte ich in Ordnung bringen?

Die Pilgerreise zur himmlischen Seligkeit

Der Baptistenprediger John Bunyan schrieb bereits im Jahr 1675 den Bestseller „Die Pilgerreise zur himmlischen Seligkeit“. Das Buch wurde in zweihundert Sprachen übersetzt. Es handelt von einem Mann, namens Christian, der sich aus einer zerstörten Stadt aufmacht in die himmlische Stadt Jerusalem.
Das scheint für ihn die einzige Möglichkeit zu sein, seine Sünden loszuwerden. Ein Mann mit dem Namen „Evangelist“ zeigt Christian den Weg.
Er weist ihn hin auf das kleine Licht am Horizont. Es scheint aus einer schmalen Pforte heraus zu leuchten.
„Behalte das Licht im Blick! Lass dich nicht ablenken!“
So der Rat des Evangelisten.
Christian macht sich auf den Weg und es begegnen ihm Menschen mit merkwürdigen Namen.
Sie heißen „Stur“, „Willig“, „Weltklug“.
Natürlich machen sie ihren Namen alle Ehre und möchten Christian aufhalten oder zumindest auf falsche Wege und Umwege führen.
Zum Glück tauchen aber auf der Pilgerreise auch immer wieder Menschen auf, die Christian helfen, wieder auf den richtigen Weg zurückzufinden.

Diese alte Symbolgeschichte passt auch noch für uns heute.
Wir gehen auf unserem Lebensweg, meinen zu wissen, wohin wir wollen, haben auch das Licht aus der Pforte im Blick und trotzdem passiert es, dass wir regelmäßig an Weggabelungen ankommen, an denen wir uns entscheiden müssen. 
Aber welcher Weg ist der richtige Weg? Wann können wir sagen, „Alles wird gut!“?

In der Bergpredigt weist Jesus auf zwei unterschiedliche Wege hin: Der eine Pfad ist schmal und sehr beschwerlich; der andere ist breit und bequem zu begehen. 
Er weist darauf hin, dass ein gelingendes Leben nicht automatisch bequem zu erreichen ist. Oft verlangt es von uns, die letzten Kräfte einzusetzen, nicht aufzugeben, um nach vorne zu kommen.
Denken Sie mal an die Entscheidungen, die Sie schon auf Ihrem Lebensweg treffen mussten, sei es in der Schule, in der Familie oder im Beruf. 
Rückblickend waren das sicher stets Herausforderungen, die Mut verlangten und dennoch nicht immer die richtigen Entscheidungen waren.

Auch unser Zusammenleben als Gesellschaft steht immer wieder vor solchen Weggabelungen.
Viele komplexe Fragen brechen auf uns herein:
Wie können wir unseren Wohlstand wahren, ohne den nachfolgenden Generationen ein klimatisches Desaster zu hinterlassen?
Wie können wir es schaffen, dass Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen friedlich miteinander leben?
Wie können wir diese schreckliche Pandemie körperlich und seelisch gut überstehen?

Am Anfang der Bibel heißt es: „Alles war sehr gut“. Da wird erzählt, wie Gott aus dem Chaos, aus dem Tohuwabohu eine wunderbare Welt schafft, so wie wir Menschen sie auch kennen und lieben. 
Auch Jesu Botschaft wird zusammengefasst mit dem Wort Evangelium, die gute Nachricht, die frohe Botschaft.
Wir brauchen solche Botschaften in unsere turbulente Welt hinein! Wir brauchen die Botschaft gerade dann, wenn wir mit dem Schlechten kämpfen, wenn wir aus der Bahn geworfen wurden, oder wenn wir auf unserem Weg Schweres zu tragen haben.
Wir brauchen den Zuruf von außen, um unser Vertrauen auf die Zukunft zu stärken.
Jeder von uns weiß, dass ein gutes Vertrauen zu sich selbst und in die Zukunft uns stark macht, mitzuwirken an der besseren Welt.

Eine der Regeln, um den richtigen Weg einzuschlagen, ist die sogenannte Goldene Regel.
Jesus hat diese seinen Jüngern mit auf den Weg gegeben.
Die Goldene Regel passte damals, sie passt auch noch heute:

„Was ihr wollt, das euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch!“

Jesu Auftrag an seine Nachfolger lautet also, sich in die andern hineinzuversetzen, auch ihre Erwartungen zu verstehen.
Das erfordert Geduld und Zeit. Vermeidet aber Missverständnisse und Konflikte.

Der große Theologe Hans Küng – er ist in diesem Frühjahr verstorben – gründete das Projekt Weltethos. 
Nach seinem großen Konflikt mit der katholischen Kirche war es für ihn klar, seinen weiteren beruflichen Lebensweg ganz dem Verständnis der Religionen zu widmen. Nur Weitblick und Offenheit auch für die anderen Religionen war für ihn eine Option für den Weltfrieden.
Küng fand sowohl im Judentum, als auch im Islam und auch im Buddhismus und im Hinduismus die Goldene Regel vor, die die Basis für eine Verständigung der Religionen und Kulturen ist.

Den Blick wieder auf uns selbst gerichtet, muss man sagen, dass sich die Goldene Regel nicht mechanisch auf alle Situationen anwenden lässt. Stets ist eine Portion 
Einfühlungsvermögen und auch Anstrengung damit verbunden.
Und wenn wir nun unseren Weg gehen, müssen wir uns doch immer bewusst sein, dass es daneben noch viele andere Wege für uns geben könnte. 
Aber nur wer aufbricht, wer nachdenkt und sich auf die Suche macht, kann den goldenen Weg finden!
Wenn wir dann am Ziel sind, den steilen Berg erklommen haben, in das Licht der Pforte eintreten, werden wir sehen, dass da einer auf uns wartet, der zu uns sagt: „Alles wieder gut!“

Ich wünsche uns allen Gottes Weisheit für unsere Entscheidungen und Gottes Begleitung auf unseren Wegen durch das Leben!

Der Friede des Herrn, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.

Gabriele Edelmann-Richter, Pfarrerin