Predigt von Pfarrerin Gabriele Edelmann-Richter zum 8. Sonntag nach Trinitatis, 07.08.2022 in der Stephanuskirche in Gebersdorf zu Markus 12,41-44
Liebe Gemeinde,
nach jedem Gottesdienst leeren wir die Messingbüchsen oder die Körbchen und die Opferstöcke und freuen uns über die Einlagen, die wir je zur Hälfte an die von der Landeskirche angeordnete Stelle und unserer Gemeindearbeit zuführen.
Manchmal kommt es da auch vor, dass ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen kann.
Denn neben Münzen und Scheinen finden sich da auch Chips für Einkaufswägen, Knöpfe, ausländische Münzen, Heftklammern usw.
Tja, welche Gründe hinter so einer geschmacklosen Einlage stehen, darüber kann ich nur spekulieren. Schließlich macht jeder mit sich selbst aus, wieviel oder was er aus seinem Besitz für wohltätige und gemeinnützige Zwecke spendet.
Es wäre aus unserer heutigen Sicht aber auch unangemessen, die Gottesdienstbesucher beim Spenden zu beobachten.
In unserem heutigen Predigttext aus dem Markusevangelium geht es um eine am Jerusalemer Tempel beobachtete Szene, die uns gerade deshalb aufhorchen lässt:
„Und Jesus setzte sich dem Opferkasten gegenüber und sah zu, wie das Volk Geld einlegte in den Opferkasten. Und viele Reiche legten viel ein. Und es kam eine arme Witwe und legte zwei Scherflein ein; das ist ein Heller. Und Jesus rief seine Jünger zu sich und sprach zu ihnen: Wahrlich ich sage euch: diese arme Witwe hat mehr in den Opferkasten gelegt als alle, die etwas eingelegt haben. Denn sie haben alle von ihrem Überfluss eingelegt, diese aber hat von ihrer Armut ihre ganze Habe eingelegt, alles, was sie zum Leben hatte.“
Mk 12,41-44
Liebe Gemeinde,
wie verhält sich Jesus da am Tempel? Aus unserer Sicht ist es, wie bereits erwähnt, unangebracht, ja ein „No go“, die Leute dabei zu beobachten, wieviel sie in den Opferstock oder in die Körbchen/Büchsen einwerfen.
Doch Jesus geht es nicht um die eigentliche Höhe der Spende.
Jesus hat eine andere Absicht. Sein Blick geht tiefer.
Auch wenn wir vielleicht eine Diskussion darüber angefangen hätten, was denn nun gerade diese zwei kleinen Münzen gebracht haben und ob es nicht sinnvoller gewesen wäre, dass die Witwe ein Brot für sich gekauft hätte.
Jesus zeigt hier, trotz der merkwürdigen äußeren Umstände, wieder einmal sehr deutlich, dass er einen anderen Blick, dass er andere Maßstäbe hat als wir. Er sieht in das Herz der Witwe.
Was die Witwe in den Gotteskasten gegeben hat, war herzlich wenig – gewiss, aber es ist von Herzen gekommen. Mit großer Selbstverständlichkeit ließ die Witwe ihre Münzen in den Gotteskasten fallen. Mehr hatte sie offensichtlich nicht, aber sie hätte immer noch die beiden Scherflein teilen und eines für sich zurückbehalten können. Sie teilte nicht auf in die Kategorien „Behalten“ und „Geben“.
Sie fasste keinen Gedanken, was sie vielleicht noch brauchen würde. Nein, sie hat alles gegeben und machte von sich und ihrem Tun kein großes Aufheben.
Jesus zeigt an dem Beispiel der Witwe auf, dass es vor Gottes Auge nicht darauf ankommt, eine große Leistung zu vollbringen und daraus gar einen Anspruch im Ansehen vor Gott abzuleiten. Die Witwe verlässt sich ohne große Worte auf Gott und vertraut darauf, dass er ihr auch weiterhin Möglichkeiten zum Leben lässt.
Diese kleine Erzählung gehört zur Abfolge von entscheidenden Gedanken und Äußerungen, die Jesus nach seinem Einzug in Jerusalem seinen Anhängern noch mit auf den Weg geben möchte, ehe er dann den Weg ans Kreuz geht.
In den Versen, die unserer kleinen Erzählung vorausgehen, spricht er von seiner Vollmacht, vom Neid und der Missgunst der Menschen, von der Steuer, die man dem Kaiser geben soll und was nun eigentlich das höchste Gebot ist, auch davon, was nach dem Tod kommt.
Das sind allesamt Gedanken zur „richtigen“ Nachfolge. Damit bereitet er seine Jünger und seine Anhänger auf die Zeit ohne ihn vor.
Kurz vor dem Ende seines irdischen Weges möchte Jesus seinen Zuhörern etwas ganz Besonderes mitgeben.
Keine ethisch-moralischen Worte mit erhobenem Finger sollen es sein, nein, es sollen Worte sein, die seinen Zuhörern ganz tief ins Herz dringen.
Jesus sieht in der Hingabe der Witwe ein unglaublich großes Vertrauen, das sie ihrem Schöpfer gegenüber hat.
Am Tempel, wo über den Glauben gelehrt wird, will die Frau mit dem, was ihr zur Verfügung steht, ihre Dankbarkeit zeigen. Sie drückt mit ihrer Gabe aus, wie sehr sie ihr Schicksal und ihr Leben in die Hand Gottes legt.
Sie vertraut darauf, dass ihr Weg behütet bleibt, obgleich sie als Witwe finanziell am Abgrund steht.
Denn zur damaligen Zeit gab es weder eine Witwenversorgung in Form einer Rente, noch konnten sich die Frauen in erlernten Berufen selbst etwas verdienen.
Sie mussten sich auf die Mildtätigkeiten ihrer alten Familie verlassen.
Und wenn das nicht klappte, waren sie verlassen.
Obwohl wir in einem reichen Land leben mit einer Sozialversorgung, gibt es bei uns immer mehr arme Menschen. Im Alltag sehen wir diese Menschen kaum.
Doch wenn ich an der Ausgabestelle der Tafeln in Stein oder an der Sigmundstraße vorbeifahre, erschrecke ich, wenn ich sehe, dass die Schlangen von Monat zu Monat länger werden.
Viele Menschen schämen sich, weil sie nichts haben, denn Wohlstand gilt als Zeichen der eigenen Tüchtigkeit.
Wer nichts hat, hält sich möglichst im Hintergrund. Es soll ja keiner merken, wie es ihm geht. Wer nichts hat, kann sich nicht beteiligen am Leben. Hat kein Geld für Urlaub, kein Geld für modische Kleidung, kein Geld für die dritten Zähne. Die Kinder können nicht in einen Sportverein, können nicht mithalten mit den anderen, deren teuren Turnschuhen und neuesten Handys.
Die Witwe, die Jesus beobachtet, ist anders. Sie will trotz Armut beteiligt sein. Sie zeigt mit ihrer Spende: Dieser Tempel ist auch mein Tempel. Nicht bloß der Tempel der Wohlhabenden. Sie hält sich nicht raus.
Liebe Gemeinde,
was Jesus also meinte, als er seine Jünger auf die Frau aufmerksam machte, war, dass jeder, egal was er hat, was er ist, welchen Platz er in der Gesellschaft einnimmt, darauf vertrauen darf, von Gott gehört zu werden.
Und umgekehrt, dass jeder vertrauen darf in und Zuflucht suchen darf bei Gott.
Von dieser Frau können wir lernen:
Geben, sich hingeben tut gut!
Das kann auch sein, wenn wir unser Leben Gott übergeben.
Aber für uns moderne Menschen ist das eine echte Herausforderung!
Denn am liebsten haben die meisten von uns ihr Leben selbst im Griff!
Selbstbestimmen, wo es lang gehen soll. Kalkulieren, überlegen und dann Entscheidungen treffen, die wir dann natürlich auch selbst verantworten müssen.
Ja, das klingt gut, solange wir jung, stark, mutig und selbstbewusst sind.
Trifft uns aber im Laufe unseres Lebens ein Schicksalsschlag, sieht es schon ganz anders aus.
Da werden wir plötzlich lahmgelegt. Da brechen vertraute Beziehungen weg, da tauchen plötzlich existentielle Probleme auf.
Was dann?
Dann wird es entscheidend, dass wir uns auf unsere Fundamente besinnen, darauf, woher wir kommen,
darauf, worin wir den Sinn unseres Daseins legen.
Jesu Botschaft für uns lautet heute:
Pflege dein Vertrauensverhältnis zu Gott – auch durch die guten Zeiten hindurch – das gibt dir dann Stärke und Mut in schlechten Zeiten!
Unser Glück finden wir, wenn wir die Hoffnung, dass wir mit Jesus im Licht stehen, nicht aufgeben, wenn uns Visionen nach vorne treiben.
Dass Gott uns dafür belohnt, mit mehr als wir uns vorstellen können, daran möchte ich glauben!
Amen.
Gabriele Edelmann-Richter, Pfarrerin