Manchmal ist es, als gäbe ein*e schon Gestorbene*r ein Zeichen aus einer anderen Welt.
Der tote Vater erscheint in einem Traum, der mir so real vorkommt. Und dem doch ein Erwachen folgt und dann ein Verblassen. Eine verstorbene Schwester scheint noch einmal präsent, ja, fast greifbar nah.
Aber ob es so ist? Ist wirklich er es oder sie, die zurückkehren? Als sei der Horizont eine halbdurchlässige Haut, durchdringbar von der gegenüberliegenden Seite. Jedes dieser Ereignisse ließe sich auch anders deuten.
Vielleicht erlebe ich diesen Moment, weil meine Sehnsucht und meine Fantasie sich verbünden. Sie erschaffen Bilder, die den Träumen ähnlich sind, nur eben am Tag. Gnädige, gütige Bilder, die Kraft haben, mich zu trösten.
Wenn der Augenblick endet, in dem diese Bilder real erscheinen, wird der Schmerz wieder spürbar. Aber es bleibt auch die Erinnerung, stark und präsent. Und die möchte ich nicht gleich wieder wegwischen.
Diese Bilder, es mag sein, dass sie nicht zu dem gehören, was wir „Wirklichkeit“ nennen. Und doch sind sie wirksam und wirken weiter in mir.
Und so sind diese Trostbilder nicht vertröstend, sondern stiften Hoffnung und Kraft. Sie helfen zu überstehen, was eigentlich unerträglich ist.
Sie gehen mit, wenn die Zeit ihren Takt und ihr Tempo wieder aufnimmt, der Alltag zurückkehrt und das Leben wieder an Normalität gewinnt.
Ich kann mich erinnern, ihnen nachspüren. Wieder und wieder trösten sie mich.
Aus: Tina Willms, Im Blickfeld des Himmels
Neukirchener Verlagsgesellschaft 2022