Segnet die, die euch verfluchen

Monatsspruch Januar 2025: Jesus Christus spricht: Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen! Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch beschimpfen! Lukas 6,27-28

Im Supermarkt streiten sich zwei Kinder. Geschwister, vermutlich. Ich denke zuerst noch: „Ach, niedlich.“ Doch es bleibt nicht bei den kleinen Neckereien der einen Schwester. Die andere lässt das nicht auf sich sitzen und zieht der ersten an den Haaren. Als Antwort bekommt sie einen Tritt gegen das Schienbein und kurz darauf weinen beide kläglich.

So weit, so normal. Auch viele Erwachsene streiten sich so. Ich kenne diesen Reflex auch von mir: Wenn jemand mich angreift, mich ärgert oder bloßstellt, will ich zurückschlagen. Mich wehren. Aktiv werden. Nicht selten entsteht daraus eine Spirale der Gewalt, bei der niemand mehr gewinnen kann.

Jesus schlägt deshalb vor, in so einer Situation anders zu reagieren. Gar nicht so, wie es dem ersten Impuls entspricht. Im Lukasevangelium steht es folgendermaßen:

„Jesus Christus spricht: Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen! Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch beschimpfen!“

Lk 6,27-28

Viele Menschen finden diese Aufforderung skandalös oder dumm. Wer sich nicht wehrt, gilt als schwach. Dabei liegt eine unheimliche Stärke darin, nicht zurückzuschlagen. Nicht Gleiches mit Gleichem zu vergelten, sondern der Spirale der Gewalt zu entkommen. Ich stelle mir vor, wie die beiden Schwestern als Erwachsene in einen Streit geraten und die zweite einen Moment innehält. Wie sie in die Augen ihrer Schwester blickt. Und sie sich dann friedlich auseinandersetzen. So zu handeln, darin liegt viel Kraft und viel Glaube.

Anna Berting

Mache dich auf

Monatsspruch Dezember 2024: Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des HERRN geht auf über dir! Jesaja 60,1

„Mache dich auf und werde licht.“ Der Kanon, der aus der Kommunität Gnadenthal in Hessen stammt und ein Bibelwort aus dem Buch Jesaja aufgreift, ist ein beliebtes Lied in der Adventszeit. Mehrstimmig gesungen erklingt er kraftvoll und lässt erahnen, dass mit dem Kommen Gottes in die Welt etwas Großes passiert. „Mache dich auf und werde licht, denn dein Licht kommt.“

Die Weihnachtszeit steckt voller Lichtsymbolik. Jede Woche brennt eine Kerze mehr am Adventskranz, bis schließlich an Heiligabend der Weihnachtsbaum hell erstrahlt. „Mache dich auf und werde licht; denn dein Licht kommt“. Dieser kurze, einprägsame Text enthält zwei Aussagen. Gottes Licht kommt in die Welt. Und: Wir selbst sind aufgefordert, in der Welt licht zu werden. Was beim Singen zunächst nicht auffällt: ‚licht werden‘ wird kleingeschrieben. Es geht um mehr, als einfach eine Kerze anzuzünden.

‚licht werden‘, das bedeutet: aktiv werden. Weihnachtspäckchen für Obdachlose packen, Spenden an die Tafel und „Brot für die Welt“, an Heiligabend die Türen des Gemeindehauses für Menschen öffnen, die alleine sind: Viele Christinnen, Christen und Kirchengemeinden tun in diesen Tagen genau das. Sie machen sich auf und werden licht für die Schwächsten in der Gesellschaft. Für diejenigen, die dieses Licht besonders brauchen. All dies tun sie in der Nachfolge Jesu. Denn es ist genau das, was auch Jesus gemacht hat: Er ist zu uns in die Welt gekommen und für uns licht geworden.

Detlef Schneider

Worauf warten wir noch

Monatsspruch November 2024: Wir warten aber auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach seiner Verheißung, in denen Gerechtigkeit wohnt. 2. Petrus 3,13

Was erwarten Sie für das Leben nach dem Tod? Gar nichts – oder Glückseligkeit? Gerechtigkeit wird dort herrschen, sagt der 2. Petrusbrief. Und er teilt damit die gleiche Hoffnung wie das gesamte Neue Testament: In Gottes neuer Welt wird es endlich gerecht zugehen! Dort wird Gottes guter Wille ganz und gar geschehen. Das sind die paradiesischen Verhältnisse, die uns erwarten. Doch in unserer alten Welt sind wir davon leider weit entfernt.

Durch den Klimawandel erleben wir eine globale Bedrohung der Schöpfung. Es gibt viel zu viele Menschen, denen es am Nötigsten fehlt. Und es gibt viel zu viele korrupte Politiker, die den Armen ihre Rechte vorenthalten. Wann hören diese Ungerechtigkeiten endlich auf?

Und wie sieht es bei uns im persönlichen Bereich aus? Jesus Christus, Gottes Sohn, lehrte die Seinen, so zu Gott zu beten: „Dein Reich komme. Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.“ (Matthäus 6,10) Jesus stellte seinen Nachfolgerinnen und Jüngern Gottes neue Welt klar vor Augen. Schon in der alten Welt sollen sich die göttlichen Verhältnisse ausbreiten. Deshalb: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit.“ (Matthäus 6,33) Das Ziel, das uns einst erwartet, ist klar, und auch der Auftrag, den wir hier in aller Vorläufigkeit erfüllen sollen. Es wäre ja auch widersinnig, an Gottes Willen vorbei seine eigenen kleinen Reiche aufbauen zu wollen. Worauf warten wir noch?

Reinhard Ellsel

Wendepunkt

Monatsspruch Oktober 2024: Die Güte des HERRN ist’s, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu, und deine Treue ist groß. KLGL 3,22-23 (L)

Eine lange, fast endlose Klage geht dem Monatsspruch voraus. Einer zählt auf, was er erleben muss: Er sitzt in der Finsternis, die Haut wird faltig und er selber bitter. Wie von Steinen vermauert scheinen alle Wege aus der Not. Da klagt er Gott an: Du hast mir das angetan, hast mir aufgelauert, mich zum Gespött gemacht und aus dem Frieden vertrieben. Dann ein kleines Gebet: Denk an mich! Sieh mich an!
Und plötzlich der Monatsspruch, wie ein Wendepunkt: „Die Güte des HERRN ist’s, dass wir nicht gar aus sind, …“ Als habe sich das Gefühl, von Gott verlassen und vergessen zu sein, in Vertrauen gewandelt.

Was hat diese Wende ausgelöst? Man könnte denken, es sei das kleine Gebet gewesen. Vielleicht war es so. Im Moment, in dem ich aus der Anklage eine Anrede mache, spüre ich schon: Er könnte ja doch noch da sein, der Gott, von dem ich mich beinahe abgewandt hatte. Er, dem ich mein Elend vorgeworfen habe, vielleicht hat er doch Gutes im Sinn?

Aber eigentlich glaube ich, dass etwas anderes eine ebenso wichtige Rolle gespielt hat.

Dass der Betende alles, wirklich alles, was ihm auf der Seele lag, aussprechen durfte. Niemand hat ihm den Mund verboten, als er Gott anklagte, ja, gar beschimpfte.
Auch Gott selbst hat sich nicht verteidigt, hat ihn nicht in die Schranken gewiesen: „Was fällt dir ein?“ Und dann, als alles, jede Frage und jede Klage, zum Himmel geschrien ist, da ist es, als ob eine Mauer zerbröselt, die Gott verstellt. Dahinter wird er ganz neu erkennbar: als Liebender, der Zukunft schenkt.

Tina Willms

Fern und doch nah

Monatsspruch September 2024: Bin ich nur ein Gott, der nahe ist, spricht der HERR, und nicht auch ein Gott, der ferne ist? Jeremia 23,23

Wie kann jemand nah und fern sein? Und das womöglich zugleich? Ich denke an meinen Vater, der vor langer Zeit gestorben ist. Manchmal erinnere ich mich an ihn und dann ist es so, als sei er da. Mir wird warm bis in die Fingerspitzen. Wie aber ist es mit Gott, den ich weder sehen noch anfassen kann? Wie kommt er mir nah? So, dass ich mich an ihn erinnern kann und er spürbar bleibt, auch, wenn er fern ist? Manche Menschen erzählen von spektakulären Gotteserfahrungen. So etwas hat es in meinem Leben nicht gegeben. Aber mir wurde früh erzählt von Gott, er (ja, er!) wurde sozusagen vorausgesetzt. Mittags und abends beteten wir. Sonntags besuchte ich den Kindergottesdienst. So selbstverständlich wie die Eltern war auch Gott da. So habe ich Erinnerungen und ein Urvertrauen mitbekommen, dass das immer so ist, unabhängig davon, ob ich Gott als nah oder fern empfinde. Ob man ein solches Vertrauen auch später im Leben noch lernen kann? Indem man so lebt, als ob es Gott gibt und er (oder sie) in der Nähe sei? Ich schaffe mir Rituale, um ihm Raum zu geben. Ich lese biblische Worte, die Losungen etwa, und breite vor Gott aus, was mich bewegt. Ich nehme mir auch eine Weile, in der ich lausche. Wenn es still bleibt, gestehe ich Gott sein Schweigen zu. Ich bleibe da, auch wenn er fern zu sein scheint. Ja, ich kann leben, als sei er da. Vielleicht spüre ich ihn und mir wird warm bis in die Fingerspitzen. Vielleicht spüre ich nichts. Dann will ich einüben zu vertrauen: Selbst, wenn Gott fern ist, kann er doch da sein, mir nah.

Tina Willms

Gott heilt alle wunden

Monatsspruch August 2024: Der HERR heilt, die zerbrochenen Herzens sind, und verbindet ihre Wunden. Psalm 147,3

Leon hatte einen Fahrradunfall. Morgens auf dem Weg zur Schule streifte ihn ein Auto, als er über eine Kreuzung fuhr. Er stürzte. Der Auto­fahrer und Passanten kamen sofort zu Hilfe. Am Ende ging alles gut aus. Ein Schock, ein gebrochener Arm und ein paar Schürfwunden. Mehr ist zum Glück nicht passiert. Eine blutende Wunde oder ein Knochenbruch sind schnell verheilt. Doch dann gibt es auch die schweren Krankheiten und inneren Verletzungen, die einfach nicht vergehen wollen. Körperliche Leiden und seelischer Schmerz, die bleiben.

Der Beter im 137. Psalm hat das vor Augen. „Der HERR heilt, die zerbrochenen Herzens sind, und verbindet ihre Wunden.“ Darin steckt eine tiefe Erkenntnis. Der Beter weiß, dass auch bei der besten medizinischen Versorgung Ärztinnen und Ärzte an ihre Grenzen stoßen können, machtlos sind. Oft hilft dann nur noch ein Gebet zu Gott. Auf ihn vertraut der Beter in dieser Situation. All das, wozu Menschen selbst nicht fähig sind, wird Gott am Ende der Zeit richten.

Auch der Prophet Jesaja hat eine ähnliche Vision. Im Kommen Gottes und seinem Reich sieht er etwas gänzlich und umfassend Heilendes, etwas ganz Großes. Er beschreibt es mit bildhaften Worten. Bei ihm heißt es: „Dann werden die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben geöffnet werden. Dann wird der Lahme springen wie ein Hirsch, und die Zunge des Stummen wird frohlocken.“ (Jesaja 35, 5-6).

Detlef Schneider

Rückenstärkung

Monatsspruch Juli 2024: Du sollst dich nicht der Mehrheit anschließen, wenn sie im Unrecht ist. 2. Mose 23,2

„Und wenn alle anderen in den Graben springen, dann springst du hinterher?“ Mit dieser rhetorischen Frage nahm mir mein Vater den Wind aus den Segeln, wenn ich unbedingt etwas haben wollte, was „alle anderen“ doch auch hatten. Echt nervig, mein Vater! Später erfuhr ich von ihm, dass er selbst viele Jahre zuvor gegen seinen Willen in „den Graben springen“ musste und Soldat im Zweiten Weltkrieg wurde. Und mir wurde immer mehr klar, dass mir mein Vater mit diesem nervigen Graben-Spring-Spruch den Eigensinn stärkte. Dafür bin ich ihm dankbar!

Denn es ist ja viel bequemer, jede „Mode“ mitzumachen, als mir selbst überlegen zu müssen, was jetzt für mich dran ist. Da kann man schon mal zum Einzelgänger werden und muss dann auch ein gewisses Maß an Einsamkeit in Kauf nehmen. Aber es lohnt sich eben auf die Länge des Lebens gesehen doch, wenn man sich nicht „verbiegen“ lässt.

Somit verstehe ich den Monatsspruch für Juli als eine Rückenstärkung. Dieses Gebot ist aber auch eine ernste Mahnung, dass ich nicht mit den „Wölfen heule“. Wer oder was allerdings die „Wölfe“ sind, die „Unrecht“ ausüben, ist nicht immer leicht zu entscheiden. „Das Recht der Mehrheit“ ist jedenfalls kein zuverlässiges Kriterium. Im Unrechtsstaat der Nationalsozialisten sagte die Widerstandsak­tivistin Sophie Scholl (1921 – 1943) bei ihrer Vernehmung die hellsichtigen Worte: „Das Gesetz ändert sich, das Gewissen nicht.“

Reinhard Ellsel

Weg in die Freiheit

Monatsspruch Juni 2024: Mose sagte: Fürchtet euch nicht! Bleibt stehen und schaut zu, wie der HERR euch heute rettet! 2. Mose 14,13

Es gibt Situationen, da weiß und kann man nicht weiter! Diese ausweglose Lage kann einen entmutigen und kopflos machen. Besonders, wenn sie sich lange hinzieht. Da leidet die Studentin Lina an bedrückender Einsamkeit, weil in der Corona-Pandemie direkte Kontakte zu Mitstudierenden zu gefährlich sind. Doch endlich verbessert sich nach Monaten die Infektionslage wieder und die meisten Corona-Schutzmaßnahmen entfallen. Ihren persönlichen „Freedom-Day“ im Frühjahr 2022 notiert sich Lina rot in ihrem Kalendarium. Diesen „Freiheits-Tag“ will sie sich merken.

Um das Jahr 1.200 vor Christus befreite Gott das Volk Israel aus der Sklaverei in Ägypten. Endlich! Doch da tat sich vor den Israeliten auf ihrem Weg in das verheißene Land der Freiheit ein schier unüberwindbares Hindernis auf: das Schilfmeer. Zudem jagten ihnen ägyptische Soldaten mit Streitwagen hinterher, um sie grausam zu bestrafen und erneut zu versklaven. Kein Wunder, dass die Israeliten in Panik gerieten. Und Gott hörte ihr Schreien am Schilfmeer, wie er ihr Stöhnen und Schreien unter der Sklaverei gehört hatte. Durch Mose machte Gott seinem Volk erneut den Weg frei, durch das Meer hindurch.

Die wunderbare Befreiung aus der Sklaverei mit der Rettung am Schilfmeer ist zu einem Urdatum für das Volk Israel geworden. Jahr für Jahr denken sie dankbar daran. Es bestimmt ihre DNA und gibt ihnen Kraft für die konkret zu bewältigenden Aufgaben.

Reinhard Ellsel

Land der Freiheit?

Monatsspruch Mai 2024: Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten. Alles ist mir erlaubt, aber nichts soll Macht haben über mich. 1. Korinther 6,12

Alles erlaubt, das hört sich gut an. Es öffnet die Grenzen ins Land der Freiheit. Und das fühlt sich auch gut an. Was für ein Geschenk es ist, in einem freien Land zu leben, kann ich ermessen, wenn ich sehe, wie anders es anderswo ist. Frauen dürfen sich in der Öffentlichkeit nur verschleiert zeigen, Mädchen nicht in die Schule gehen, Menschen werden durch Kameras überwacht und für das kleinste Fehlverhalten bestraft.

Ich selber könnte, wenn ich wollte, im Bikini durch die Innenstadt gehen oder mit 200 Sachen über die Autobahn rasen. Viel wichtiger aber ist mir, dass ich meine Meinung sagen darf, ohne Angst zu haben, und Christin sein darf, ohne mich verstecken zu müssen.

Alles erlaubt, sagt auch Paulus und öffnet die Grenzen ins Land der Freiheit. Und dann folgt doch ein „Aber“. Ja, ich darf mir alle Freiheiten nehmen. Aber vorher mahnt Paulus an, mich zu fragen: Dient es zum Guten? Denn wenn ich Unheil bewirke, wenn ich die Würde anderer verletze oder auf Kosten der Zukunft lebe, dann braucht meine Freiheit ein „Aber“, eine selbst gewählte Grenze. Und auch dort, wo ich mir selber schade, sollte ich mir Einhalt gebieten.

Denn auch das ist mir erlaubt: mein Freiheitsrecht hintenanzustellen um anderer oder meiner selbst willen: Ich kann überprüfen, ob meine Einkäufe fair gehandelt sind. Ich muss nicht lästern über das, was meinem Gegenüber heilig ist. Ich kann auf die Flugreise verzichten, um das Klima zu schonen. Und darf auch dem, was mir selber schadet, eine Absage erteilen.

Tina Willms

Ins Leben geprägt

Monatsspruch April 2024: Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der von euch Rechtschaffenheit fordert über die Hoffnung, die euch erfüllt. 1. Petrus 3,15

Das Abitur war geschafft, nun waren die Tage leer. Manchmal hatte ich auf die Schule geschimpft, doch jetzt fiel mir der Abschied schwer. Auch wusste ich noch nicht, was ich werden wollte. Eine so weitreichende Entscheidung zu treffen: Dazu fühlte ich mich kaum in der Lage. Dennoch: Die Lücken im Kalender wollte ich nutzen, so machte ich mit einigen Freund:innen eine Reise, die uns auch in eine kleine Fachwerkstadt führte. Dort teilten wir uns auf, jede und jeder hatte Zeit für das, was ihn oder sie interessierte.

Ich ging etwas ziellos durch die Gassen und fragte mich, wie mein Leben weitergehen würde. Nebenbei betrachtete ich die Fachwerkhäuser. Da fiel mein Blick auf einen dicken Balken, der einen First trug. Ein Bibelvers war dort eingeschnitzt: „Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer.“ Uralte Worte, und doch in diesem Moment wie für mich und meine Zukunft gemacht. Etwas in mir löste sich, meine Schritte fühlten sich leichter an und Freude machte sich in mir breit.

Jahrhunderte zuvor hatten Menschen die Worte in diesen Balken geschnitzt. Und mehr als tausend Jahre zuvor hatte jemand sie niedergeschrieben. Menschen, die längst nicht mehr lebten, hatten Auskunft gegeben über die Hoffnung, die sie erfüllte und durchs Leben trug, und hatten sie weitergereicht durch die Zeiten. Und nun prägten sie diese Hoffnung mir ins Gedächtnis und ins Leben.

Tina Willms