Im Kraftfeld der Liebe Jesus

Jahreslosung 2024: Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe. 1. Korinther 16,14

Was für ein guter Vorsatz für das neue Jahr 2024! Bei allem, was ich tue, will ich mich von der Liebe leiten lassen.

Der Apostel Paulus empfiehlt dieses Verhalten zum Abschluss des 1. Korintherbriefs. Dabei mögen die Korinther noch die Worte im Ohr haben, die er ihnen wenig zuvor schrieb: „Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig. Sie sucht nicht ihren Vorteil. Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand“ (aus: 1. Korinther 13,4–7).

Allerdings: Wir wollen uns bei unseren Neujahrsvorsätzen nichts vormachen: Diese Liebe, von der Paulus hier spricht, ist zunächst nicht unsere Liebe. Das können wir leider nicht: alles ertragen, immer geduldig sein. Ich setze hier für „die Liebe“ mal probehalber meinen Vornamen ein. Also: „Reinhard ist langmütig … Reinhard hält allem stand.“ Sie können das jetzt gerne auch mal mit ihrem Vornamen versuchen.

Trotzdem haben die Worte des Paulus einen guten Grund. Setzen wir für „die Liebe“ einmal „Jesus Christus“ ein: „Jesus Christus ist langmütig, Jesus ist gütig. Jesus sucht nicht seinen Vorteil. Jesus Christus erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand.“

So wird ein Schuh draus! So kann ich im neuen Jahr unterwegs sein. Im Kraftfeld der Liebe Jesus Christi zu uns. Jesus gibt uns die Kraft, es immer wieder mit der Liebe zu versuchen. Um uns dabei zu helfen, ist Jesus Christus gestorben und wieder auferstanden.

Reinhard Ellsel

Advent – eine gute Zeit, eine Zeit des Haushaltens

Von Pfarrerin Gabriele Edelmann-Richter am 12.12.2021 (3. Advent) in der Stephanuskirche in Gebersdorf

Drei Teelichthalter mit brennenden Kerzen warm erleuchtet inmitten von getrockneten Apfel- und Orangenscheiben, Sternanis, Zimtstanden, Beeren und Nüssen.

Liebe Gemeinde,

heute am 12. Dezember befinden wir uns gerade mitten in der Adventszeit.
In den letzten Wochen habe ich vielen Gemeindemitgliedern eine stille Zeit, eine besinnliche Zeit gewünscht.
Wahrscheinlich können Sie dasselbe berichten.
Denn in uns allen steckt die tiefe Sehnsucht, das Geheimnis von Weihnachten ganz langsam und behutsam zu lüften, nur so können wir am meisten davon haben.
Sonntag für Sonntag zünden wir eine Kerze mehr am Adventskranz an, um der Hektik des Alltags bewusst entgegenzusteuern.
Doch die Realität, den Alltag mit dem Mysterium, dem Geheimnis von Weihnachten in Einklang zu bringen, verlangt von uns viel Geduld und Kraft.

Vergangene Woche hatten wir in der Sitzung des Kirchenvorstands den neuen Haushaltsplan zu verabschieden. Da ging es in erster Linie um den sachgemäßen und verantwortlichen Umgang mit unseren Finanzen.
„Gemeinde an sich“ ist wahrhaftig kein Selbstläufer mehr. Die verantwortliche Verwaltung unseres Kindergartens, unseres Gemeindehauses und natürlich unserer Stephanuskirche, mitsamt den hauptamtlichen, nebenamtlichen und ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen fordert uns jedes Jahr aufs neue heraus.
Nach der Vorstellung des Haushaltsplanes durch unseren Kirchenpfleger konnten wir schon den Eindruck gewinnen, dass wir ein mittelständisches Unternehmen sind.
Auch wir hier in der Kirchengemeinde sind Ökonominnen und Ökonomen!

Die Bedeutung des guten Haushaltens griff schon Paulus in seinem Brief an die Korinther auf.

So lautet unser heutiger Predigttext zum 3. Advent:

Dafür halte uns jedermann: für Diener Christi und Haushalter (Ökonomen) über Gottes Geheimnisse.
Nun fordert man nicht mehr von den Haushaltern, als dass sie für treu befunden werden.

1. Korinther 4,1-2

Die Worte des Paulus weisen uns darauf hin, dass die Adventszeit eine Zeit ist, in der wir auch als Christen Bilanz ziehen.
Nur, dass Paulus da nicht den finanziellen Haushalt meint, sondern den Umgang und das Haushalten mit den göttlichen Geheimnissen.
Nach Paulus sollen die Ökonomen der Gemeinde treu sein, zuverlässig im Handeln, aber auch in dem, was sie erreichen.

„Zielführend“ und „zielorientiert“ wären da die passenden Worte aus unserer modernen Zeit.
Der Unterschied zu einem Wirtschaftsunternehmen ist, dass wir in der Gemeinde, neben der ordnungsgemäßen Buchführung, die Geheimnisse Gottes gut verwalten.
Wir haben den Auftrag, diese Geheimnisse allen verständlich zu machen und öffentlich davon zu sprechen. Das ganze Leben eines Menschen mit allen seinen Wegen und Umwegen sollen wir mit Gott in Verbindung bringen.
Allem Gelingen, aber auch allem Scheitern sollen wir einen Sinn entlocken.
Wege zu erfrischenden Quellen aufzeigen und auf Überlebensstrategien hinweisen.

Nach Paulus muss die Adventszeit also so verstanden werden, Bilanz zu ziehen, wo wir momentan stehen, nachzuprüfen, ob wir wirklich bereit sind für das Kommen Gottes auf die Erde.

Dass diese Messlatte für uns Christen sehr hoch hängt, das wusste Paulus auch und so schreibt er weiter an seine Gemeinde:

Mir aber ist’s ein Geringes, dass ich von euch gerichtet werde oder von einem menschlichen Gericht; auch richte ich mich selbst nicht.
Ich bin mir zwar keiner Schuld bewusst, aber darin bin ich nicht gerechtfertigt; der Herr ist’s aber, der mich richtet.

1. Korinther 4,3-4

Das kennen wir alle: unsere Mitmenschen neigen dazu, sich vor allem über die anderen das Maul zu zerreißen.
Und je mehr man im Fokus der Öffentlichkeit steht, desto mehr läuft man Gefahr, regelmäßig mit Kritik überhäuft zu werden.
Das gilt nicht nur für die Politiker und die Ökonomen in unserer Gesellschaft, das gilt auch für die Verantwortlichen in unseren Kirchengemeinden.
Aus eigenen Befindlichkeiten heraus und das Ganze wahrhaftig nicht wirklich im Blick habend, vielleicht auch, weil man mit dem eigenen Leben nicht zufrieden ist,
wird da über andere gemauschelt, gelästert und nicht selten gemobbt.

Paulus hält da mit einem gesunden Selbstvertrauen und mit einem tiefen Gottvertrauen dagegen.
Er lässt sich von keinem menschlichen Urteil den Weg vermiesen, sondern er nimmt allein Gottes Urteil ernst!

Danke Paulus! – Das ist wirklich eine befreiende Botschaft in der Adventszeit!

Er schickt sogar noch einen Appell hinterher. Einen Aufruf, der sich an die Geduld seiner Hörerinnen und Hörer wendet:

Darum richtet nicht vor der Zeit, bis der Herr kommt, der auch ans Licht bringen wird, was im Finstern verborgen ist und das Streben der Herzen offenbar machen wird.
Dann wird auch einem jeden von Gott Lob zuteilwerden.

1. Korinther 4,5

Die Adventszeit ist also auch eine Zeit der Umkehr von alltäglichen Verhaltensmustern, eine Zeit des Innehaltens, des Überdenkens:
Wie oft habe ich im vergangenen Jahr schon mal allzu schnell ein hartes Urteil über einen Mitmenschen gefällt, ohne wirklich was über sein/ihr Leben zu wissen?

Manche von uns hadern in dieser dunklen Jahreszeit auch mit sich selbst und ihrem Schicksal.
In solche Situationen hinein spricht uns Paulus Trost zu:

Am Ende rückt uns kein geringerer als Gott ins Licht!

Unsere Geduld mit anderen und auch mit uns selbst wird belohnt werden mit dem Glanz von Weihnachten.

Wir werden belohnt mit dem Kommen Gottes auf die Erde!

Das himmlische Licht umgibt uns und zeigt uns den Weg durch die größte Finsternis!

Das ist es, was wir in der Adventszeit erwarten: den Heiland, der uns heil macht, den Retter, der uns rettet und den Friedefürsten, der uns mutig macht, in unserem Leben immer wieder neu anzufangen, aufzubrechen und zuversichtlich nach vorne zu gehen.

Genau das ist das Geheimnis des Glaubens, welches wir gut verwalten sollen!

Die Wochen vor Weihnachten möchten uns Zeit und Raum geben, aus dem Alltagstrott herauszutreten, das Geheimnis des Glaubens ganz langsam zu enthüllen.

Alle unsere Sinne werden in diesen Wochen durch unser Handeln angesprochen:
Unsere Augen freuen sich über den Lichterglanz, unsere Nasen nehmen den Plätzchenduft auf, unsere Hände rascheln beim Basteln mit dem Stroh oder mit dem Glanzpapier, unsere Ohren lieben die Musik und die Lieder, die uns Beständigkeit und Geborgenheit vermitteln, unsere Spenden öffnen unsere Herzen für andere in Not.

Die Adventszeit ist eine gute Zeit, eine Zeit des Haushaltens.
Da können wir schon mal üben, wie es ist, wenn es Gott gut mit uns meint, wenn er uns im Stall an der Krippe willkommen heißt und den Lohn des Wartens gibt.

Der Friede des Herrn, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus!

Amen.

Gabriele Edelmann-Richter, Pfarrerin

Predigt zum Erntedankfest: „Der Segen des Gebens“

Von Pfarrerin Gabriele Edelmann-Richter am 03.10.2021 in der Stephanuskirche in Gebersdorf

Sonnenblumen am Altar der Stephanuskirche

Liebe Gemeinde,

Das Erntedankfest steht auf der Beliebtheitsskala der kirchlichen Feste ganz weit oben!
Übertroffen wird es nur vom Weihnachtsfest, bei manchen Kirchgängern evtl. noch vom Osterfest.
Diese drei Feste werfen ihre Schatten schon Wochen vorher voraus, bis sie dann am Festtag all ihre Pracht und ihren Glanz auch in den geschmückten Gotteshäusern zeigen.

Wenn wir uns heute hier umschauen, so können wir staunen über die wunderbaren Früchte der Felder und die leuchtenden Blumen der Gärten.

Erntedankaltar in der Stephanuskirche mit verschiedenen, geernteten Gemüsesorten


Am Freitagvormittag waren schon die Kindergartenkinder mit ihrem Bollerwagen hier in unserer Stephanuskirche und haben sich in einem abwechslungsreichen Gottesdienst über die eingesammelten Erntedankgaben bedankt und gefreut. 

Heute am Erntedanksonntag feiert die ganze Gemeinde auch unser Gemeindefest. 
Wir sind dankbar, dass wir uns endlich wieder versammeln dürfen und wir sind dankbar, dass wir trotz klimatischer Veränderungen noch keine Not leiden müssen.

Deshalb können wir heute ein Fest der Sinne feiern:
die Augen können sich satt sehen an der bunten Vielfalt der Früchte und Blumen, die Ohren freuen sich an der wunderbaren Musik, die uns durch das ganze Fest begleitet, sogar unsere Nasen und unser Gaumen werden sich nachher freuen über den köstlichen Bratwurstduft.

Ja, und dann ist da noch unser Predigttext zum Erntedankfest, der Dank und Freude aufnimmt.
Geschrieben hat ihn der Apostel Paulus in seinem 2. Brief an die Gemeinde von Korinth.
Ich lese die Übersetzung aus der Basisbibel:

Liebe Korinther,
das aber sage ich euch: „Wer spärlich sät, wird spärlich ernten. Und wer reichlich sät, wird reichlich ernten.“
Jeder soll so viel geben, wie er sich selbst vorgenommen hat. Er soll es nicht widerwillig tun und auch nicht, weil er sich dazu gezwungen fühlt. Denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb!
Gott aber hat die Macht, euch jede Gabe im Überfluss zu schenken. So habt ihr in jeder Hinsicht und zu jeder Zeit alles, was ihr zum Leben braucht. Und ihr habt immer noch mehr als genug, anderen reichlich Gutes zu tun.
So heißt es ja in der Heiligen Schrift: „Er verteilt Spenden unter den Armen. Seine Gerechtigkeit steht fest für immer.“
Gott gibt den Samen zum Säen und das Brot zum Essen. So wird er auch euch den Samen geben und eure Saat aufgehen lassen. Euer gerechtes Handeln lässt er Ertrag bringen.
Er wird euch so reich machen, dass ihr jederzeit freigiebig sein könnt. Und aus Eurer Freigiebigkeit entsteht Dankbarkeit gegenüber Gott, wenn wir eure Gaben überbringen.
Denn die Ausübung dieses Dienstes lindert nicht nur Mangel, an dem die Heiligen leiden. Sie ist auch deshalb so wertvoll, weil sie große Dankbarkeit gegenüber Gott bewirkt.
Weil ihr euch in diesem Dienst so bewährt habt, werden sie Gott loben. Denn daran sehen sie, dass ihr euch gehorsam zu der Guten Nachricht von Christus bekennt. Und an eurer Freigiebigkeit merken sie, dass ihr mit ihnen und allen Gemeinschaft haltet.
Und wenn sie für euch beten, werden sie das voll Sehnsucht nach euch tun. Denn sie haben erkannt, dass Gott euch in so reichem Maße seine Gnade geschenkt hat.
Dank sei Gott für seine Gabe, die so unbeschreiblich groß ist!

2. Kor. 9,6-15

Liebe Stephanus-Gemeinde,

nachdem Sie diesen Briefausschnitt des Paulus gehört haben, werden nicht nur die Konfirmandinnen und Konfirmanden denken: So ein Durcheinander – ganz schön schwierig dieser Text. Was will Paulus seiner Gemeinde in Korinth eigentlich sagen?

Den Älteren unter Ihnen wird aber dann doch der Satz: 
„Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb!“ bekannt sein.
In früheren Jahren wurde er immer nach dem Verlesen der Kollekte gesprochen.

So viel können wir spontan sagen:
Dieser Briefabschnitt ist ein Spendenaufruf!
Ja, das gab es auch schon vor 2000 Jahren.
Paulus bekam vom Apostelkonzil im Jahr 48 n. Chr. in Jerusalem den Auftrag, in seinen neu gegründeten Gemeinden im Mittelmeerraum Spenden für die Urgemeinden zu sammeln. Die neu gegründeten Gemeinden sollten sich dadurch solidarisch zeigen, sie sollten ein Gespür bekommen, was es heißt, als Einheit der Christen im Römischen Reich aufzutreten.

Wenn wir den Paulinischen Spendenaufruf genauer unter die Lupe nehmen, sehen wir, dass Paulus ein Meister des Worts war. Er jonglierte schon damals mit Worten wie „spärlich, Zwang oder widerwillig“ und setzte diesen geschickt die Worte „fröhlich, im Überfluss, reichlich und gerecht“ gegenüber, um die Aufmerksamkeit seiner Hörer zu gewinnen.
Es fällt auf, dass Paulus dabei mehr positive Gedanken verwendet.
So schafft er es, aus einem nüchternen Spendenaufruf ein Bekenntnis zum Leben zu machen.
Es geht ihm nicht darum, dass die Hörer zum Geben aufgefordert werden und ihnen dann auch noch befohlen wird, dabei fröhlich zu sein. Nein.
Der eigentliche fröhliche Geber ist Gott!
Die Vielzahl an schönen Worten stehen für die Gaben, die wir Menschen im Überfluss von Gott bekommen haben. 
Denn eigentlich braucht es nicht viel, damit wir glücklich sind und damit wir andere glücklich machen können.
Die beiden großen Kirchen folgen sowohl an Weihnachten als auch am Erntedankfest dem biblischen Spendenaufruf des Paulus. Es ist Tradition, dass wir auch an die christlichen Kirchen in Übersee denken. 
Wir Christen hier in Deutschland zeigen uns mit unseren Spenden solidarisch mit unseren Glaubensbrüdern und Schwestern in den von der Pandemie oder von Bürgerkriegen schwer traumatisierten Gemeinden.
Das hat dann auch gar nichts mit eigener Gewissensberuhigung, selbstgefälliger Almosengabe oder gar Steuerersparnis zu tun. 
Am Erntedankfest halten wir inne und uns wird klar, dass wir hier in unserem Land mit allen Gütern reich gesegnet sind und – aus Dankbarkeit darüber – gerne geben können!

„Wer reichlich sät, wird reichlich ernten!“

Das schreibt Paulus den Korinthern, das gilt auch für uns!
Durch unsere Freigiebigkeit zeigen wir uns Gott gegenüber dankbar dafür, was wir von ihm zum Leben erhalten haben.

Natürlich ist es an den Tagen, an denen es uns gut geht, an denen wir gute Laune haben, einfach, sich als ein Beschenkter zu fühlen und etwas abzugeben.
Schwierig wird das Ganze, wenn uns die Lust am Leben vermiest wird, wenn wir selbst grad den Boden unter den Füßen verloren haben.
Dann wird es schon mal eng um’s Herz, dann fehlt die Kraft, auch noch an andere zu denken.
Paulus aber hält dagegen: Wenn wir uns ausgelaugt fühlen, ja fast schon wie welk den Kopf hängen lassen, dann dürfen, ja sollen wir uns in den Sommerregen des Wortes Gottes stellen.
Was dann passiert, weiß jeder, der einen Garten oder Balkonpflanzen hat: Langsam aber sicher werden wir uns aufrichten, saugen all die guten Nährstoffe auf, die uns dann wieder aufrecht durch’s Leben gehen lassen:

Wir blühen auf durch die Liebe, die uns geschenkt wird, 

wir blühen auf durch den Frieden, den wir mit anderen Menschen haben,

wir blühen auf durch die Zufriedenheit darüber, dass unser Glas doch halb voll ist und

wir blühen auf, wenn wir unsere Augen über all die herrlichen Erntegaben wandern lassen!

Der Segen Gottes ist die Lust am Leben!

Gott will seinen Segen über uns ausschütten für all unser Mühen, Arbeiten und Schaffen.

Liebe Gemeinde, ich bin mir sicher, wenn wir dies begreifen, wird es ein Leichtes sein, unsere Dankbarkeit gegenüber denen zu erweisen, die selbst nicht auf die Beine kommen.
Wenn Menschen in ganz Bayern heute eine Spende für „Mission eine Welt“ oder die Welthungerhilfe geben, dann geschieht Dank. Gelebter Dank!

Brot auf dem Altar der Stephanuskirche mit der Aufschrift "UNSER TÄGLICH BROT"

Und denken Sie daran: gelebter Dank macht glücklich!

Amen

Gabriele Edelmann-Richter, Pfarrerin

Predigt zum 2. So. n. Trinitatis

Von Pfarrerin Gabriele Edelmann-Richter am 13.06.2021 in der Stephanuskirche in Gebersdorf

Bleibt unbeirrt auf dem Weg der Liebe!
Strebt nach den Gaben, die der Heilige Geist verleiht – vor allem aber danach, als Prophet zu reden. Wer in fremden Sprachen redet, spricht nicht zu den Menschen, sondern zu Gott. Denn niemand versteht ihn.Was er unter dem Einfluss des Geistes sagt, bleibt vielmehr ein Geheimnis. Wer dagegen als Prophet redet, spricht zu den Menschen. Er baut die Gemeinde auf, ermutigt sie und tröstet sie.
Wer in fremden Sprachen redet, baut damit nur sich selbst auf. Wer aber als Prophet redet, baut die Gemeinde auf.
Ich wünschte mir, dass ihr alle in fremden Sprachen reden könntet.
Noch lieber wäre es mir allerdings, wenn ihr als Propheten reden könntet. Denn wer als Prophet redet, ist bedeutender als derjenige, der in fremden Sprachen redet.
Es sein denn, er legt seine Rede auch aus. Das hilft dann mit, die Gemeinde aufzubauen.
Brüder und Schwestern, jetzt stellt euch doch nur einmal vor:
Ich komme zu euch und rede in fremden Sprachen.
Was habt ihr davon, wenn ich euch nichts Verständliches vermittle – zum Beispiel eine Offenbarung oder eine Erkenntnis oder eine prophetische Botschaft oder eine Lehre.
So ist es ja auch bei den hölzernen Musikinstrumenten, zum Beispiel bei einer Flöte oder Leier: Wenn sich die einzelnen Töne nicht unterscheiden, wie soll man dann erkennen, was auf der Flöte oder auf der Leier gespielt wird?
Oder wenn von der Trompete nur ein gepresster Ton kommt – Wer rüstet sich dann zum Kampf?
Genauso wirkt es, wenn ihr in fremden Sprachen redet. Wenn ihr keine verständlichen Worte gebraucht, wie soll man das Gesagte verstehen können? Ihr werdet in den Wind reden!
Wer weiß, wie viele Sprachen es auf der Welt gibt, ja, nichts geschieht ohne Sprache. Wenn ich eine Sprache nicht spreche, werde ich für den, der sie spricht ein Fremder sein. Und wer sie spricht, wird umgekehrt für mich ein Fremder sein.
Bei euch ist es genauso. Ihr strebt doch nach den Gaben des Heiligen Geistes.
Strebt danach, an solchen Gaben reich zu werden, um die die Gemeinde aufzubauen!

1. Kor. 14,1-12

Liebe Gemeinde,

eigentlich wollten wir heute unser Gemeindefest feiern. Mit Begeisterung, Musik und gutem Essen. Doch noch dürfen wir hier nicht feiern.
Die Pandemie hat uns fast vergessen lassen, wie man sich fühlt, wenn man ausgelassen feiern kann und ganz unbeschwert einen Sommertag genießen kann.
Aber die Profifußballer geben uns seit Freitagabend einen Vorgeschmack davon.
Vielleicht haben Sie auch das Eröffnungsspiel der Europameisterschaft in Rom gesehen – Italien gegen die Türkei!?
18.000 Zuschauer haben im Stadion mitgefiebert, getobt, gebrüllt, gestöhnt oder Sprechchöre angestimmt.
Da gab es Gesten und Laute, die nur von eingefleischten Fans verstanden werden.
Ich gestehe, dass ich nicht immer alles deuten und verstehen kann, was bei einem Fußballspiel so abläuft.
Wenn ich jetzt zur Sommerzeit das Fenster meines Amtszimmers geöffnet habe, höre ich nachmittags neben den lauten Glockenschlägen auch immer wieder die Kinder unseres Kindergartens toben. Sie scheinen ihr Glück herauszuschreien, genauso wie ihre Wut oder ihre Enttäuschung. Manchmal scheinen sie von einer Woge der Begeisterung erfasst zu werden, dass sie vor lauter Aufregung nur noch Stammeln und Stottern. Wirklich verstehen kann ich da kaum was.

Anhand der zwei Beispiele sehen wir, dass es eine Art der Kommunikation gibt, die auch ohne verständliche Worte erfolgen kann.

Szenen der Aufregung gab es auch in der Gemeinde von Korinth. Allerdings nicht im Sportstadion oder im Kindergarten, sondern auf den Plätzen und in den Wohnungen, in denen sich die Mitglieder der von Paulus gegründeten Gemeinde getroffen haben.
Obwohl das Ganze vor 2000 Jahren passierte, können wir mitreden, da es auch heute in unseren Gemeinden ähnliche Aufregungen gibt.
Damals stritt man sich über die richtige Praxis beim Abendmahl oder den Ablauf des Gottesdienstes. Dazu kam damals der Brauch, dass einzelne Gemeindeglieder in Ekstase gerieten, anfingen zu tanzen und dabei in unverständlichen Worten redeten.
Das deuteten manche aus der Gemeinde als Wirken des Heiligen Geistes.  Zungenrede – so nannte man das.

Paulus respektiert dies zunächst, denn schon in den alten Schriften kamen solche Begeisterungsszenen vor.
Aber er warnt davor, nur die Zungenrede als Zeichen des Heiligen Geistes zu sehen. Denn was ist mit all denen, die diese Sprache, diese Zeichen nicht verstehen?
Werden da nicht viele verschreckt und wenden sich gar mit Kopfschütteln ab?

Ein Kapitel vorher versucht Paulus in seinem Brief den Korinthern klarzumachen, worauf es beim christlichen Glauben und im Leben in der christlichen Gemeinschaft ankommt.
Da hat er wunderbare Worte gewählt, die sich bis heute viele Brautpaare für ihre Trauung wünschen:
„Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen … sie rechnet das Böse nicht zu … sie verträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.“

Uns sind diese Worte vertraut, wir meinen sie auch zu verstehen.

Aber stellen Sie sich vor, Paulus wäre heute unser Gast.
Die Ruhe und Getragenheit unseres Gottesdienstes würde ihm zwar gefallen, denn alle unsere Worte werden verständlich, nicht in Zungenrede gesprochen, doch, wenn er so in die Runde schauen würde, würde ihm doch auch auffallen, dass trotz verständlicher Sprache relativ wenige Gemeindeglieder im Gottesdienst sind.

Mag es daran liegen, dass viele die Sprache unserer Gottesdienste nicht mehr verstehen?

Paulus würde uns daraufhin folgende drei Ratschläge geben:

1. Eure prophetische Rede soll aufbauen!

D.h., wenn wir jemanden sehen, der belastet oder bedrückt oder einsam ist, dann soll unser Umgang herzlich sein!
Das miteinander Reden und auch das miteinander Schweigen ist ein sichtbares und auch ein machbares Stück Liebe.
Die liebevolle und geduldige Haltung dem andern gegenüber, auch wenn er gerade nervt oder wieder mal nichts kapiert, das sind Kennzeichen eines Christen.

2. Eure prophetische Rede soll ermahnen!

Na ja, wer mag das schon, ermahnt zu werden? Die Jungen wollen sich von den Älteren nichts sagen lassen, sie möchten ihre eigenen Erfahrungen machen, und die Älteren bekommen einen dicken Hals, wenn ihnen Jüngere besserwisserisch etwas unter die Nase reiben.
Aber, es gibt auch Menschen, denen es gelingt, anderen etwas beizubringen, ohne dass gleich schlechte Stimmung herrscht.
Kennen Sie solche Menschen? Ich hoffe doch!
Ist es doch deren liebevolle und selbstlose Art, ihr Wissen und ihre Erfahrung mit anderen zu teilen.

3. Eure prophetische Rede soll trösten!

Paulus weist darauf hin, dass es ganz wichtig ist, im Namen Gottes, auf Trauernde zuzugehen, Verletzten zu helfen, Verzweifelten eine Stütze zu sein.
Schließlich kommt es bei all dem prophetischen Reden darauf an, den richtigen Ton zu finden. Nicht jeder kann einem Blasinstrument die passenden Töne entlocken und nicht jeder in der Gemeinde hat die Fähigkeit prophetisch zu reden.
Paulus will uns einladen, im Streben nach Liebe die richtige Sprache zu suchen.
In einem Gebet heißt es: Gib mir die richtigen Worte, gib mir den richtigen Ton, Worte, die klären und nur nicht zerstören, gib mir genug davon!

Liebe Gemeinde, ich bin mir sicher, dass wir auch bei uns prophetische Worte finden können, dort wo sie aus dem Herzen kommen.

Dass wir nicht müde werden, danach zu streben, dazu möge uns Gott helfen.

AMEN.

Gabriele Edelmann-Richter, Pfarrerin

Predigt zum Karfreitag

Von Pfarrer Dr. Matthias Dreher am 02.04.2021 in der Stephanuskirche in Gebersdorf

Liebe Mitchristen,

bei dem Mann auf unserem Bild handelt es sich – um Norbert Steiner aus Zirndorf, 46 Jahre alt. Wie man sieht, geht es ihm schlecht. Ziemlich verwahrlost sitzt er versunken da, während im Hintergrund die Sonne aufgeht. Schlaflos scheint er die ganze Nacht hier oben gesessen zu sein. Auch der heraufziehende neue Tag kann seine Miene nicht aufhellen.

Bis vor 10 Monaten war er KfZ-Mechaniker in einer Opel Werkstatt; dann – wie aus heiterem Himmel – traf ihn die Diagnose: Krebs, Nierenkrebs. Die ersten Behandlungen schlugen noch gut an und es bestand realistische Hoffnung. Doch inzwischen hat der Krebs aufgeholt und gestreut. Die Ärzte haben Herrn Steiner beigebracht, dass eine Heilung kaum noch möglich ist. Allerdings könnte man mit verschiedenen Mitteln das letzte, unangenehme Stadium noch anderthalb, vielleicht sogar zwei Jahre hinauszögern. Garantien gäbe es natürlich keine. „Unter Umständen geht alles schneller“, – sagt der Arzt.

„Ich muss hier raus!“, rief Herr Steiner gestern Abend. Er hat sich nur eine Decke über den verschwitzten Schlafanzug geworfen und ist in die Fränkische Schweiz gefahren. Und da sitzt er jetzt.
„Was wird kommen? Warum ich? Warum so früh? Ich bin Mitte Vierzig! Halte ich das aus? – Wozu überhaupt aushalten? Könnte ich das nicht früher – beenden? Bevor es richtig schlimm wird?“ So denkt er, einsam in der Steinwüste. – Wie weit wird er am Abend dieses Tages mit sich und seinem Leiden sein?

Liebe Mitchristen, es macht sich unter uns – in der Gesellschaft, aber vielleicht auch in dieser Kirchengemeinde – ein Konsens, eine einhellige Meinung, breit, dass die Würde des Menschen genau darin liegt, über sich selbst bestimmen zu können – und das heißt auch: selbstbestimmt Leid zu verhindern und zu sterben. Würdiges Leben und Leid schließen sich dieser Meinung nach aus. Leidendes Leben ist zu bedauern und auf Dauer nicht lebenswert.

Ich weiß nicht, ob Sie’s gesehen haben. Als im November das Sterbehilfe-Schauspiel „Gott“ im Fernsehen lief, stimmten 71% der Zuschauer dafür, dass der Sterbewillige das tödliche Mittel bekommt. Daher kommt der Druck, die Gesetzeslage zur Sterbehilfe zu lockern. Und was sonst als unbedingt zu verhütendes Übel gefürchtet wird, steht auf einmal da als Erfüllungsgehilfe wahren Menschseins: der Selbstmord. – Denn um nichts anderes handelt es sich ja bei der Aktion, die man beschönigend „Sterbehilfe“ nennt.

Seltsam ist nur: Bei einem 16jährigen Mädel, das sich aus Liebeskummer umbringen will, weil sie sich auf immer verletzt sieht, zu der würde keiner sagen: „Ja, hast recht.
Deine Würde kannst Du nur wahren, wenn Du diesem Leid selbstbestimmt ein Ende machst. Hier hast Du eine Ampulle gelöstes Natrium-Pentobarbital, – du kennst doch diese Hütte im Wald; da hast du die Ruhe dazu.“ – Jesus würde sagen: Wer einen jungen Menschen so „zum Abfall verführt, für den wäre es besser, dass ihm ein Mühlstein an den Hals gehängt und er ins Meer geworfen würde.“ (Mk 9,42). Aber was berechtigt dann zur tödlichen Selbstbestimmung? Altersreife? Muss man über vierzig oder über fünfzig sein? Oder gilt nur körperliches, nicht aber seelisches Leid, um sich „berechtigt“ umzubringen? Kaum, denn der Sterbewillige im Film „Gott“ war kerngesund.

Die Befürworter der Sterbehilfe argumentieren mit dem Recht auf Selbstbestimmung. – Gegner der Sterbehilfe sagen, es gehe letztlich nur um die Angst und die könne man den Menschen mit Palliativmedizin, als Schmerzbetäubung nehmen. Was hier ignoriert wird ist, dass es nicht nur um die Angst vor dem Schmerz geht, sondern um die Angst, sich in die Hände anderer auszuliefern, sein Schicksal aus der Hand zu geben. – Nun – die zweite Variante gibt sich gern als die „christliche“ aus. Aber ist sie es auch? – Beide Positionen gleichen sich ja darin, dass sie sagen: Würde und Leid schließen sich aus. Beide sagen: Lieber Norbert, wir verhindern, dass Du leidest, und genau so erhalten wir deine Würde. Genau das, liebe Gemeinde, ist aber nicht christlich. – Ich muss hier den ansonsten recht katholisch-verstockten Bischof aus dem Stück „GOTT“ zitieren: „Leben bedeutet
zu leiden. Das Christentum, wenn man es ernst nimmt, ist die Religion des Leidens. Das ist schwer und passt nicht in die Moderne.“ Damit hat er recht.

Ich lese Ihnen jetzt den Bibeltext, der den Karfreitag mit der Sterbehilfe zusammenbindet. Paulus schreibt im 2. Brief an die Korinther im 4. Kapitel: V. 8-12.17

„Wir sind von allen Seiten bedrängt, aber wir ängstigen uns nicht. Uns ist bange, aber wir verzagen nicht. Wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen. Wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um. Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserm Leibe, damit auch das Leben Jesu an unserm Leibe offenbar werde. Denn wir, die wir leben, werden immerdar in den Tod gegeben um Jesu willen, damit auch das Leben Jesu offenbar werde an unserm sterblichen Fleisch. So ist nun der Tod mächtig in uns, aber das Leben in euch. Denn unsre Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit.“

2. Korinther 4,8-12.17

Was heißt das? Es heißt: Der Christenmensch hat seine Würde gerade darin, dass er das Schicksal seines Herrn teilt. „Wir tragen allezeit – allezeit! – das Sterben Jesu an unserem Leibe, damit auch das Leben Jesu an unserm Leibe offenbar werde.“ Wahres Leben gibt es also nicht als Gegensatz zum Leiden, sondern gerade das Leid, das im Glauben getragene Leid, gebiert das wahre Leben. „Denn unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit.“

Diese Wahrheit verraten die Kirchen immer dann, wenn sie den christlichen Glauben als Wellness-Kur für ein erfülltes oder glückliches Leben anpreisen. Nicht Glück, sondern Leidensfähigkeit ist ein untrügliches Kennzeichen von Christsein. Die Altvorderen haben das gewusst: „Und wer dies Kind – das Jesus-Kind – mit Freuden umfangen, küssen will, muss vorher mit ihm leiden groß Pein und Marter viel, danach mit ihm auch sterben und geistlich auferstehn, das ewig Leben erben, wie an ihm ist geschehn.“ So habe ich’s vorhin gesungen. Darum genau geht es. Und wir sehen: Es geht da schon um Glück, sogar Glücksgefühle: Das Kind, Christus, umfangen, küssen, das ewige Leben erben. So kann man die Hoffnung unseres Glaubens schon ausdrücken. Ihre Stärke besteht aber nicht darin, Leid auszuschließen, sondern es zu bestehen. Aber warum leiden – und wozu? Ist Gott ein Sadist? Darauf läuft’s doch hinaus. Und gerade angesichts der Kreuzigung Jesu ist dieser Vorwurf oft schon erhoben worden.

Damit die Sache nicht theoretisch bleibt, wende ich mich an Norbert Steiner und versuche ihm zu erklären, warum er lieber leidend sterben sollte als sich umzubringen. – Gott bewahre mich davor, dabei zynisch zu werden oder etwas zu sagen, was ich selbst nicht mehr hören könnte, wenn mich eine Krebsdiagnose träfe. – Also los: Lieber Herr Steiner, Ihre Lage ist zum Verzweifeln. Das sehe ich. Da gibt’s auch nichts zu beschönigen. Auch ich würde wahrscheinlich an Ihrer Stelle in ein paar Monaten in ein Hospiz gehen. Niemand braucht mehr leiden als nötig, auch kein Christ. Aber – Sterben ist auch im Hospiz nicht schön. Sie werden wegdämmern, Ihr Bewusstsein wird vielleicht getrübt werden. Ihr Aussehen, Ihre Geräusche, Ihre Gerüche, – Sie werden recht erbarmungswürdig daliegen. Und Sie fragen sich jetzt, warum Sie diese letzte Lebensphase des Verfalls mitmachen sollten? Tiere schläfert man auch ein, aus humaner Tierliebe.

Ich weiß nicht, ob Sie ein überzeugter Christ sind, Herr Steiner, aber nehmen wir mal an, Sie versuchen sich jetzt mal wirklich, in den christlichen Glauben reinzudenken. Also nicht in so ein Chrismon-Gutelaune-Christentum zum Leute-Anfüttern, sondern wirklich in den hardcore Glauben, wie er in der Bibel steht.
Da haben wir Jesus, den Menschen, mit dem Gott sich 1 zu 1 identifziert. In ihm zeigt Gott, was er von uns will und was er für uns will; anders gesagt: Gerechtigkeit und Liebe. Und an diesem Menschen behandelt er das Problem, dass der Mensch normalerweise erstmal Gerechtigkeit und Liebe gar nicht haben will, sondern Ego, Ego, Ego. Die Bibel nennt das Sünde.

„Stop, Pfarrer, unterbricht mich Herr Steiner, „ich sitze auf dem Stein hier oben, nicht weil ich besonders lieblos oder ungerecht bin, ich bestimmt nicht, sondern ich sitze hier, weil ich verrecke. Willst du mir sagen, ich hätte den Krebs, weil ich so ein Super-Egoist bin? Was du da erzählst von Sünde, Liebe und dem Schmarrn – das ist bereits zynisch. Also geh weg und lass mich in Ruhe!“ Herr Steiner, sorry, so war’s nicht gemeint. Sie haben recht, ich erspar mir den Anmarsch-Weg. Aber noch lass ich nicht locker. – Mit Ihrem Leiden sind Sie nicht nur unter Menschen, sondern sogar bei Gott nicht allein. Jesus hat gelitten, Folter bis zum Tod am Kreuz. Und auch er war verzweifelt. Aber er hat es ausgehalten, weil er erkannt hat: Nur so kommt die Gottlosigkeit dieser Welt zu Ende, wenn ich den Preis dafür bezahle. Und der Preis dafür, Gottes Liebe und Gerechtigkeit abzuwürgen, der Preis dafür kann nur der Tod sein.

„Und das soll ich getan haben, dieses Abwürgen?“, fragt Steiner. – Pfr.: „Naja, nicht nur Sie speziell, aber Sie auch. Sie sind sicherlich kein Haupttäter, aber Mitläufer. Ob KfZ-Mechaniker oder Pfarrer. Wir sind alle Mitläufer. Es ist die Grundhaltung, in der die Menschheit sich vorfindet. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie davon nichts in sich haben. – „Naja …“
So, und Gott kann über die Gottlosigkeit nicht einfach hinweggehen. Er muss sie richten, sonst wäre er nicht gerecht. Und wie gesagt: Da alles Leben von Gott kommt, bedeutet Gott-Losigkeit: Tod. Paulus meint: durch den Menschen ist die ganze Welt dem Tod verfallen und seufzt unter der Sünde des Menschen. Das ist ja gar nicht so schlecht nachzuvollziehen, wenn man an die ganze Umwelt-Sache denkt.“ – „Du schweifst schon wieder ab, Pfaffe: Ich soll in ein bis zwei Jahren tot sein! Die Umwelt interessiert mich grad einen Dreck.“

„Hm, ok, also Jesus hat diesen Tod der Gottlosen auf sich genommen, weil der Tod der Ort ist, wo wirklich alles menschliche Werkeln, Tüfteln, Schaffen, Leisten, Gestalten, Vermurksen zu Ende ist. Im Sterben bin ich so passiv wie der Erdklumpen, aus dem Gott den Adam geformt hat. Im Tod kann ich nur noch eines: empfangen. Genau an den Punkt wollte Jesus.“ – „Na bravo! Eigentor, Pfarrer! Da will ich auch hin, gib mir das Gift, dann bin ich dort!“ „Eben nicht, Steiner! Denn statt zu empfangen, bestimmst du eigenmächtig, wie’s laufen soll und bist gerade nicht passiv. Jesus blieb passiv – er ist sogar am Kreuz verzweifelt – aber dann hat er empfangen: Gott hat ihm an Ostern ein neues, ein völlig neuartiges Leben gegeben. Kurz: In Jesus hat sich Gott den Weg gebahnt zu uns. Und Jesus hat uns durch Karfreitag und Ostern den Weg gebahnt zu Gott.“ – „Was Pfarrer reden können … So, aber jetzt bring’s mal auf den Punkt, also auf mich endlich; – mir geht nämlich die Geduld aus!“ „Ok, Herr Steiner, der Punkt tut aber weh: Ihr Krebs ist ein Splitter vom Kreuz Jesu. Sie leiden Gottes Urteil über uns sündige Menschen – mit Jesus mit – und wie er es aushielt und am Kreuz fixiert aushalten musste, – so sind Sie in die Nachfolge gerufen, zum Leiden, zum Sterben und damit zum radikalen Empfangen. Gerade so bleiben Himmel, Frieden, ewiges Leben ‘ Ihre Hoffnung, begründet in der Ostertat Gottes. Und diese Hoffnung ist keine Vertröstung, sondern Trost im Leiden selbst. „Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserem Leibe, damit auch das Leben Jesu an unserem Leibe offenbar werde.“ – Und „Leib“, das heißt: schon hier in der Welt vor dem Tod. Also hier im Leid des Leibes, im Leib des Leidens, kann das Leben Jesu schon an uns und in uns aufleuchten. Etwa, wenn wir mit unserer Hoffnung anderen Hoffnung geben. Indem wir ausstrahlen, dass jetzt nichts mehr an uns, aber alles an Gott liegt. Und mit in den Tod – nehmen wir die Verheißung, dass wir – so wie wir mit Christus gestorben sind, auch mit ihm leben werden. (Röm 6,8)

Herr Steiner, hören Sie überhaupt noch zu? – „Jaja. – Und weißt Du, Pfarrer, was mir aufgefallen ist? So wie ich hier oben sitze, sehe ich schon fast aus wie dein Jesus. Komisch was?“ – „Äh, ich wollt‘ ja nichts sagen, aber das is mir gleich schon aufgefallen. Das könnte ja der erste Schritt sein in die richtige Richtung, also in die Nachfolge Jesu. – Alles Gute, Herr Steiner, gute Besinnung, gute Entscheidung! Gott mutet Ihnen was zu; das sehe ich. Aber er traut Ihnen auch was zu. Und er hat mit Ihnen noch was vor; viel vor.“

Amen.

Dr. Matthias Dreher, Pfarrer