Predigt zum Erntedankfest: „Der Segen des Gebens“

Von Pfarrerin Gabriele Edelmann-Richter am 03.10.2021 in der Stephanuskirche in Gebersdorf

Sonnenblumen am Altar der Stephanuskirche

Liebe Gemeinde,

Das Erntedankfest steht auf der Beliebtheitsskala der kirchlichen Feste ganz weit oben!
Übertroffen wird es nur vom Weihnachtsfest, bei manchen Kirchgängern evtl. noch vom Osterfest.
Diese drei Feste werfen ihre Schatten schon Wochen vorher voraus, bis sie dann am Festtag all ihre Pracht und ihren Glanz auch in den geschmückten Gotteshäusern zeigen.

Wenn wir uns heute hier umschauen, so können wir staunen über die wunderbaren Früchte der Felder und die leuchtenden Blumen der Gärten.

Erntedankaltar in der Stephanuskirche mit verschiedenen, geernteten Gemüsesorten


Am Freitagvormittag waren schon die Kindergartenkinder mit ihrem Bollerwagen hier in unserer Stephanuskirche und haben sich in einem abwechslungsreichen Gottesdienst über die eingesammelten Erntedankgaben bedankt und gefreut. 

Heute am Erntedanksonntag feiert die ganze Gemeinde auch unser Gemeindefest. 
Wir sind dankbar, dass wir uns endlich wieder versammeln dürfen und wir sind dankbar, dass wir trotz klimatischer Veränderungen noch keine Not leiden müssen.

Deshalb können wir heute ein Fest der Sinne feiern:
die Augen können sich satt sehen an der bunten Vielfalt der Früchte und Blumen, die Ohren freuen sich an der wunderbaren Musik, die uns durch das ganze Fest begleitet, sogar unsere Nasen und unser Gaumen werden sich nachher freuen über den köstlichen Bratwurstduft.

Ja, und dann ist da noch unser Predigttext zum Erntedankfest, der Dank und Freude aufnimmt.
Geschrieben hat ihn der Apostel Paulus in seinem 2. Brief an die Gemeinde von Korinth.
Ich lese die Übersetzung aus der Basisbibel:

Liebe Korinther,
das aber sage ich euch: „Wer spärlich sät, wird spärlich ernten. Und wer reichlich sät, wird reichlich ernten.“
Jeder soll so viel geben, wie er sich selbst vorgenommen hat. Er soll es nicht widerwillig tun und auch nicht, weil er sich dazu gezwungen fühlt. Denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb!
Gott aber hat die Macht, euch jede Gabe im Überfluss zu schenken. So habt ihr in jeder Hinsicht und zu jeder Zeit alles, was ihr zum Leben braucht. Und ihr habt immer noch mehr als genug, anderen reichlich Gutes zu tun.
So heißt es ja in der Heiligen Schrift: „Er verteilt Spenden unter den Armen. Seine Gerechtigkeit steht fest für immer.“
Gott gibt den Samen zum Säen und das Brot zum Essen. So wird er auch euch den Samen geben und eure Saat aufgehen lassen. Euer gerechtes Handeln lässt er Ertrag bringen.
Er wird euch so reich machen, dass ihr jederzeit freigiebig sein könnt. Und aus Eurer Freigiebigkeit entsteht Dankbarkeit gegenüber Gott, wenn wir eure Gaben überbringen.
Denn die Ausübung dieses Dienstes lindert nicht nur Mangel, an dem die Heiligen leiden. Sie ist auch deshalb so wertvoll, weil sie große Dankbarkeit gegenüber Gott bewirkt.
Weil ihr euch in diesem Dienst so bewährt habt, werden sie Gott loben. Denn daran sehen sie, dass ihr euch gehorsam zu der Guten Nachricht von Christus bekennt. Und an eurer Freigiebigkeit merken sie, dass ihr mit ihnen und allen Gemeinschaft haltet.
Und wenn sie für euch beten, werden sie das voll Sehnsucht nach euch tun. Denn sie haben erkannt, dass Gott euch in so reichem Maße seine Gnade geschenkt hat.
Dank sei Gott für seine Gabe, die so unbeschreiblich groß ist!

2. Kor. 9,6-15

Liebe Stephanus-Gemeinde,

nachdem Sie diesen Briefausschnitt des Paulus gehört haben, werden nicht nur die Konfirmandinnen und Konfirmanden denken: So ein Durcheinander – ganz schön schwierig dieser Text. Was will Paulus seiner Gemeinde in Korinth eigentlich sagen?

Den Älteren unter Ihnen wird aber dann doch der Satz: 
„Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb!“ bekannt sein.
In früheren Jahren wurde er immer nach dem Verlesen der Kollekte gesprochen.

So viel können wir spontan sagen:
Dieser Briefabschnitt ist ein Spendenaufruf!
Ja, das gab es auch schon vor 2000 Jahren.
Paulus bekam vom Apostelkonzil im Jahr 48 n. Chr. in Jerusalem den Auftrag, in seinen neu gegründeten Gemeinden im Mittelmeerraum Spenden für die Urgemeinden zu sammeln. Die neu gegründeten Gemeinden sollten sich dadurch solidarisch zeigen, sie sollten ein Gespür bekommen, was es heißt, als Einheit der Christen im Römischen Reich aufzutreten.

Wenn wir den Paulinischen Spendenaufruf genauer unter die Lupe nehmen, sehen wir, dass Paulus ein Meister des Worts war. Er jonglierte schon damals mit Worten wie „spärlich, Zwang oder widerwillig“ und setzte diesen geschickt die Worte „fröhlich, im Überfluss, reichlich und gerecht“ gegenüber, um die Aufmerksamkeit seiner Hörer zu gewinnen.
Es fällt auf, dass Paulus dabei mehr positive Gedanken verwendet.
So schafft er es, aus einem nüchternen Spendenaufruf ein Bekenntnis zum Leben zu machen.
Es geht ihm nicht darum, dass die Hörer zum Geben aufgefordert werden und ihnen dann auch noch befohlen wird, dabei fröhlich zu sein. Nein.
Der eigentliche fröhliche Geber ist Gott!
Die Vielzahl an schönen Worten stehen für die Gaben, die wir Menschen im Überfluss von Gott bekommen haben. 
Denn eigentlich braucht es nicht viel, damit wir glücklich sind und damit wir andere glücklich machen können.
Die beiden großen Kirchen folgen sowohl an Weihnachten als auch am Erntedankfest dem biblischen Spendenaufruf des Paulus. Es ist Tradition, dass wir auch an die christlichen Kirchen in Übersee denken. 
Wir Christen hier in Deutschland zeigen uns mit unseren Spenden solidarisch mit unseren Glaubensbrüdern und Schwestern in den von der Pandemie oder von Bürgerkriegen schwer traumatisierten Gemeinden.
Das hat dann auch gar nichts mit eigener Gewissensberuhigung, selbstgefälliger Almosengabe oder gar Steuerersparnis zu tun. 
Am Erntedankfest halten wir inne und uns wird klar, dass wir hier in unserem Land mit allen Gütern reich gesegnet sind und – aus Dankbarkeit darüber – gerne geben können!

„Wer reichlich sät, wird reichlich ernten!“

Das schreibt Paulus den Korinthern, das gilt auch für uns!
Durch unsere Freigiebigkeit zeigen wir uns Gott gegenüber dankbar dafür, was wir von ihm zum Leben erhalten haben.

Natürlich ist es an den Tagen, an denen es uns gut geht, an denen wir gute Laune haben, einfach, sich als ein Beschenkter zu fühlen und etwas abzugeben.
Schwierig wird das Ganze, wenn uns die Lust am Leben vermiest wird, wenn wir selbst grad den Boden unter den Füßen verloren haben.
Dann wird es schon mal eng um’s Herz, dann fehlt die Kraft, auch noch an andere zu denken.
Paulus aber hält dagegen: Wenn wir uns ausgelaugt fühlen, ja fast schon wie welk den Kopf hängen lassen, dann dürfen, ja sollen wir uns in den Sommerregen des Wortes Gottes stellen.
Was dann passiert, weiß jeder, der einen Garten oder Balkonpflanzen hat: Langsam aber sicher werden wir uns aufrichten, saugen all die guten Nährstoffe auf, die uns dann wieder aufrecht durch’s Leben gehen lassen:

Wir blühen auf durch die Liebe, die uns geschenkt wird, 

wir blühen auf durch den Frieden, den wir mit anderen Menschen haben,

wir blühen auf durch die Zufriedenheit darüber, dass unser Glas doch halb voll ist und

wir blühen auf, wenn wir unsere Augen über all die herrlichen Erntegaben wandern lassen!

Der Segen Gottes ist die Lust am Leben!

Gott will seinen Segen über uns ausschütten für all unser Mühen, Arbeiten und Schaffen.

Liebe Gemeinde, ich bin mir sicher, wenn wir dies begreifen, wird es ein Leichtes sein, unsere Dankbarkeit gegenüber denen zu erweisen, die selbst nicht auf die Beine kommen.
Wenn Menschen in ganz Bayern heute eine Spende für „Mission eine Welt“ oder die Welthungerhilfe geben, dann geschieht Dank. Gelebter Dank!

Brot auf dem Altar der Stephanuskirche mit der Aufschrift "UNSER TÄGLICH BROT"

Und denken Sie daran: gelebter Dank macht glücklich!

Amen

Gabriele Edelmann-Richter, Pfarrerin