Die drei „Gs“ des Neuen Testaments

Von Pfarrerin Gabriele Edelmann-Richter am 15.08.2021 (11. Sonntag nach Trinitatis) in der Stephanuskirche in Gebersdorf

Liebe Gemeinde,

sind Sie geimpft, genesen oder getestet?

Diese drei „Gs“ schweben seit etlichen Wochen über unseren Köpfen. Wir haben sie gerade in der Urlaubszeit, in der doch viele wegfahren wollen, schon verinnerlicht. Die drei „Gs“ geben uns nach Maßgabe der Politiker Zugang zu Orten und Veranstaltungen, die wir ohne einen Nachweis nicht besuchen dürfen.
Aufwändig und manchmal lästig sind sie und doch geben uns die drei „Gs“ die Möglichkeit – zumindest für ein paar Wochen – ein entspanntes Leben zu führen.

In der Bibel stehen drei „Gs“, die uns unser ganzes Leben lang „Entspannung“ versprechen:

Predigttext

Aber Gott, der reich ist an Barmherzigkeit, hat in seiner großen Liebe, mit der er uns geliebt hat, auch uns, die wir tot waren in den Sünden, mit Christus lebendig gemacht
aus Gnade seid ihr gerettet – und er hat uns mit auferweckt und mit eingesetzt im Himmel in Christus Jesus, damit er in den kommenden Zeiten erzeige den überschwänglichen Reichtum seiner Gnade durch seine Güte gegen uns in Christus Jesus. Denn aus Gnade seid ihr gerettet durch Glauben,
und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es, nicht aus Werken, damit sich nicht jemand rühme.
Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, dass wir darin wandeln sollen!

Epheserbrief 2,4-10

Liebe Gemeinde,
würden wir bei diesem Text, der voll mit theologischen Begriffen ist, die Methode des Bibelteilens anwenden, welche einen Text auf die Kernaussage hin reduziert, würden Sie genau die drei „Gs“ des Neuen Testaments heraushören:

aus Gnade gerettet,

durch den Glauben an Jesus Christus,

geschaffen zu guten Werken!

Hinter diesen Worten steckt die ganze Erkenntnis des Apostels Paulus,
welche auch Martin Luther sein ganzes Leben lang beschäftigt hat.
In seinen jungen Jahren versuchte Luther auf unterschiedlichste Art und Weise einen gnädigen Gott zu finden. Er pilgerte, er spendete, schließlich ging er ins Kloster und kasteite sich dort, bis ihm sein Ordensvorgesetzter Johann Staupitz das Kreuz Christi ans Herz legte und ihm sagte: Allein aus Gnade –  bist du schon erlöst!

Immer wieder höre ich in Gesprächen, dass sich kirchenferne Menschen fragen, was es denn eigentlich bringe, engagiert in Kirche und Gemeinde mitzuarbeiten, was hätten Ehrenamtliche davon?
Ich antworte darauf gerne, dass das Mitwirken und Tun Zufriedenheit bringt, es gibt dem Leben einen tiefen Sinn.
Bei Älteren höre ich oft die Frage: Bring ich’s denn noch? Kann ich noch lange mithalten?
In der Firma – in der Familie – in der Partnerschaft?
In unserem Epheserbrief steht: „Ihr seid aus Gnade gerettet!“
Nicht die Leistung zählt, auch nicht wie lange ihr mit anderen mithalten könnt, nicht, ob wir den Menschen genügen – auch nicht, ob wir mit uns selbst zufrieden sind!
Jeder Atemzug, den wir machen, ist eine Gabe Gottes, jeder Tag, den wir erleben dürfen, ist ein Geschenk Gottes.
Für Gott sind wir wertvoll, jede und jeder von uns, wir sind ihm kostbar, ohne jegliche Bedingung!

In unserem Epheserbrief heißt es dann weiter: „Gott hat uns mit Christus lebendig gemacht, auferweckt und im Himmel miteingesetzt.“
Das klingt doch super!
Ein Theologe hat das auf folgenden Nenner gebracht: „Wer sich im Himmel auskennt, der kommt auch auf der Erde zurecht!“
So einfach ist das!
Wo aber erlebe ich das – auferweckt zu sein, mit Christus gar einen Platz im Himmel zu haben?
Meine Antwort darauf:
Natürlich im sonntäglichen Gottesdienst!
In jedem Sonntagsgottesdienst feiern wir die Auferstehung Jesu.
Und dabei sind wir eingebettet in unsere Gemeinde, in die Gemeinschaft der Gläubigen, die Generationen von Menschen umfasst, in einem Sinne auch vereint mit allen Christen auf der Erde, die Gott loben, aber auch klagen und immer wieder getröstet und gestärkt werden.
Das kann durch die Vielfalt der biblischen Hoffnungsgeschichten geschehen oder durch die Feier des Heiligen Abendmahls, welches uns ganz intensiv mit hinein nimmt in den Glauben an den Auferstandenen.

Einen Platz im Himmel haben, das wird auch jedem Täufling zugesprochen:
Freut euch, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind!
Gestern wurde hier in unserer Stephanuskirche wieder ein Kind getauft. Sowohl für mich als Pfarrerin als auch für die Familien ist das immer ein ganz besonderes Ereignis.
Aus der Taufe heraus kommt der neue Mensch, der alte Adam wird durch das Taufwasser ersäuft. So hat es Martin Luther beschrieben: der neue Mensch tritt lebendig hervor und ist vereint mit Christus!
Dieser Zuspruch und die Verheißung von Gottes Segen für den Lebensweg, das sind Worte mit unbeschreiblicher Kraft!

Liebe Gemeinde,

jetzt fehlt noch das dritte „G“ in unserem Epheserbrief:

 „Geschaffen zu guten Werken“

Damit wird noch einmal klar gemacht, dass wir aus menschlicher Anstrengung und Kraft heraus Gottes Güte und Liebe nicht verdienen können. Weder meine Leistungen noch meine Versäumnisse machen mich vor Gott zu dem, was ich bin, sondern allein aus Gnade, d.h., es ist allein Gottes Geschenk, das uns ihm genehm macht.

„To do-Listen“ kann ich da getrost beiseite legen, Optimierungsplanungen kann ich verwerfen, ich muss weder mich noch andere kontrollieren.

Allein an den Schöpfergott glauben und seinem Sohn vertrauen!

Klingt schon wieder einfach und ist doch manchmal so schwer!
Irgendwie möchten wir uns doch für eine Sache einsetzen,  zumindest Danke sagen für ein Geschenk.
Die Antwort der Bibel lautet: Aus Dankbarkeit kannst Du gute Werke tun! Wenn du Gottes Gnade verspürst, dann bist du frei, dann bist du stark, dann schaffst du es, auch für andere Menschen etwas zu tun.
An dieser Stelle könnten sicher viele von Ihnen Geschichten erzählen, die davon handeln, dass Sie frei aus allen Stücken anderen zur Seite standen, ohne etwas von Gott oder von den Menschen erwartet zu haben.

Ich möchte meinerseits eine kleine Geschichte erzählen:

Vor einigen Wochen hatte ich einen Einsatz in der Notfallseelsorge. Es war Sonntag. Ich hatte hintereinander zwei Gottesdienste und noch zwei Taufen am Vormittag zu halten. Gegen 13.00 Uhr kam ich nach Hause, aß mit meiner Familie zu Mittag und freute mich auf einen entspannten Nachmittag.
Aber kaum hatte ich den letzten Bissen zu mir genommen, erhielt ich den Anruf.
Ich wurde zu einer hochbetagten Dame gerufen, die gerade ihren Sohn verloren hatte. Völlig hilflos, wusste sie nicht, was sie nun machen sollte.
Es handelte sich um einen dramatischen Rettungseinsatz mit Feuerwehr und Polizei. Die schockierte Dame saß verzweifelt in ihrer Wohnung.
Ich wurde gebeten bei ihr zu bleiben bis … ja, wie lange eigentlich …?
Schließlich blieb ich bei ihr bis in die Nacht hinein, bis ich nach zermürbenden Telefonaten zu später Stunde endlich einen Heimplatz für die alte Dame aufgetrieben hatte.
Von einem entspannten Sonntag war da nicht mehr die Rede.
Das Schicksal der alten Dame aber machte mich so betroffen, dass es für mich ganz klar war, bei ihr zu bleiben. Ob mich nun der Himmel zu dieser betagten Dame geschickt hat, so wie sie es immer wieder betonte, das weiß ich nicht.
Aber es gibt ja Dinge zwischen Himmel und Erde, die können wir nicht begreifen, nur glauben!

An diesem Tag kamen mir die Worte der evangelischen Theologin Dorothee Sölle in den Sinn:
„Christus hat keine Hände, nur unsere Hände, um seine Arbeit heute zu tun.
Er hat keine Füße, nur unsere Füße, um Menschen auf seinen Weg zu führen.
Christus hat keine Lippen, um Menschen von ihm zu erzählen.
Er hat keine Hilfe, nur unsere Hilfe, um Menschen an seine Seite zu bringen.“

Liebe Gemeinde,
wir sind durch Christus erlöst – befreit – auferweckt und können das Gute tun,
nicht, damit wir einen Platz im Himmel bekommen,
sondern weil wir schon einen Platz im Himmel haben!

Amen.

Gabriele Edelmann-Richter, Pfarrerin