Predigt zum Erntedankfest 2020
von Pfarrerin Gabriele Edelmann-Richter
Liebe Gemeinde,
Kennen Sie Taizé?
Der Schweizer Theologe Roger Schutz gründete dort im frz. Burgund während des 2. Weltkriegs eine christliche Kommunität.
Anfangs nur eine Aufnahmestation für Flüchtlinge, entwickelte sich Taizé im Lauf der Jahre zu einem Ort für internationale Jugendbegegnungen.
Zu Nicht-Corona-Zeiten sind es jedes Jahr mehrere zehntausend Jugendliche, die dort gemeinsam beten, melodische Lieder singen, sich über die Bibel Gedanken machen und natürlich gemeinsam essen.
Als Religionslehrerin habe ich jedes Jahr Werbung für einen Taizé-Aufenthalt gemacht. Die zurückgekommenen Schülerinnen und Schüler erzählten mir dann begeistert von dem überwältigenden Gemeinschaftsgefühl, welches sich dort schnell entwickelte.
Die Qualität des Essens löste nicht immer Begeisterungsstürme aus, doch die Tatsache, dass alle gemeinsam das Einheitsessen zu sich nahmen, alles geteilt wurde, was auf den Tischen lag, und keiner hungern musste, faszinierte die Jugendlichen immer wieder.
In unserem heutigen Predigttext geht es auch ums Teilen, ums Essen und ums Sattwerden.
Mk 8,1-9 (BasisBibel):
– Zu dieser Zeit war wieder eine große Volksmenge bei Jesus zusammengekommen.
Da die Menschen nichts zu essen hatten, rief Jesus die Jünger zu sich. Er sagte zu ihnen: „Die Volksmenge tut mir leid. Sie sind nun schon drei Tage bei mir und haben nichts zu essen. Wenn ich sie hungrig nach Hause schicke, werden sie unterwegs zusammenbrechen – denn einige sind von weither gekommen.“ Seine Jünger antworteten ihm: „Wo soll in dieser einsamen Gegend das Brot herkommen, um diese Leute satt zu machen?“
Und er fragte sie:“ Wieviel Brote habt ihr?“
Sie antworteten: „Sieben“
Und er forderte die Volksmenge auf, sich auf dem Boden niederzulassen. Dann nahm er die 7 Brote. Er dankte Gott, brach sie in Stücke und gab sie seinen Jüngern zum Verteilen. Und die Jünger teilten das Brot an die Volksmenge aus.
Sie hatten auch noch einige kleine Fische. Jesus sprach das Segensgebet über sie und ließ sie ebenfalls austeilen. Die Menschen aßen und wurden satt.
Danach sammelten sie die Reste und füllten damit sieben Körbe. Es waren etwa 4000 Menschen.
Jetzt schickte Jesus sie nach Hause. –
Liebe Gemeinde,
hier machen also 7 Brote und einige Fische 4000 Menschen satt. Und – unglaublich… hinterher bleiben noch 7 Körbe mit Brotresten übrig!
Nach heutiger Erkenntnis können wir nicht sagen, wie so etwas möglich war. Die Zahl 7 steht in der Bibel für Ganzheitlichkeit, aber wir wissen nicht, was hinter der geheimnisvollen Zahl 4000 steckt.
Für uns Zuhörer lautet die Botschaft nur: Jesus und seine Freunde verköstigen alle, die da sind!
Jesus spricht das Dankgebet, teilt das Brot und segnet die Fische. Danach machen Jesu Zuhörer die tiefgehende Erfahrung – im wahrsten Sinn des Wortes – das Brot des Lebens zu bekommen. Das was sie brauchen, das was ihnen jetzt weiterhilft. Jesus sorgt sich um die Menschen!
Er lässt seinen Worten Taten folgen!
Vielleicht wird er dabei unterstützt: einige kramen evtl. in allen ihren Taschen und finden soviel, dass sie es gerne an ihren Nachbarn weitergeben. Oder manch einer kauft sich noch im nächsten Dorf von seinen letzten Silberlingen etwas Essbares. Das Wenige, das die Zuhörer Jesu haben, teilen sie miteinander!
Liebe Gemeinde,
In unserem heutigen Gottesdienst geht es auch ums Essen.
Wenn wir uns hier umschauen, sehen wir auf dem Altar, neben dem großen Laib Brot, Gemüse und Obst, das in diesem Jahr über den Sommer hinweg gewachsen ist.
Aber das alles wächst nicht einfach so. Wir sind hier nicht im Schlaraffenland!
Bis wir auf unserem Tisch das Essen anbieten können, steckt viel Arbeit und viel Segen dahinter!
Ich habe Ihnen heute eine Bildkarte mitgebracht.
Darauf ist ein Gemälde des Künstlers Paul Gauguin zu sehen, welches er im Jahr 1890 gemalt hat.
Das Bild zeigt Bauersfrauen bei der Ernte. Wir sehen in der Mitte ein bewegtes, goldgelbes Kornfeld.
Die Frauen tragen ihre Arbeitsschürzen und bücken sich tief, um mit Sicheln die Ähren zu schneiden und zu bündeln. Diese Arbeit ist mühevoll.
Rechts auf der Wiese ist ein Hund zu sehen. Aufmerksam schaut er umher. Vielleicht wartet er darauf, dass in der Mittagspause auch für ihn etwas abfällt.
Stellen Sie sich mal vor, Sie stehen auf einer Anhöhe und blicken von dort oben herunter auf die Szenerie.
Lassen Sie Ihren Blick in die Ferne schweifen. Sie erkennen das Meer in den kräftigen Blautönen. Ihre Augen können sogar das Ufer auf der anderen Seite erkennen.
Die satten Farben der Ähren erinnern uns an die lange Zeit des Wachsens. Viel Kraft und Energie sind in die Ähren geflossen, bis sie jetzt von den Frauen geerntet werden können.
Wir müssen keine Bauern sein, Hobbygärtner zu sein genügt auch schon, wenn wir nachvollziehen wollen, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, bis das Getreide geerntet werden kann und wir daraus Brot backen können.
Der Bauer muss pflügen, eggen, säen, düngen.
Dann gibt er das Wachstum in Gottes Hand. Er ist es, der den Regen, die Sonne und den Wind schenkt!
Erst dann tritt der Mensch wieder in Aktion: Er erntet das Gewachsene und verarbeitet die Gaben.
Unser Blick geht wieder zurück zum Bild:
Wenn wir genau hinsehen, entdecken wir Segelboote.
In Verbindung mit unserem Predigttext könnten es Fischerboote sein, deren Besatzung sich auch erst einmal viel Mühe machen muss, um mit vollen Netzen heimzukommen.
Trotz der vielen Schweißperlen, die wir durch unser Nachdenken erahnen, strahlt das Bild eine wunderbare Ruhe aus. Die satten Farben mögen ihres dazu tun.
Aber da ist noch etwas, was dieser Ruhe zur Geltung verhilft!
Ich denke, es ist das Vertrauen. Das Vertrauen auf den Schöpfergott, der uns Menschen Saat und Ernte, Sommer und Winter, Frost und Hitze, Tag und Nacht verheißt und gibt.
Das ist es, wofür wir heute Gott danken können, auch in diesem verrückten Corona Jahr. Trotz Hitzewellen und Trockenperioden haben wir in unserem Land ausreichend ernten können. Die Pandemie hat sich zu keiner Notlage mit Hungersnot entwickelt. Bis jetzt wurde die Krise in unserem Land gut gemeistert.
Und so können wir an Erntedank Gott noch für viel mehr Dinge danken.
Im Kleinen Katechismus, dem kleinen Lehrbuch mit den 5 Hauptstücken unseres evangelischen Glaubens, schreibt M. Luther in seiner Auslegung des Vaterunsers zur Bitte um unser tägliches Brot folgendes:
Unser täglich Brot ist „alles, was not tut für Leib und Leben, wie Essen, Trinken, Kleider, Schuh, Haus , Hof, Acker, Vieh, Geld, Gut, fromme Eheleute, fromme Kinder, fromme Gehilfen, fromme und treue Oberherren, gute Regierung, gut Wetter, Friede, Gesundheit, Zucht, Ehre gute Freunde, getreue Nachbarn und desgleichen.“
Damit möchte Luther die Betenden daran erinnern, dass es in jedem Leben, bei jedem von uns ein Wachsen und ein Ernten, ein Blühen, ein Früchtetragen und ein Verwelken gibt.
Und nicht bei allen fällt die Ernte üppig aus.
Gerade in diesem Jahr kam es bei vielen Menschen zu existentiellen Bedrohungen. Kurzarbeit, Entlassung, Vereinsamung durch zu viel Homeoffice, Spannungen in den Familien, als die Kinder über mehrere Monate zuhause bleiben mussten … ein jeder von uns kann diese Aufzählung mit eigenen Erfahrungen ergänzen.
Was/wer hilft uns da heraus?
In größter Not brauchen wir unbedingt ein sicheres Fundament, auf dem wir stehen können.
Das können gute, echte Freunde sein, die sich auch bei uns melden, wenn kein gemeinsames Spaßprogramm ausgemacht werden kann.
Das können zuverlässige Ansprechpartner wie der Arzt, der Seelsorger, die Pfleger, die Entscheidungsträger in der Politik sein.
Das kann auch die Neuentdeckung der Natur, der Schöpfung Gottes sein.
Viele von uns haben in diesem Jahr auch ihren Garten liebgewonnen oder gehen regelmäßig zum Waldbaden.
Wer überleben will muss umdenken!
Und manch einer hat in diesem Jahr die eigene Spiritualität entdeckt. Das Bedürfnis hier in unserer Kirche zur Ruhe zu kommen, den Kopf frei zu bekommen von Ängsten und Sorgen, um sich ganz von Gott umhüllen zu lassen.
Liebe Gemeinde,
bestimmt gibt es noch mehr, was Sie hier aufzählen können und wofür Sie heute Gott danken können.
Danken für das, was Ihnen eine gute Ernte beschert hat.
AMEN