Sehnsucht nach Gottes Nähe

Monatsspruch September 2021: Ihr sät viel und bringt wenig ein; ihr esst und werdet doch nicht satt; ihr trinkt und bleibt doch durstig; ihr kleidet euch, und keinem wird warm; und wer Geld verdient, der legt's in einen löchrigen Beutel. Haggai 1,6


„Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommele nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“ Vom französischen Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry stammt dieses Zitat. Die Sehnsucht setzt er an den Anfang jedes Tuns. Für Saint-Exupéry ist sie Voraussetzung für das Gelingen eines Vorhabens und zugleich Motivation. Die Sehnsucht kann den Menschen Hoffnung verleihen und gibt ihrem Tun einen Sinn.

Im Alten Testament beschreibt der Prophet Haggai etwas ähnliches. „Ihr sät viel und bringt wenig ein; ihr esst und werdet doch nicht satt; ihr trinkt und bleibt doch durstig.“ Lange Jahre haben die Israeliten im Exil verbracht. Zurück in der Heimat, ermutigt Haggai das Volk dazu, Gottes Tempel in Jerusalem wieder aufzubauen. Denn der alte Tempel war zerstört worden. Und die Israeliten hatten zuerst ihre eigenen Häuser wieder aufgebaut – das war erst mal wichtiger. Und dennoch fehlt etwas. Nach den Erfahrungen in der Ferne beschreibt Haggai die Sehnsucht nach der Nähe zu Gott, seinem Frieden und seiner Gerechtigkeit. Gottes Tempel wieder aufzubauen – das steht dafür, dass Gott bei den Menschen wohnt. Es geht Haggai um die Gemeinschaft mit Gott und ihm im eigenen Leben einen festen Platz zu geben.

Auch Jesus greift dies auf. Im Matthäus­evangelium sagt er: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit, so wird euch alles andere zufallen.“

Detlef Schneider

Ihr sät und bringt doch wenig ein, ihr esst und werdet doch nicht satt …

Der Videogruß von Heinrich Bedford-Strohm, EKD-Ratsvorsitzender

„Ihr sät viel und bringt wenig ein; ihr esst und werdet doch nicht satt; ihr trinkt und bleibt doch durstig; ihr kleidet euch, und keinem wird warm; und wer Geld verdient, der legt’s in einen löchrigen Beutel.“ Das ist der Monatsspruch aus Haggai 1 für den Monat September, der heute beginnt. Es ist ein herausforderndes Bibelwort, aber zugleich ein stärkendes, weil es unseren Blick auf das Wesentliche lenkt: säen, essen, trinken, sich kleiden, Geld verdienen – alles schön. Aber war es das schon? Lohnt es sich, dafür zu leben?

Der Prophet Haggai spricht diese Worte vor 2500 Jahren, als das Volk Israel aus dem babylonischen Exil zurückkommt und neu anfangen will. Haggais Worte leiten seinen Aufruf ein, den Tempel, das Haus Gottes neu aufzubauen. Dass wir das Haus Gottes in uns neu aufbauen, das brauchen wir heute auch. Zählen, essen, trinken, sich kleiden, Geld verdienen ist zu wenig. Unser Leben braucht ein Ziel, braucht einen Sinn. Nur so vor sich hin leben reicht nicht. Wofür leben wir? Wer sein Herz öffnet für Gottes Geist, wer sich von Gott geschaffen und geliebt weiß, der spürt die Antwort: mit und für Gott leben, mit und für den Mitmenschen leben, sich selbst gehalten wissen in einer Hand, die in guten und in schweren Zeiten da ist und auch im Sterben. Das ist die Spur, auf die Haggai uns setzt.

Ich werde die herausfordernden Worte Haggais diesen Monat immer wieder lesen und darüber nachdenken, wofür ich lebe und was meinem Leben Sinn gibt. Und darauf warten, dass ich mitten in diesen Tagen Gottes Geist spüren und Antworten finden werde.

Geht gesegnet und behütet in diesen Tag.

Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm,
Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD