Predigt an Epiphanias

Von Pfarrerin Eva-Maria Kaplick (Nikodemuskirche) am 06.01.2021 in der Stephanuskirche in Gebersdorf

Ein Teddybär ist in der Kindheit wohl sehr häufig ein Trost-Anker

Liebe Gemeinde,

„Botschaft voller Freude und Trost“ – so heißt eine Sammlung von Weihnachtsliedern, die ich sehr mag. Und an dem Wort „Trost“ bin ich hängengeblieben. Es gibt Wörter, die strahlen einen an, und „Trost“ ist so eines. Ja, das haben wir immer wieder nötig. Trost. Besonders wenn der Lockdown verlängert und verschärft wird. Ich möchte mit Ihnen darüber nachdenken, was die tieferen Gründe dafür sein können, warum wir Trost brauchen. Und was uns dann tröstet und was nicht. Heute am Dreikönigstag, zu dem wir Evangelischen lieber Epiphanias sagen, Erscheinungsfest, weil die Bibel weder was von Königen erzählt noch davon dass es drei waren. Aber drei Geschenke haben sie gebracht. Und das ist für mich ein zusätzlicher Aufhänger, um über Trost zu sprechen. Denn Geschenke und Trost haben etwas gemeinsam: Trost ist etwas, das wir uns nicht selbst geben können. Wir können ihn uns nur schenken lassen.
In vielen Familien wird der Christbaum heute Abend leergeräumt und aus dem Zimmer gebracht. Diese besondere Zeit mit ihren Liedern voll Freude und Trost erklingen heute meist zum letzten Mal. Was bleibt von Weihnachten?
Der Trost bleibt uns.
Ich habe mir überlegt, wann ich eigentlich Trost brauche, und solche Situationen vor meinem inneren Auge vorbeiziehen lassen. Das ist mir dabei deutlich geworden: Wenn ich mich klein fühle, brauche ich Trost. Wenn etwas anderes mir zu groß ist: eine Aufgabe, eine Verpflichtung oder andere Menschen. Wenn mich etwas bedrückt. Wenn mir etwas Angst macht. Wenn ich mich gedemütigt fühle, hilflos und allein gelassen, dann sehne ich mich nach Trost. Wenn ich das Gefühl habe, der Boden, auf dem ich vorher selbstbewusst gestanden bin, gut geerdet, wird mir unter den Füßen weggezogen, und ich falle. Dann wünsche ich mir einen, der mich hält, auf den ich mich verlassen kann.
Das Wort kommt aus der gleichen Wurzel wie das englische „trust“: Vertrauen. Dahinter steckt die Vorstellung von einem Vertrag: wie vereinbaren, sich auf einander zu verlassen. Dadurch entsteht ein Fundament. Etwas, das Halt gibt.

Psalm 23

Der Psalm 23 ist für viele Menschen so ein Halt. Er hat schon unzählig viele getröstet.
Der Dichter stellt sich vor, ein Schaf zu sein. „Dein Stecken und Stab trösten mich“ singt er. Den Trost, den Schutz, den Halt, den das hilflose, ängstliche Schäfchen im finsteren Tal braucht, umgeben von Feinden und anderen Gefahren, diesen Trost findet es in einem einfachen Stecken, den der Hirte immer dabei hat. Mit diesem Stab kann es der Hirte notfalls mit einem wilden Tier aufnehmen. So verdichtet sich eine große Wahrheit in einem kleinen Gegenstand.
Ich möchte jetzt mit Ihnen den Psalm 23 beten. Wenn Sie in den nächsten Wochen das Gefühl haben: Mir fällt die Decke auf den Kopf, mir nervt nur noch alles, tun sie das doch auch: Diese uralten Worte beten. Einmal, zweimal… und sich verbinden mit denn unzähligen Menschen, die dieser Psalm schon getröstet hat. Es wird etwas verändern.

Der HERR ist mein Hirte,
mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf einer grünen Aue
und führet mich zum frischen Wasser.
Er erquicket meine Seele.
Er führet mich auf rechter Straße
um seines Namens willen.
Und ob ich schon wanderte im finstern Tal,
fürchte ich kein Unglück;
denn du bist bei mir,
dein Stecken und Stab trösten mich.
Du bereitest vor mir einen Tisch
im Angesicht meiner Feinde.
Du salbest mein Haupt mit Öl
und schenkest mir voll ein.
Gutes und Barmherzigkeit
werden mir folgen mein Leben lang,
und ich werde bleiben
im Hause des HERRN immerdar.

Psalm 23

Trost-Anker

Doch zurück zu dem Stecken, von dem im Psalm die Rede ist. Ich glaube, jeder Mensch kennt solche Gegenstände, die trösten. Manchen ist das sehr bewusst. Für andere ein Aha-Effekt, wenn sie sich bewusst machen: Mein zerfledderter Teddybär aus der Kindheit ist so ein Trost-Anker oder die Sammlung von Modelleisenbahnlokomotiven oder die Schmuckdose der Tante. Es gibt ganz verschwiegene Trost-Anker, mysteriöse, faszinierende Dinge, Wert nur wir kennen. Sie gehören zu uns. Das müssen andere Menschen gar nicht verstehen. Manchmal stellen sie eine geheimnisvolle Verbindung zu unseren Vorfahren her: die Taschenuhr des Onkels, die so beruhigend tickt oder ein wärmender Muff, wie ihn die Großmutter immer trug.
Wir brauchen uns für solche Trost-Anker nicht zu schämen, so verschroben sie nach außen auch wirken mögen. Hinter den Dingen leuchtet ein wärmendes Licht. So ist Epiphanias auch das Fest der kleinen Dinge, die mild von innen strahlen wie ein ferner Stern. Gut und tröstlich sind die geliebten Dinge, so lange sie das Licht dahinter nicht vollständig bedecken, sondern noch ein wenig durchlässig sind dafür.
Manchmal ist dieser Gegenstand auch ein Musikstück. Eine Melodie, eine gesungene Textzeile, die einem nahe geht. Eine Freundin von mir ist Opernfan. Sie hat die Erfahrung gemacht, dass es eher traurige Stücke waren, die sie in ihrer Trauer getröstet haben, wie zum Beispiel die Arie, die die entführte Tochter in der Gefangenschaft singt:  „Lass mich mit Tränen mein Los beklagen“ in der Oper „Rinaldo“ von Georg Friedrich Händel.
Trost scheint ähnlich zu funktionieren wie Homöopathie. Trauer wird nicht getröstet durch Lachen und Witze, sondern durch gestaltete, geklärte Trauer. In einer kläglichen Situation bringt ein Klagelied weiter, wenn es genau auf meiner Frequenz schwingt, wenn es in meinem Inneren Resonanz hervorruft. Dann bin ich nicht mehr allein, und das bewahrt mich davor, in den Fluten der Trauer zu ertrinken.

Wie tröstet man richtig?

Im Lateinischen heißt Trösten „consolatio“, wörtlich übersetzt „Mit-Einsamkeit“. Wer Trost braucht, fühlt sich allein gelassen mit seinem Schmerz und seiner Not. Ihm auf die Schulter zu klopfen und ein paar aufmunternde Worte zu sprechen – das ist da fehl am Platz. So, Ende der Einsamkeit, jetzt bin ich da! So einfach geht das nicht. Wer allein ist mit seinem Schmerz, der braucht jemanden, der mit ihm zusammen einsam ist. Der die Trauer und das Elend mit aushält. Jemand, die leise eintritt in das Haus der Trauer, ohne dort sofort zu lüften oder gar aufzuräumen.
Das kann man gut sehen, wenn man ein Kind tröstet. Man braucht es nur in den Arm zu nehmen und zu sagen: „Ich bin da“. Und darf sich nicht abweisen lassen, aber auch nicht zu sehr einlassen auf die Tränen. Wer mit in den Untiefen des Trost Suchenden untergeht, kann nicht mehr helfen. Helfen kann nur, wer selbst festen Boden unter den Füßen hat.
Vielleicht erinnern Sie sich an den Lutherfilm, der vor vielen Jahren in den Kinos kam und später im Fernsehen. Da wird das deutlich durch den Beichtvater von Staupitz. Wenn sei Schützling, der junge Mönch Martin in seiner Zelle mit dem Teufel kämpft und um Hilfe schreit, nach Trost sucht, dann ist er mitfühlend, aber ohne Mitleid dabei. Er bietet keine schnelle Lösung, keinen Sofort-Trost, aber er lässt Martin Luther auch nicht mit leeren Händen allein. Von Staupitz gibt ihm sein Kruzifix. „Schau auf Jesus Christus!“ Und das bedeutet: Schau auf den Gott, der selbst verzweifelt war, der am Kreuz nach Trost geschrien hat.
Trost ist weniger eine Handlung als vielmehr eine Haltung. Es ist nicht noch eine Aktion, sondern endlich einmal keine Aktion mehr. Wer einen anderen trösten will, der braucht einen Moment der Sammlung, des Zu-sich-selbst-Findens. Trösten heißt nicht: dem oder der anderen ein Lied vorsingen, sondern: wie ein Instrument werden, auf dem Gott seine Melodie spielt. Offen werden für die Melodie Gottes. So gesehen ist Trost eigentlich ganz einfach. Was dazu nötig ist, könnte man „Gebetsatmosphäre“ nennen. Sie entsteht, wenn ich etwas von der „Heiligen Idee“ erfasse, die Gott für diesen Trost suchenden Menschen hat. Normalerweise ist es schwierig, sie zu sehen. Aber im Augenblick der Trauer und des schmerzlichen Alleinseins ist sie leichter wahrzunehmen als sonst.
Wenn Sie in den nächsten Wochen des Lockdown einen Nachbarn, eine Freundin treffen, denen die Situation zu schaffen macht, vielleicht mögen Sie das ja mal ausprobieren, ob Sie etwas von dieser „Heiligen Idee“ spüren.
In der „Heiligen Idee“ ist der echte, wahre und tiefe Trost Gottes enthalten. In der Bibel gibt es verschiedene Worte dafür. Im Johannesevangelium sagt Jesus zu seinen Jüngern:

„Ich will den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Tröster geben, damit der bei euch sei in Ewigkeit: den Geist der Wahrheit.“

Johannes 14,16f


Wer Trost braucht, kommt sich bruchstückhaft vor, unvollständig, in einzelne Teile zerlegt, die nicht zueinander passen. Was er im Augenblick der Trostlosigkeit vermisst, ist die Ganzheit. Die erschafft der Geist der Wahrheit. Er umhüllt uns, hebt uns aus dem Chaos der Zerrissenheit. Der Geist der Wahrheit heilt und ist echter Trost. Solcher Trost verwandelt die Trauer und den Schmerz. Getröstete Trauer lähmt nicht mehr, sondern führt einen in das Geheimnis des eigenen Seins und in das Geheimnis von Jesus Christus. Getröstete Trauer ist der Weg in die Freiheit, der Weg in eine verwandelte Welt.

Als das Land Israel von den Babyloniern dem Erdboden gleichgemacht worden war, der Tempel verbrannt, die meisten Menschen in der Gefangenschaft, in der völligen Trostlosigkeit tritt ein Prophet auf, dessen Worte aufgeschrieben sind als Anhang zum Buch Jesaja. „Trostbuch von der Erlösung Israels“ wird es genannt. Und es beginnt mit dem wohl schönsten Text, den es zum Thema Trost gibt:

„Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott. Redet mit Jerusalem freundlich und predigt ihr, dass ihre Knechtschaft ein Ende hat…Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel werden niedrig, und was uneben ist, soll gerade werden. Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht müde werden.“

Jesaja 40,1ff

Wir werden getröstet durch kleine Dinge, kleine Gesten, durch das Mit-Alleinsein des anderen, durch kleine Stücke von Musik. Aber der volle Trost, den Gott für uns bereithält, ist alles andere als klein. Er verändert die Welt. Die Täler werden nach oben gedrückt, die Berge flach gepresst. Kein Stein bleibt auf dem anderen. Nichts muss so bleiben, wie es ist.

Ich glaube, es gibt eine Stelle, wo wir Menschen ungetröstet bleiben. Das ist die Stelle, die nur von Gott, vom unendlich Großen, ausgefüllt werden kann. Das ist gut zu wissen, damit wir von den lieben Menschen um uns herum und von den Dingen und der Musik nichts Unmögliches erwarten.
Die Untröstlichen sollte man sich deshalb genau ansehen. Unter ihnen gibt es so manch große, tapfere Seele, der Menschentrost nicht genug ist. Sie besteht darauf, dass Gott selbst sie tröstet und mit seiner Barmherzigkeit erfüllt. Martin Luther und viele andere Mystiker waren solche Menschen. In ihrer Unerbittlichkeit erkunden sie Gebiete der Seele, zu denen wir normalerweise nicht gelangen. Dabei finden sie Wahrheiten, die auch uns ernähren, so wie das wunderbare Gebet von Teresa von Avila: „Nichts soll dich ängstigen, nichts dich erschrecken. Alles geht vorüber. Gott allein bleibt derselbe. Alles erreicht der Geduldige. Und wer Gott hat, der hat alles. Gott allein genügt. Ja, Gott allein genügt. Basta.

Eva-Maria Kaplick, Pfarrerin

Predigt zur Jahreslosung 2021

Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!“ Lk 6,36

von Pfarrerin Gabriele Edelmann-Richter

Liebe Schwestern und Brüder in Christus,

wieder stehen wir am Beginn eines neuen Jahres!
Bestimmt haben Sie heute im Laufe des Tages viele Neujahrswünsche erhalten und auch selbst ausgesprochen.
Die Neujahrswünsche, die wir uns gegenseitig zusagen, haben in diesem Jahr bei den meisten in erster Linie die Gesundheit im Blick, sie ist angesichts der Pandemie das zentrale Thema unserer Hoffnungen.

Ich möchte heute mit Ihnen einen Blick auf die Jahreslosung für das neue Jahr werfen. Sie lässt unseren Blick noch weiter kreisen.
Der Evangelist Lukas hat die Worte Jesu aufgeschrieben:

„Jesus Christus spricht:
seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!“

„Barmherzigkeit“ – was für ein althergebrachter Begriff!
Kaum einer von uns verwendet dieses Wort im Alltag.
Und doch berührt uns das Wort „Barmherzigkeit“ im Innersten.

Vielen von uns kommt sogleich die biblische Erzählung vom barmherzigen Samariter in den Sinn.
Sie erinnern sich: das war der Wanderer, der auf seinem Weg einem Überfallenen, einem übel zugerichteten und ausgeraubten Mann geholfen hat.
Jesus erzählt seinen Zuhörern dieses Gleichnis auf ihre Frage hin, wie man sich seinem Nächsten gegenüber verhalten soll.
Und typisch für Jesus … er verpackt seine Antwort in eine Geschichte.

Mit dieser Geschichte provoziert er seine Zuhörer, damit diese die Antwort begreifen, ja selbst finden.

Jesus erzählt, dass an dem Überfallenen zuerst ein Priester vorbeizieht; dieser darf sich aufgrund der Priestergesetze nicht mit Unreinem in Verbindung bringen. Dann kommt ein Levit daher; auch er kennt alle Kultvorschriften genau und er hat es eilig, um rechtzeitig zum Tempeldienst zu kommen.
Schließlich sieht ein Samariter den Mann am Boden liegen. Der Samariter handelt ohne zu überlegen, ohne lang zu fragen, ob er das darf, ob er sich dabei beschmutzt, ob es ihn seine Zeit und natürlich auch sein Geld kostet.

Provokant für Jesu Zuhörer ist die Geschichte deshalb, weil sie einem Samariter das barmherzige Handeln niemals zugetraut hätten. Hatten doch die Samariter keinen guten Ruf und galten als sektiererisch in dem Sinne, dass sie sich nicht streng an die jüdische Gesetzgebung hielten.
Doch Jesu Zuhörern wird dadurch klar:
Unser Nächster ist der, der unsere Hilfe braucht!
Diese Aussage sitzt!

Trotz Kontaktbeschränkungen konnte ich in den vergangenen Wochen viele Menschen zumindest zwischen Tür und Angel besuchen. Manchmal konnten wir auch nur vom Gehweg zum Fenster hin ein kurzes Gespräch führen. Was mich dabei geschmerzt hat, war die Aussichtslosigkeit, von der vor allem die älteren Menschen erzählten.
Die Sorge und die Angst vor dem Virus paarte sich mit einer großen Sehnsucht nach Nähe, nach einem Gespräch, nach Kontakt.  Der Lebenssinn schien nicht selten verlorengegangen zu sein.

Ein befreundeter Pfarrer schickte mir vor einigen Tagen ein Zitat Martin Luthers, das passender zur gesamten Situation nicht sein könnte:
„Wenn Gott tödliche Seuchen schickt, will ich Gott bitten, gnädig zu sein und der Seuche zu wehren. Dann will ich das Haus räuchern und lüften, Arznei geben und nehmen, Orte meiden, wo man mich nicht braucht, damit ich nicht andere vergifte und anstecke und ihnen durch meine Nachlässigkeit eine Ursache zum Tode werde. Wenn mein Nächster mich aber braucht, so will ich weder Ort noch Person meiden, sondern frei zu ihm gehen und helfen. Siehe, das ist ein gottesfürchtiger Glaube, der nicht tollkühn und dumm und dreist ist und Gott nicht versucht.“

Das ist es!
Wir sind barmherzig im Sinne Jesu, wenn wir die Not eines anderen zum Besseren wenden!

Voraussetzung dafür ist aber, dass wir mit uns selbst im Reinen sind. Nur wenn wir uns mit allen Fehlern und Macken selbst akzeptieren, können wir auch für andere ein großes Herz haben.
Wie kann uns das gelingen, unser eigenes Herz geschmeidig werden zu lassen?
Eine Portion Humor mit sich herumzutragen, kann oftmals schon der erste Schritt für eine Entspannung sein.
Und der zweite Schritt, der in die richtige Richtung führt, ist eigentlich ein Schritt zurück. Ein Blick in mein Innerstes.
Was mache ich aus meinem Leben. Welche Gaben habe ich von meinem Schöpfer bekommen? Was macht mich stark?

An Weihnachten haben wir uns an das schönste Geschenk Gottes erinnert.
Da fiel unser Blick auf den, der aus der Weite des Himmels als Kind zu uns kam, Gott wurde Mensch, mit allen Herausforderungen und Befindlichkeiten, die es in einem Menschenleben gibt.
Auch Jesus haderte mit sich und der Welt.
Aber er war sich seines göttlichen Auftrags bewusst, die Welt besser zu machen.
Die innerste Ergriffenheit und Überzeugung wollte er auch seinen Zuhörern zuteilwerden lassen.
Er gab ihnen damals vor 2000 Jahren und gibt uns für das Jahr 2021 die Richtung vor:

„Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!“

Amen.

Predigt zum 1. Sonntag n. d. Christfest

Von Pfarrer Dr. Matthias Dreher am 27.12.2020 in der Stephanuskirche in Gebersdorf


Und als die Tage ihrer [Marias] Reinigung nach dem Gesetz des Mose um waren, brachten sie ihn hinauf nach Jerusalem, um ihn [Jesus] dem Herrn darzustellen.

Und siehe, ein Mensch war in Jerusalem mit Namen Simeon; und dieser Mensch war gerecht und gottesfürchtig und wartete auf den Trost Israels, und der Heilige Geist war auf ihm. Und ihm war vom Heiligen Geist geweissagt worden, er sollte den Tod nicht sehen, er habe denn zuvor den Christus des Herrn gesehen. Und er kam vom Geist geführt in den Tempel. Und als die Eltern das Kind Jesus in den Tempel brachten, um mit ihm zu tun, wie es Brauch ist nach dem Gesetz, da nahm er ihn auf seine Arme und lobte Gott und sprach:

Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast; denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen, das Heil, das du bereitet hast vor allen Völkern, ein Licht zur Erleuchtung der Heiden und zum Preis deines Volkes Israel.

Und sein Vater und seine Mutter wunderten sich über das, was von ihm gesagt wurde. Und Simeon segnete sie und sprach zu Maria, seiner Mutter: Siehe, dieser ist dazu bestimmt, dass viele in Israel fallen und viele aufstehen, und ist bestimmt zu einem Zeichen, dem widersprochen wird – und auch durch deine Seele wird ein Schwert dringen –, damit aus vielen Herzen die Gedanken offenbar werden.

Lukas 2, 22.25-35


Liebe Mitchristen hier in Gebersdorf, aus Großreuth und von weiter weg,

Weihnachten ist zum Sterben schön! Das meint jedenfalls der alte Simeon, der heute sicherlich in einer geriatrischen Demenz-Abteilung entmündigt eingesperrt wäre. Vom Heiligen Geist (Vogel zeigen) ist ihm versprochen, er werde erst sterben, wenn er den Trost Israels, den Gesalbten Gottes gesehen hat. – Oje, sagt da der gesunde Menschenverstand, jetzt hat’s auch den erwischt.

Dadurch, dass wir die gesamten Senioren ab 75 mit einem generellen Demenz-Verdacht überziehen, sind wir – scheint mir – kaum noch offen für die hellsichtigen Einsichten unserer Groß- und Urgroßeltern. Nicht dass es nicht auch gewisse Verschrobenheiten und gedankliche Fixierungen gäbe bei bestimmten Senioren, ich sag’s mal vorsichtig, aber solche Simeons, die auch uns heute die Wirklichkeit aufschließen und weiter sehen als die MittVierziger oder –Fünfziger, solche Simeons gibt es auch heute. Und ich persönlich bin froh, dass ich in meinen jüngst vergangenen dunkelsten Wochen solche weisen Senioren an meiner Seite hatte. Viele waren es nicht. Aber diese wenigen sind unverzichtbar.

Zur Ehre des Alters möchte ich Ihnen von einem 76-jährigen Mann erzählen, der im Sommer 1989 folgende Sätze aufschreibt: „Warum?, mit welchem Recht? und aufgrund welcher Erfahrung ausschließen, daß eines Tages [in der jetzigen DDR] … nicht Hunderte, sondern Hunderttausende auf den Beinen sind und ihre staatsbürgerlichen Rechte einfordern? (…) Und Berlin? Und die Mauer? Die Stadt wird leben!, und die Mauer wird fallen.“

Der Mann hieß Willy Brandt. Am 1. September 1989 – die Mauer steht noch immer – sagt er im Bundestag, es gehe jetzt um mehr, als „durch vielerlei kleine Schritte den Zusammenhalt der getrennten Familien und damit der Nation wahren zu helfen“. Für Brandt steht nun die „Selbstbestimmung und Einheit“ der Deutschen auf der Tagesordnung. Dann fällt die Mauer am 9. November. Tags darauf fliegt Brandt nach Berlin und formt sein geflügeltes Wort: Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört. Am 3. Oktober 1990 geht mit der Einheit Deutschlands der gemeinsame Traum der Bundeskanzler Kohl und Brandt in Erfüllung. Mit Tränen in den Augen verfolgt Brandt die Zeremonie auf der Ehrentribüne vor dem Reichstag – dem Tempel der deutschen Demokratie sozusagen. 1992 stirbt er.

Warum erzähle ich das? Die deutsche Einheit war kein Heilsereignis. Aber die Einstellung des alten Willy Brandt kann uns zeigen, dass wir nicht zu trennen brauchen: Hier sind diese seltsam irreal frommen Menschen in der Bibel – und dort sind die echten Menschen unseres Lebens und unserer Welt. Simeon und Brandt haben ja viel gemeinsam: Sie erwarten das Große, das Entscheidende von der Zukunft. Aber nicht am St.-Nimmerleins-Tag, sondern noch vor ihrem Tod. Sie sind keine Nostalgiker, sie leben voll auf die Zukunft zu, obwohl sie wissen, dass sie an dieser besseren Zukunft kaum noch teilhaben werden. Beide wissen: Es geht nicht nur um eine bessere Zukunft für mich und meine Familie. Es wird für alle besser werden. Simeon besingt mit dem Jesuskind auf dem Arm, wie das Kind Juden und Heiden, also alle Nicht-Juden zusammenführt. Und er schließt: Nun kann ich in Frieden abtreten.

Und weniger umfassend, aber doch auf dieser Spur lautet das geflügelte Wort Willy Brandts wörtlich: „Jetzt sind wir in einer Situation, in der wieder zusammenwächst, was zusammengehört. Das gilt für Europa im Ganzen.“ Dieser Nach-Satz wird meist weggelassen. – Also ich will Brandt nicht zum kleinen Mit-Messias machen, ich möchte nur zeigen, dass dieser alte, fromme Simeon durchaus ganz bei Trost war bei seinem auf den ersten Blick verwunderlichen Ausbruch angesichts eines „normalen“ Babys im Tempel.

Gehen wir seinem kurzen Lobgesang nochmal genauer nach: Er kann in Frieden sterben, weil Gott erfüllt hat, was er versprochen hat. Darum hören wir ja an Weihnachten auch die Prophezeiungen aus dem Alten Testament. Denn auch wenn Gott im Neuen Testament mit Jesus Christus einen neuen Bund setzt, so ist Gott doch derselbe und zumindest im Rückblick lässt sich ein Plan erkennen. Gott hatte schon länger einen irgendwie gearteten Heilsbringer „in petto“ – und Simeon darf ihn jetzt sehen. „Requiescat in pace“ – jetzt kann er in Frieden ruhen.

Luthers Worte „Heil“ und „Heiland“ klingen für uns ja so bibeldeutsch, religiös-pathetisch und irgendwie lebensfern. Da müssen wir uns einfach immer klar machen, dass dahinter der Begriff Rettung, Retter steht. Bei Heiland denke ich an die berühmte, millionenfach kopierte Statue Jesu von Berthel Thorvaldsen in Kopenhagen: Der sanftautoritäre, segnende, rein-weiße Gottesmann. Bei „Rettung“ denke ich an die Blaulicht-Retter auf unseren Straßen. Eine ganz andere Welt. Dieses Herausziehen aus prekärer Not, das dachten aber die griechischen Schreiber des Neuen Testaments immer mit. Wenn Simeon vom Heil spricht, ist die Rede davon, dass die Welt im Argen liegt – und dass nicht irgendwann, sondern so schnell wie möglich Abhilfe kommt. Und Simeon weiß, dass der Mensch mit dieser Abhilfe überfordert wäre: Gott selbst muss sie uns bringen, er hat es versprochen und sein Wort nicht gebrochen. Das heißt aber auch, dass diese Rettung nicht mit politischen Mitteln zu erreichen ist; das wäre ja wieder Menschenwerk. Es geht nicht um menschliche Weltverbesserei. Es geht nicht um die Rettung der Welt, sondern um unsere Rettung aus der Welt.

Das weiß das ganze Neue Testament, dass diese Welt eben tickt, wie sie tickt und dass sich das kaum verändern lässt. Das Heil, das uns der Glaube verspricht, ist darum immer eine Ent-weltlichung – auch lange vor dem Tod. Paulus sagt es so:

„Und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist“

Röm 12, 2

Die Kraft zu dieser Änderung kommt aus dem Bruch, den Jesus in die Welt brachte: Gottes Sohn ein Kind im Stall, ein Verdammter am Kreuz. Die Welt will andere Helden. Aber Gottes Kraft ist in den Schwachen mächtig. Und sein Sohn verteilt selbst diese Kraft – in bloßen Worten, in einer schwächlichen Hostie und einem
Schluck Wein. Wie klein, ja kümmerlich empfängt er uns an der Krippe im Stall? Und doch – wieviel Kraft und inneres Licht haben Sie, liebe Mitchristen, nicht allein daraus schon empfangen? – Aber was heißt Rettung aus der Welt konkret? Was heißt es jetzt in Corona-Zeiten? Es gibt Christen, die glauben: Der Glaube – oder letztlich Gott – feit uns vor dem Virus. Wer richtig fest glaubt, bleibt ungefährdet. Die psychologische Variante dazu lautet: Die Angst steckt sich an. Wer keine Angst hat, kriegt es auch nicht. – Diese Ignoranz gegenüber medizinischen Einsichten hat mit der Entweltlichung des Glaubens nichts zu tun. Sondern diese meint die innere Beheimatung bei Gott. Und die bewirkt zwei Dinge: Einmal die Hoffnung für diese Welt, – dass wir Menschen getröstet und aufgerichtet werden durch die Kraft Gottes im Angesicht selbst unserer Feinde, zu denen auch das Virus gehört. – Und das zweite, was diese Gottes-Heimat bewirkt, ist die Gelassenheit dem hiesigen Leben gegenüber. – Beide Wirkungen dieser inneren Heimat sehen wir an Simeon: All sein Hoffen und Sehnen ist auf den Trost der Völker dieser Welt gerichtet. Aber er muss sich nicht darein verbeißen, diesen Frieden zu erreichen. Er lässt Gott wirken und tritt selbst ganz gelassen ab.

Beispielhaft auf Corona übertragen würde das heißen:
Hoffen, dass die Welt diese Geißel namens Corona bald los wird – und auch alles Menschen mögliche dafür tun – jeder an seinem Platz – so wie wir es gerade eben hier auch tun. Aber zweitens heißt es: Nicht die Welt retten wollen durch Corona-Maßnahmen. Nicht überspannt in Corona den Hebel sehen, um die Welt zu verbessern oder die Menschen zu erziehen. Sondern entspannt das Mögliche tun und warten, dass mit Gottes Kraft bald das Not-Wendende kommt. Dieses entspannte Warten in Gottvertrauen werden wir sicher noch einige Wochen brauchen.

Für uns nicht entscheidend, aber interessant ist, wie Simeon das Verhältnis zwischen Israel und den übrigen Völkern, also auch uns, bestimmt. Die Rettung ist bereitet vor allen Völkern: Sie ist Licht, das die Nicht-Juden aus der Finsternis führt und Licht-Glanz, Glorie, für Gottes Volk Israel. Die Besonderheit Israels besteht also nicht etwa darin – wie heute oft sogar in Kirche und Theologie gelehrt wird -, dass Israel über den alten Bund zum Heil kommt und Christus gar nicht braucht. Die Sonderstellung Israels wird gerade darin gewahrt, dass der Retter für alle, für Juden wie Nicht-Juden, ein jüdisches Kind ist, beschnitten und im Tempel Gott geweiht. An Simeon sehen wir, dass der Heilige Geist von einem so frommen, wahrhaftig-jüdischen Glauben aus eine Brücke bauen kann, im Jesuskind den Heiland, den Retter, den Messias des Alten Testaments zu erkennen. Und das tun wir ehemalige Heiden zusammen mit dem Juden Simeon.

Nachdem Simeon seinen berühmten Lobpreis gesprochen und die Familie Jesu gesegnet hat, hat er noch Worte extra an die Mutter Maria, die weit weniger bekannt sind:

„Siehe, dieser ist dazu bestimmt, dass viele in Israel fallen und viele aufstehen, und ist bestimmt zu einem Zeichen, dem widersprochen wird – und auch durch deine Seele wird ein Schwert dringen –, damit aus vielen Herzen die Gedanken offenbar werden.“

Lukas 2, 34-35

Hier ist es spätestens Schluss mit der Weihnachtsidylle. Der holde Knabe im lockigen Haar wird also nicht nur Frieden, Liebe und Glück bringen, sondern er wird bewirken, dass das innerste der Menschen offenbar wird. Das kleine, „nackerte“ Christkind macht uns alle nackt – sogar unser Herz.

Dreimal kommen „die vielen“ vor: „Viele in Israel fallen und viele stehen auf; aus vielen Herzen wird offenbar, was da drin [Brust klopfen] eigentlich gedacht wird.“ Stünden diese Sätze im Johannesevangelium, wäre die Vorstellung die, dass der kindliche Offenbarer die Menschen rigoros teilt in Gläubige und Ungläubige. Die einen fallen, die anderen stehen auf zum ewigen Leben. – Hier aber, in dieser Rede des alttestamentlich-frommen Juden Simeon, dürfte es jüdischer gemeint sein. Dann nämlich sind „viele“ und „alle“ kaum zu unterscheiden. Er meint also: „Israel als ganzes wird fallen – und wieder aufstehen. Israel als ganzes wird deinem Kind, Maria, widersprechen – von Ausnahmen abgesehen – , sodass der Ungehorsam Israels offenbar wird. Dies wirst du miterleben und es wird dir wie ein Schwert durch die Seele fahren.“ Wie in einer Zeitraffer-Diashow laufen hier die Bilder so mancher Jesus- und Passions-Filme vor meinem inneren Auge ab. Jesu hartes Ringen mit den Schriftgelehrten und Pharisäern – und die Konsequenz am Kreuz.

Auch hier spricht Simeon Jesus nochmals speziell als Offenbarer und Heilsbringer der Juden an. Das heißt nicht, dass uns diese Worte nichts angehen. Auch uns gilt die Botschaft, zumal wir ja nun auch ‘ das schon 2000-jährige Gottesvolk des Neuen Bundes sind: Wenn uns Gott selbst besucht, um hier in dieser Welt zu unserem Heil einzugreifen; – wenn der einzige, wahre Gott sich auf ein Menschenleben auf Erden einlässt, dann bringt uns das kein Heil zum Billig-Tarif, dann bringt er nicht Wohlgefühl mit der Gießkanne. Gerade wenn er sich herabbeugt in ein kleines Windelkind und den höchsten Preis zu zahlen bereit ist, den man in dieser Welt zahlen kann – sein Leben. Gerade dann bleibt Gott auch der Gerechte, der seinem Willen treu bleibt, – und der also auch richtet. Wer Gott begegnet, kann fallen, – und es sind viele, die fallen. Das auf die Juden abzuschieben, war immer schon schäbig. So wie Simeon sein Volk anspricht, so müssen wir es auf uns beziehen. Gott besucht uns aus Gnade. Aber wer verkennt, dass nur ein Richter Gnade walten lassen kann, der macht aus Gnade – Kitsch. Das Paket „Gnade“ bringt immer das Gericht mit – deshalb fallen viele. Die Gnade verhindert auch nicht das Urteil, sondern „nur“ die letzte Konsequenz des ewigen Todes.

Deshalb stehen die Vielen dann auch wieder auf und können versöhnt von und mit und bei Gott weiterleben – in Ewigkeit. So sieht es auch Paulus für das Volk Israel und ist sich mit dem Simeon des Lukas einig: Dies alles wird geschehen im Glauben an Christus (Röm 11). Und genauso gilt es uns. – In diesem ganzen Prozess – das ist hier das richtige Wort – wird deutlich, wo jemand steht, wie jemand denkt, wie wir unsere Prioritäten setzen, wie wir letztlich das Verhältnis bestimmen zwischen unserem Ego – und Gott.

Das mitanzusehen wird die Mutter hart ankommen. Aber all dies ist notwendig, damit Heil, Rettung und Trost sein können, ohne dass etwas unter einen billigen Teppich gekehrt wird. Um Rettung und Trost geht es. Das ist das, was Simeon in Frieden scheiden lässt. Dafür, dazu hat Gott das Kindlein in die Welt geschickt.
[Tonwechsel: leicht] Zja – und schon Willy Brandt hat erzählt, dass der Stellvertreter Christi seinem Chef da in nichts nachsteht: „Auf dem SPD-Parteitag wird angekündigt, dass der Papst seine nächste Reise zur SPD mache. – Warum? – Weil er immer dorthin fährt, wo das Elend am größten ist.“

Und so können auch wir gelassen und heiter einstimmen: Herr, nun lässt du uns, deine Diener in dieser verlorenen Welt, früher oder später in Frieden scheiden. „Welt ging verloren; Christ ist geboren. Freue, freue dich, du Christenheit!“.

Amen.

Dr. Matthias Dreher, Pfarrer

Vom Kommen des Reiches Gottes

Predigt zu 1. Thess. 5,1-6 am 08.11.20 in der Stephanuslirche
von Pfarrerin G. Edelmann-Richter

Liebe Gemeinde,

Wie schon in unserer Evangeliumslesung, so geht es auch in unserem heutigen Predigttext um den Tag des Herrn, uns besser bekannt als der Jüngste Tag, mit dem das Reich Gottes beginnen soll.
In früheren Zeiten war dies eine gewichtige und allgegenwärtige Vorstellung, die großen Einfluss auf das Leben und Handeln der Christen hatte.

Vielen Menschen der Moderne sind diese Vorstellungen fremd.
Da will man nicht mehr an den Tag glauben, der alles Dagewesene verändern soll, der wie ein großes Gericht Gottes über alle hereinbricht und schließlich in einem ungeheuren Sturm die Spreu vom Weizen trennt.

Zu fremd und zu alt hergebracht sind doch diese apokalyptischen Vorstellungen, die schon die Propheten des 8.Jahrhunderts vor Christus – allen voran Amos –  ausschmückten, oder die Vorstellungen, die wir aus dem letzten Buch der Bibel, der Offenbarung des Johannes, kennen.
Dramatische Szenen werden da geschildert, die doch eher an einen Untergang als an einen Neuanfang erinnern.
In etlichen Kinofilmen wurden diese Motive aufgenommen:
So in Tolkiens Ring-Trilogie, in „Armageddon“ oder in der endzeitlichen Schlacht um Hogwards, in der der Widersacher Harry Potters, der böse Lord Voldemort, vernichtend geschlagen wird.
Die Vorlagen zu diesen Endzeitgeschichten finden sich in den apokalyptischen Büchern der Bibel.

Sowohl zu Jesu Lebzeiten als auch zur Zeit des Paulus waren diese Vorstellung vom Ende der alten Welt, vom bald hereinbrechenden Beginn eines neuen Äons, eines neuen Zeitalters, in allen Köpfen.
Das müssen wir wissen, wenn wir den heutigen Predigttext verstehen wollen:

 1.Thess. 5,1-6:

Von diesen Zeiten aber und Stunden, Brüder und Schwestern, ist es nicht nötig, euch zu schreiben, denn ihr selbst wisst genau, dass der Tag des Herrn kommt, wie ein Dieb in der Nacht. Wenn sie sagen: „Friede und Sicherheit“, dann überfällt sie schnell das Verderben wie die Wehen eine schwangere Frau und sie werden nicht entrinnen.

Ihr aber seid nicht in der Finsternis, dass der Tag wie ein Dieb über euch komme. Denn ihr alle seid Kinder des Lichts und Kinder des Tages. Wir sind nicht von der Nacht noch von der Finsternis. So lasst uns nun nicht schlafen, wie die andern, sondern lasst uns wachen und nüchtern sein.

Liebe Gemeinde,

 Jesus und auch Paulus erwarteten den baldigen Anbruch des Reiches Gottes. Jesus spricht dabei vom Menschensohn, der da kommen wird. Die ersten Christen identifizierten damit ihn selbst.  Als dann aber geschichtlich nichts Umwälzendes nach Jesu Tod gekommen ist, nimmt Paulus den Gedanken noch einmal auf und predigt abermals den baldigen Anbruch des Reiches Gottes.

Heute nach über 2000 Jahren wissen wir, dass mit der Hoffnung auf ein neues Zeitalter etwas anderes gemeint sein musste als eine spektakuläre Zeitenwende.
Wir gehen heute davon aus, dass die Zeit immer weiter geht.
Auch wenn sich die Menschheit in den nächsten Jahrhunderten aus Rücksichtslosigkeit gegenüber der Natur selbst die Lebensgrundlagen vernichtet, würde unser Sonnensystem noch Jahrmilliarden weiterbestehen.

Was hat es also mit dem Reich Gottes auf sich?

Jesus bringt es auf den Punkt: „Das Reich Gottes beginnt schon jetzt und ist mitten unter euch“, so sagte er es seinen nicht schlecht staunenden Zuhörern. Und dann erzählte er ihnen Gleichnisse wie das vom Barmherzigen Samariter und Geschichten, wo Menschen von Krankheiten geheilt und von bösen Dämonen befreit werden.
In diesen Handlungen, in diesen Geschehnissen ist Gottes Reich schon angebrochen.
So begegnet Jesus Fanatikern, die selbst Hand anlegen wollen, um das Reich Gottes mit aller Gewalt herbeiführen zu wollen.
Ich denke dabei an Judas, der ihn später verriet, weil er ähnlich den Zeloten das Reich Gottes zügig durchsetzen wollte.
Durch seine Erzählungen rüttelt Jesus auch die Gleichgültigen wach oder auch die Ängstlichen, die sich selber in allem zurückhalten, was für sie gefährlich oder zumindest nicht gleich von Nutzen sein könnte.

Und Paulus – auch er bezähmt die Endzeitfanatiker und bringt die Lethargiker in Schwung, indem er mahnt: „Der Tag des Herrn kommt, wie der Dieb in der Nacht!“
Das sollte heißen: „Ihr müsst ihn nicht herbeizwingen, aber verschlafen sollt ihr ihn auch nicht!“

Liebe Gemeinde,
was also dürfen wir hoffen, wenn es um den Tag des Herrn oder um das Reich Gottes geht?
Wissen wir doch, dass wir Hoffnung brauchen, da wir selbst oft machtlos vor einer Krankheit oder einer existentiellen Krise stehen.
Da stehen Fragen im Raum wie z.B. „werde ich meinen Schulabschluss schaffen?“, „finde ich eine Arbeit, die mir auch gefällt?“, „finde ich den richtigen Lebenspartner?“, „bleibe ich bis ins Alter geistig fit?“ und „wer versorgt mich, wenn ich alt geworden bin?“
Wahrlich, wir sind keine Hellseher und die, die sich als solche ausgeben, sind meist Scharlatane.

Und so hoffen wir alles in allem, dass es gut mit uns wird, dass unser Leben ein Ziel hat, das von Gott festgelegt wurde! Kein Produkt des Zufalls, sondern genauso von Gott gewollt!

Zwar möchten wir vieles planen oder zumindest die Wahrscheinlichkeit dafür ausrechnen, um uns sicherer zu fühlen, aber eigentlich müssen wir bekennen, dass sich der „Faktor Gott“ nicht in solche Pläne und Diagramme zwängen lässt.
Ein altes Sprichwort lautet ja: „der Mensch denkt – und Gott lenkt!“
Wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben, dass uns diese Erkenntnis guttut.
Das passt gut zu unserem Predigttext.

Wir sind gefragt, hinzuschauen, anzupacken und einzugreifen, wo unsere Hilfe gebraucht wird, den Jüngsten Tag im wahrsten Sinne des Wortes nicht zu verschlafen, alles aber in der Hoffnung, dass nicht alles Gelingen in unserer Hand liegen muss, sondern wir der Macht und Kraft Gottes Etliches zutrauen können.
Eine Vertröstung auf den „Sanktnimmerleinstag“ wäre also hier völlig fehl am Platz.
Wir dürfen, sollen bereit sein für Spontanes, für Unvorhersehbares, ja sogar für Herausforderndes, weil wir die Zusage Gottes haben, dass er bei uns ist, heute und bis zum Ende aller Tage!

Paulus ging es in seinem Brief an die Thessalonicher um die Kunst des Lebens.
Selbst von Krankheiten gezeichnet, vom Schicksal hart gebeutelt, machte er der von ihm gegründeten Gemeinde Mut, auch mit Widersprüchen leben zu können.
Dem tieferen Sinn des Lebens auf der Spur zu bleiben, trotz des Hin und Her, das Ziel in Verantwortung Gottes gegenüber zu leben, nicht aus den Augen zu verlieren.

Der momentane Blick auf unsere Familien und der Blick nach vorne für unsere Gesellschaft gewinnen dann an Bedeutung, wenn wir unseren Weg als Kinder des Lichts und als Kinder des Tages gehen:

  • Nicht über das Vergangene zu lange nachgrübeln.
  • Den Krisen nicht zu viel Macht und Raum geben.
  • Die Sorgen bewusst vor Gott bringen.
  • Bereit sein für die Herausforderungen der Zeit.

Liebe Gemeinde,
Sie sehen, mit den Worten Jesu und den Briefen des Paulus werden die Zuhörer gecoacht!
Die Botschaft ist klar:
Christen dürfen sich umfangen lassen von der auf keine Zeiten festgelegte, unendlichen Liebe Gottes, die stark macht in guten wie in schlechten Zeiten.

AMEN

Predigt zum Reformationsfest

Von Prädikant Wilfried Kohl am 01.11.2020 in der Thomaskirche in Großreuth anlässlich des Brückengottesdienstes

Symbolfoto Jona und der Wal

Vor der Predigt wurde durch das Team ein Spielstück aufgeführt, welches zum besseren Verständnis hier mit aufgenommen wurde.

Spielstück „Jona und Gnade?“

Sprecherin (1): Gnade ist nicht ein Wort, was der Apostel Paulus erfunden hätte. Gnade spielt schon bei Noah und der Sintflut eine Rolle. Auch der Prophet Jona im Alten Testament stellt sich die Frage: „Wie gnädig ist Gott?“ Gott schickt Jona, den Propheten, in die große Stadt Ninive. Jona soll dort predigen gegen die Bosheit der Bewohner.

Jona: Ich will nicht! Ich mag nicht! Ich drücke mich einfach. Ich gehe an Bord eines Schiffes und fliehe nach Tarsis.

Sprecherin (2): Jona geht an Bord des Schiffes und das Schiff legt nach Tarsis ab. Doch Gott lässt einen Sturm aufkommen und das Schiff gerät in Seenot. Die Mannschaft des Schiffes und ihr Kapitän kommen auf den Gedanken, dass mit Jona irgendwas nicht stimmt. Sie stellen ihn zur Rede.

Jona: Nehmt mich und werft mich ins Meer, so wird das Meer still werden und von euch ablassen.

Sprecherin (1): Doch das Meer tobt weiter, obwohl sie Jonas’ Gott anriefen, Jona doch zu verschonen. Als sie Jona doch ins Meer warfen, legte sich der Sturm.

Sprecherin (2): Da ließ Gott einen großen Fisch kommen und Jona wurde von ihm verschlungen. Im Bauch des Fisches betete Jona zu Gott und versprach seinen Auftrag zu erfüllen. Daraufhin wurde er wieder an Land gespült. Jona predigte in Ninive.

Jona: Nur 40 Tage bleiben euch, dann geht Ninive unter.

Sprecherin (1): Aus Angst vorm Untergang glaubten die Menschen von Ninive fortan an Gott und hüllten sich in Sack und Asche. Selbst der König von Ninive legte seinen Purpur ab.

König: Mensch und Vieh soll fasten und heftig zu Gott rufen, dass er uns verschont. Ein jeder von uns kehre in sich und lass ab von bösen Machenschaften.

Sprecherin (2): Und Gott bereute sein bisheriges Vorhaben und verschonte Ninive. Jona aber wurde zornig und sprach zu Gott.

Jona: Ich habe es vorhergesehen, dass du es nicht machst. Daher habe ich mich gedrückt. Du bist einfach zu gnädig – zu barmherzig! Ich möchte jetzt lieber tot sein als leben.

Liebe Gemeinde,

„so nimm nun meine Seele von mir“, so spricht Jona in seinem Verdruss und Zorn über Gott, denn er möchte lieber tot sein als leben.

Jona nimmt plötzlich seine Aufgabe als Unheils Verkünder für Ninive ernst und wirft Gott vor A aber nicht B zu sagen.

Gott ist ihm zu gnädig und zu barmherzig, denn er verschont die Bürger von Ninive.
Was nun? Jona schmollt und beobachtet die Situation um Ninive weiter. Er lässt sich östlich von der Stadt Ninive in einer selbstgebauten Hütte nieder. Und Gott ist sogar noch um Jonas Wohlergehen bemüht, indem er einen großen Rizinus oder auch Wunderbaum genannt, wachsen lässt, der ihm Schatten vor der Sonne spendet. Doch die schattenspendende Wohltat Gottes an Jona hält nur kurze Zeit an, denn der Rizinus verdorrt durch die Zünzlerraupen. Jetzt sticht Jona die Sonne und er ermattet. Nun wünscht sich Jona erneut den Tod. Gott frägt Jona, ob er mit Recht zürnt, da Jona den Rizinus keine Pflege angedeihen ließ. Und Gott zieht den Vergleich mit Ninive, die große Stadt mit 120000 Einwohnern, die ihm nicht jammern sollte – Menschen, die weder rechts noch links wussten? Wohlergehen für sich selbst, lässt sich Jona gerne gefallen – doch für andere kennt Jona keine Gnade – nur Gerechtigkeit.

Fast auf den Tag genau feierten wir hier in der Thomaskirche vor 3 Jahren 500 Jahre Reformation und damit den Geburtstag der evangelischen Kirchen in Deutschland. Martin Luther, der Reformator und Augustinermönch, stand dabei im Mittelpunkt. Doch auch heute passt Luther zu Jona und zu unserem heutigen Predigttext aus dem Epheserbrief.

Zwischen dem Propheten Jona und seinem Umgang mit der Gnade und Martin Luther lassen sich gewisse Übereinstimmungen finden. Ich meine jetzt nicht die Parallele, dass Luther im Augustinerkloster weltabgewandt lebte – ähnlich dem Zustand Jonas im Bauch des großen Fisches. Vielmehr meine ich Luthers Ringen um Gottes Gnade. Martin Luther suchte für sich den gnädigen Gott und fand ihn über Jahre nicht. Die Angst plötzlich vor dem himmlischen Richter gerufen zu werden, setzte Martin Luther derart zu, dass er sich selbst in einem Beichtgespräch, wie er später bekannte, wie eine tote Leiche- also seelisch toter als tot fühlte. Paulus schreibt dazu im Brief an die Epheser:

„Gott hat uns seine ganze Liebe geschenkt und uns zusammen mit Christus lebendig gemacht. Das tat er, obwohl wir doch tot waren aufgrund unserer Übertretungen.“

Epheser 2, 4-5

In seiner Todesangst dachte Luther stets an den Höllenschlund. Dagegen half auch sein Eifer für fromme Übungen, wie stundenlanges Beten, Wachen, Fasten und intensive auch blutige Selbstkasteiungen, sowie Wallfahrten, nichts. Erst durch viel Nachdenken, Sinnieren, Bibellesen, Zuspruch von Freunden, Diskutieren mit ihnen und im Bekanntenkreis gewann Luther im Frühjahr 2018 – also erst nach dem Thesenanschlag, die Erkenntnis, dass wir nicht durch Werke, sondern allein durch den Glauben an Christus gerecht und selig werden. Dazu hat Luther wohl mehrfach den Text des Paulus im Brief an die Römer gelesen, wo es heißt:

Im Evangelium „wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welcher kommt aus Glauben in Glauben.“

Römer 1, Vers 17

Von Jona wissen wir nicht, ob er nach langem Nachdenken zu der Erkenntnis gelangte, die Gnade Gottes für Sünder und auch für sich selbst anzunehmen. Luther kam nach langem Ringen mit sich selbst dazu.

Philipp Melanchthon hat im Augsburger Bekenntnis (abgedruckt in unserem Gesangbuch auf Seite 1564 ff.) festgehalten unter dem Artikel 20: Vom Glauben und guten Werken: „Erstlich, dass unsere Werke uns nicht mit Gott versöhnen und uns nicht Gnade erwerben können, sondern das geschieht allein durch den Glauben – wenn man nämlich glaubt, dass uns um Christi willen die Sünden vergeben werden, der allein der Mittler ist, um den Vater zu versöhnen.“

Ich habe mich gefragt, was ist Gnade für mich und bin anders wie Martin Luther an für mich diesseitig Lebensnotwendigen hängen geblieben. Die Angst vor dem Fegefeuer spielte dabei keine Rolle. Alles gipfelt in der Beantwortung der Frage: „Was ist mir wichtig in meinem Leben?“ Gnade ist für mich: unsere funktionierende Ehe; die Beziehung zu meinen Kindern und zu meinen Enkeln, meine Arbeit und meine Hobbies und Gnade ist auch die Verkündigung des Wortes Gottes und natürlich auch Gesundheit. Gnade finde ich gut beschrieben im 3. Vers des Kirchenliedes Lobet den Herren alle, die ihn ehren:

„Dass unsere Sinnen wir noch brauchen können und Händ und Füße, Zung und Lippen regen, das haben wir zu danken seinem Segen. Lobet den Herren!“

Wenn ich meine 86-Jährige Mutter frage was ihr wichtig ist, dann kommt meist die Antwort, dass mein Hirnkästchen noch funktioniert. Von manch einem der Vätergestalten des Altes Testament heißt es er starb lebenssatt. Auch das kann Gnade sein. Und der Vater im Gleichnis Jesu sagt hinsichtlich seines zurückgekehrten und verlorenen Sohnes im Lukasevangelium:

Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden

Lukas 15, 24

Alles, was wir uns selbst als Gnade vorstellen und dies sagt uns Paulus im Brief an die Epheser mehr als deutlich ist Gottes Geschenk. Ohne Gnade und ohne Gottes Zuwendung sind wir innerlich tot. Mitunter aus Tatortverfilmungen kennen sie einen EKG-Monitor: tot ist da der Ermordete mit lang ertönenden Piep-Ton.

Wie ein verlorener Sohn sind wir, die wir uns zu Christus bekennen jedoch zum Leben gelangt. Wir sind mit einem Bein bereits wiedergeboren und mit Christus auferweckt. Das ist unser Glaube und unsere Hoffnung und Gottes unendlich reiches Geschenk. Wir können also lachen und müssen kein Trübsal blasen – und auch gerade jetzt in den Pandemiezeiten nicht.

Für die letzten beiden Sätze unseres Predigttextes hab ich mir gedacht: Ist es eine gewisse Naivität von Paulus, dass wenn wir an Christus glauben, tatsächlich nur noch Gutes tun? – oder schafft Gott einen Automatismus für uns – wir können nur noch gut handeln? Und kommt durch die Hintertür unseres Predigttextes doch die Werkegerechtigkeit wieder? Ich habe mir dann selbst folgende Antworten gegeben. Glaube braucht tägliche Übung und Praxis – ich muss meine Lebenseinstellungen und Lebensführungen täglich überprüfen: Mag ich mich und liebe ich auch meine Nächsten, mit all meinen und den ausgemachten Fehlern der anderen. Kann ich mir meine Fehler verzeihen und auch denen, denen ich täglich begegne. Kann ich dies alles in ein Gebet kleiden und vor Christus bringen?

Der Evangelist Lukas hat ganz bewusst in die Aufforderung Jesu an seine Jünger – sein Kreuz auf sich zu nehmen und Jesu Weg zu folgen, die beiden Worte „jeden Tag“ eingefügt.

Wir benötigen daher liebe Gemeinde jeden Tag Gottes Geschenk der Gnade, aber auch jeden Tag Übung und Praxis – unser Kreuz – im Glauben zu tragen. Nur so bleiben wir lebendig. Und übrigens, beschenken lassen muss man sich schon und nicht wie Jona schmollen.

Amen

Prädikant Wilfried Kohl

Predigt zum 19. So. n. Trinitatis

Von Prädikant Wilfried Kohl am 18.10.2020 in der Stephanuskirche in Gebersdorf

Wer von ihnen kennt nicht Lukas Podolski, den Weltfußballer, Star des 1. FC Köln und des FC Bayern München. Er dürfte heute einer der bekanntesten Lukasse sein. Schon weniger bekannt ist Lukas der Lokomotivführer – eine Kinderbuchromanfigur des Michael Ende. 2018 kam der Film „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ in die Kinos und derzeit läuft „Jim Knopf und die wilde 13“. Auch die Augsburger Puppenkiste hat diesen Roman umgesetzt.

Noch weniger bekannt ist wahrscheinlich Lukas Cranach der Ältere – ein Zeitgenosse von Martin Luther, Maler, Grafiker und Buchdrucker, der die Reformation Luthers kräftigt mit Buchdruck und Malerei unterstützte. Lukas ist auch in Deutschland, nach Österreich, ein beliebter Jungen-Name. Der Evangelist Lukas, dessen Gedenktag wir heute begehen, ist vielleicht nur Bibelkennern und dem christlichen Glauben Nahestehenden bekannt.

„Hand auf Herz“, kannten sie die Bauernregeln zum heutigen Festtag:

„Wer an Lukas Roggen streut, es im Jahr darauf nicht bereut – und ist St. Lukas mild und warm, folgt ein Winter, dass Gott erbarm.“

So wenig bekannt, wie diese Ernte- und Wetterregeln sind, so wenig bekannt ist auch über die Evangelisten Lukas selbst.

Neben manchen weiß man jedoch, der Autor des Lukasevangeliums und der Apostelgeschichte, wollte 60 oder 80 nach unserer Zeitrechnung schriftlich festhalten, was Zeitzeugen von Jesus von Nazareth mit ihrem Glauben bezeugten und was Lukas bekannt war von der Urgemeinde und der Ausbreitung des Glaubens an Jesu den Auferstanden bis an die Grenzen der damaligen Welt. Lukas wollte ein Werk schaffen, was alle Zeiten überdauert und den Glauben an den einzigartigen Gott der Juden und seinem Sohn Jesus in die Herzen der Menschen bringt.

Auch der Autor unseres heutigen Predigttextes, Deuterojesaja oder 2. Jesaja genannt, wollte mit diesen für heute ausgesuchten Zeilen Gott als unseren Heiland bezeugen. Hören wir aus dem Buch des Propheten Jesaja im 43 Kapitel die Verse 8-13.

Es soll hervortreten das blinde Volk, das doch Augen hat, und die Tauben, die doch Ohren haben! Alle Völker sind zusammengekommen und die Nationen versammeln sich. Wer ist unter ihnen, der dies verkündigen kann und uns hören lasse, was früher geweissagt wurde? Sie sollen ihre Zeugen aufstellen, dass sie recht bekommen, so wird man´s hören und sagen: Es ist die Wahrheit.

Ihr seid meine Zeugen, spricht der Herr, und mein Knecht, den ich erwählt habe, damit ihr wisst und mir glaubt und erkennt, dass ich´s bin. Vor mir ist kein Gott gemacht, so wird auch nach mir keiner sein.

Ich bin der Herr, und außer mir ist kein Heiland. Ich hab´s verkündigt und habe auch geholfen und hab´s euch hören lassen; und es war kein fremder Gott unter euch. Ihr seid meine Zeugen, spricht der Herr, und ich bin Gott. Auch künftig bin ich derselbe, und niemand ist da, der aus meiner Hand erretten kann. Ich wirke; wer will´s wenden?

Jesaja 43, 8-13

Liebe Gemeinde,

„gibt es den da Oben überhaupt?!“Diese Frage stellen sich Zweifler und auch Gläubige seit Jahrtausenden und auch zu Jesajas Zeit. Insbesondere in einer solchen Ausnahmezeit, wie der babylonischen Gefangenheit, 597 -539 vor Christus. Das Volk Juda durchlebte in dieser Zeit Entbehrungen und Unterdrückung. Religionswissenschaftler machen in dieser Zeit der Bedrängnis durch die Babylonier und vorher durch die Assyrer die Entstehung des Monotheismus fest. Monotheismus heißt, ich glaube ausschließlich an einen Gott.

Jesaja will seinem blinden und tauben Volk mit Gottes Versprechen und Zusage, dass es heimkehren kann, beweisen, dass es ihren Gott Jahwe gibt. Die Götter der anderen Völker dagegen sind nur Hirngespinste, Gestirnen Abbilder und nutzloses Holz, das ohne Sinn angebetet wird.

Gott selbst tritt mit Jesajas Worten, den kosmologischen Beweis an, dass er ewig ist, indem er sagt: „Vor mir ist kein Gott gemacht, so wird auch nach mir keiner sein.“ Sie wissen, schon des Längeren stellen unsere Physiker die Frage, „Was war vor dem sogenannten Urknall?“ Eine Antwort darauf wurde bis dato nicht gefunden.

Jesaja erbringt in unserem Text einen weiteren Beweis für Gottes Einzigartigkeit. Unser Gott Jahwe hat sich nicht nur einem einzelnen Menschen offenbart, sondern vielen. Angefangen von Noah, Abraham, Jakob, Saul und David, Elia und vielen anderen Propheten. Der Gott Israels und der Vater Jesu ist kein verborgener Gott und damit einzigartig in der Religionsgeschichte. Ihr seid meine Zeugen, spricht Gott.

Und Jesajas und damit Gottes dritter Beweis ist Gottes Wirken in unserer Welt. Gott selbst sagt „ich bin der Herr und außer mir ist kein Heiland.“

Wir Christen sind aufgerufen, Gottes Wirken in der Welt und auch in unserer eigenen Lebenswelt zu bezeugen. Auch ich kann schon mehrfach den 3. Vers des Liedes „Lobe den Herrn, meine Seele“ singen – „Der mich vom Tode errettet hat“ – als täglicher Radfahrer war ich dem Tod schon mehrfach nahe.

Der Evangelist Lukas, dem wir heute gedenken, bezeugt in der Tradition des Propheten Jesaja stehend, Gottes weiteres Wirken mit dem Evangelium und der Apostelgeschichte. Jesus von Nazareth, Gottes Sohn, steht für Lukas, obwohl er ihn persönlich nie gekannt hat, für das lebenswichtigste weltgeschichtliche Ereignis und die Zeitenwende Gottes.

Die Botschaft Jesu an Güte zu glauben, statt an Gewalt, an Gnade statt an Gerechtigkeit, an Vergebung statt an Vergeltung und an Gottes unsagbare Liebe zu uns Menschen, statt an Angst und Hass. Diese geradezu menschliche und lebensschützende Botschaft Jesu ist auch nach mehr als 2000 Jahren nach Jesu Geburt nicht mal in Ansätzen von uns Menschen umgesetzt. Für Lukas jedenfalls war Jesus, der das Undenkbare nicht nur dachte und verkündigte, sondern auch noch in die Tat umsetzte, indem er Menschen heilte und von Dämonen befreite, der von Gott gesandte Heiland und Messias.

Lukas sah in Jesu freimachender Botschaft auch noch mehr soziale Konsequenzen, als die anderen Evangelisten. Hungernde werden von Gott beschenkt und Reiche gehen leer aus; „verkauft was ihr habt und gebt Almosen,….denn wo euer Schatz ist, wird auch euer Herz sein, lesen wir in Lk.12, 33ff. Und im großen Abendmahl Gottes nehmen am Schluss bei Lukas die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen teil. Nur im Lukasevangelium findet sich die Geschichte vom reichen Mann und armen Lazarus.

Gleich zu Beginn von Jesus Wirken in Galiläa, lässt Lukas Jesus mit den Worten Jesajas sein Programm, seine Mission in seiner Heimatstadt verkündigen:

Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat und gesandt, zu verkündigen das Evangelium den Armen, zu predigen den Gefangenen, dass sie frei sein sollen und den Blinden, dass sie sehen sollen und die Zerschlagenen zu entlassen in die Freiheit und zu verkündigen das Gnadenjahr des Herrn.

Lukas 4,18-19

Daher wird Lukas, der eigene Akzente in Jesu Botschaft sah, gerne auch als Sozialist unter den Evangelisten und nicht nur als Befreiungstheologe gesehen. Lukas wollte in seinem Evangelium von Jesus Christus und in der Apostelgeschichte „Heilsgeschichte“ Gottes schreiben, die uns Menschen von Sorgen und Ängsten befreit. Vertrauen zu Gott, dass will er uns mit seinen Glaubensgeschichten vermitteln. So lässt Lukas schon zu Beginn mit der Geburt unseres Heilands durch den Engel Gottes verkünden: „Fürchtet euch nicht!“ Es geht dem Lukas auch in der Apostelgeschichte nicht um eine alleinig historische Darstellung – es geht vielmehr tatsächlich um Predigten die Lukas schrieb.

Eben ratlos bin ich jedoch, wie soll das Evangelium vom Reich Gottes unter uns Wirklichkeit werden? Kaum realistisch erscheint Jesu Botschaft in unserer Welt: Gewaltverzicht um des Friedens willens, freiwillige Armut um Gerechtigkeit zu schaffen, Helfen statt Strafen, Verstehen statt Verurteilen und Aufrichten statt Hinrichten. Wie soll uns das alltäglich als Menschen gelingen?

Ich höre sie schon die religiösen Strategen, die Disziplin, sich am Riemen reißen und Verzicht einfordern. Doch äußerer Zwang und Fremdbestimmung führt zu nichts.

Allein Freiwilligkeit, überzeugende Liebe zu uns selbst, schafft auch Vertrauen zu anderen Menschen und zu Gott. Letztlich ist es wohl Gnade oder die Zuwendung Gottes, die uns den Mut gibt an seinem Reich mitzubauen.

Oder viel besser ausgedrückt und von Konfirmanden oft gewählt als Konfirmationsspruch ist die unserem heutigen Predigttext in Jesaja 43 vorangestellte Zusage Gottes: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein und wenn du durch Ströme gehst, sollen sie dich nicht ersäufen. Wenn du ins Feuer gehst, wirst du nicht brennen, und die Flamme wird dich nicht versengen. Denn ich bin der Herr, dein Gott, der Heilige Israels, dein Heiland.“

Und zum Schluss die Frage an jeden von ihnen: „Gibt es den da oben?“

Ich weiß, dass mein Heiland lebt und ich verkündige gerne seine gute Botschaft. Amen

Prädikant Wilfried Kohl

Wir ernten und teilen

Predigt zum Erntedankfest 2020
von Pfarrerin Gabriele Edelmann-Richter

Liebe Gemeinde,

Kennen Sie Taizé?
Der Schweizer Theologe Roger Schutz gründete dort im frz. Burgund während des 2. Weltkriegs eine christliche Kommunität. 
Anfangs nur eine Aufnahmestation für Flüchtlinge, entwickelte sich Taizé im Lauf der Jahre zu einem Ort für internationale Jugendbegegnungen.
Zu Nicht-Corona-Zeiten sind es jedes Jahr mehrere zehntausend  Jugendliche, die dort gemeinsam beten, melodische Lieder singen, sich über die Bibel Gedanken machen und natürlich gemeinsam essen. 

Als Religionslehrerin habe ich jedes Jahr Werbung für einen Taizé-Aufenthalt gemacht. Die zurückgekommenen Schülerinnen und Schüler erzählten mir dann begeistert von dem überwältigenden Gemeinschaftsgefühl, welches sich dort schnell entwickelte.
Die Qualität des Essens löste nicht immer Begeisterungsstürme aus, doch die Tatsache, dass alle gemeinsam das Einheitsessen zu sich nahmen, alles geteilt wurde, was auf den Tischen lag, und keiner hungern musste, faszinierte die Jugendlichen immer wieder.

In unserem heutigen Predigttext geht es auch ums Teilen, ums Essen und ums Sattwerden.

 Mk 8,1-9 (BasisBibel):  

Zu dieser Zeit war wieder eine große Volksmenge bei Jesus zusammengekommen.
Da die Menschen nichts zu essen hatten, rief Jesus die Jünger zu sich. Er sagte zu ihnen: „Die Volksmenge tut mir leid. Sie sind nun schon drei Tage bei mir und haben nichts zu essen. Wenn ich sie hungrig nach Hause schicke, werden sie unterwegs zusammenbrechen – denn einige sind von weither gekommen.“ Seine Jünger antworteten ihm: „Wo soll in dieser einsamen Gegend das Brot herkommen, um diese Leute satt zu machen?“
Und er fragte sie:“ Wieviel Brote habt ihr?“ 
Sie antworteten: „Sieben“
Und er forderte die Volksmenge auf, sich auf dem Boden niederzulassen. Dann nahm er die 7 Brote. Er dankte Gott, brach sie in Stücke und gab sie seinen Jüngern zum Verteilen. Und die Jünger teilten das Brot an die Volksmenge aus.
Sie hatten auch noch einige kleine Fische. Jesus sprach das Segensgebet über sie und ließ sie ebenfalls austeilen. Die Menschen aßen und wurden satt. 
Danach sammelten sie die Reste und füllten damit sieben Körbe. Es waren etwa 4000 Menschen.
Jetzt schickte Jesus sie nach Hause. –

Liebe Gemeinde,

hier machen also 7 Brote und einige Fische 4000 Menschen satt. Und – unglaublich… hinterher bleiben noch 7 Körbe mit Brotresten übrig!
Nach heutiger Erkenntnis können wir nicht sagen, wie so etwas möglich war. Die Zahl 7 steht in der Bibel für Ganzheitlichkeit, aber wir wissen nicht, was hinter der geheimnisvollen Zahl 4000 steckt.

Für uns Zuhörer lautet die Botschaft nur: Jesus und seine Freunde verköstigen alle, die da sind!

Jesus spricht das Dankgebet, teilt das Brot und segnet die Fische. Danach machen Jesu Zuhörer die tiefgehende Erfahrung – im wahrsten Sinn des Wortes – das Brot des Lebens zu bekommen. Das was sie brauchen, das was ihnen jetzt weiterhilft. Jesus sorgt sich um die Menschen!
Er lässt seinen Worten Taten folgen!
Vielleicht wird er dabei unterstützt: einige kramen evtl. in allen ihren Taschen und finden soviel, dass sie es gerne an ihren Nachbarn weitergeben. Oder manch einer kauft sich noch im nächsten Dorf von seinen letzten Silberlingen etwas Essbares. Das Wenige, das die Zuhörer Jesu haben, teilen sie miteinander!

Liebe Gemeinde,

In unserem heutigen Gottesdienst geht es auch ums Essen.
Wenn wir uns hier umschauen, sehen wir auf dem Altar, neben dem großen Laib Brot, Gemüse und Obst, das in diesem Jahr über den Sommer hinweg gewachsen ist.

Aber das alles wächst nicht einfach so. Wir sind hier nicht im Schlaraffenland! 
Bis wir auf unserem Tisch das Essen anbieten können, steckt viel Arbeit und viel Segen dahinter!

Ich habe Ihnen heute eine Bildkarte mitgebracht. 
Darauf ist ein Gemälde des Künstlers Paul Gauguin zu sehen, welches er im Jahr 1890 gemalt hat.
Das Bild zeigt Bauersfrauen bei der Ernte. Wir sehen in der Mitte ein bewegtes, goldgelbes Kornfeld. 
Die Frauen tragen ihre Arbeitsschürzen und bücken sich tief, um mit Sicheln die Ähren zu schneiden und zu bündeln. Diese Arbeit ist mühevoll.
Rechts auf der Wiese ist ein Hund zu sehen. Aufmerksam schaut er umher. Vielleicht wartet er darauf, dass in der Mittagspause auch für ihn etwas abfällt.
Stellen Sie sich mal vor, Sie stehen auf einer Anhöhe und blicken von dort oben herunter auf die Szenerie.
Lassen Sie Ihren Blick in die Ferne schweifen. Sie erkennen das Meer in den kräftigen Blautönen. Ihre Augen können sogar das Ufer auf der anderen Seite erkennen. 
Die satten Farben der Ähren erinnern uns an die lange Zeit des Wachsens. Viel Kraft und Energie sind in die Ähren geflossen, bis sie jetzt von den Frauen geerntet werden können. 
Wir müssen keine Bauern sein, Hobbygärtner zu sein genügt auch schon, wenn wir nachvollziehen wollen, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, bis das Getreide geerntet werden kann und wir daraus Brot backen können. 
Der Bauer muss pflügen, eggen, säen, düngen. 
Dann gibt er das Wachstum in Gottes Hand. Er ist es, der den Regen, die Sonne und den Wind schenkt! 
Erst dann tritt der Mensch wieder in Aktion: Er erntet das Gewachsene und verarbeitet die Gaben.

Unser Blick geht wieder zurück zum Bild: 
Wenn wir genau hinsehen, entdecken wir Segelboote. 
In Verbindung mit unserem Predigttext könnten es Fischerboote sein, deren Besatzung sich auch erst einmal viel Mühe machen muss, um mit vollen Netzen heimzukommen.
Trotz der vielen Schweißperlen, die wir durch unser Nachdenken erahnen, strahlt das Bild eine wunderbare Ruhe aus. Die satten Farben mögen ihres dazu tun.

Aber da ist noch etwas, was dieser Ruhe zur Geltung verhilft!
Ich denke, es ist das Vertrauen. Das Vertrauen auf den Schöpfergott, der uns Menschen Saat und Ernte, Sommer und Winter, Frost und Hitze, Tag und Nacht verheißt und gibt.
Das ist es, wofür wir heute Gott danken können, auch in diesem verrückten Corona Jahr. Trotz Hitzewellen und Trockenperioden haben wir in unserem Land ausreichend ernten können. Die Pandemie hat sich zu keiner Notlage mit Hungersnot entwickelt. Bis jetzt wurde die Krise in unserem Land gut gemeistert.

Und so können wir an Erntedank Gott noch für viel mehr Dinge danken.
Im Kleinen Katechismus, dem kleinen Lehrbuch mit den 5 Hauptstücken unseres evangelischen Glaubens, schreibt M. Luther in seiner Auslegung des Vaterunsers zur Bitte um unser tägliches Brot folgendes:
Unser täglich Brot ist „alles, was not tut für Leib und Leben, wie Essen, Trinken, Kleider, Schuh, Haus , Hof, Acker, Vieh, Geld, Gut, fromme Eheleute, fromme Kinder, fromme Gehilfen, fromme und treue Oberherren, gute Regierung, gut Wetter, Friede, Gesundheit, Zucht, Ehre gute Freunde, getreue Nachbarn und desgleichen.“
Damit möchte Luther die Betenden daran erinnern, dass es in jedem Leben, bei jedem von uns ein Wachsen und ein Ernten, ein Blühen, ein Früchtetragen und ein Verwelken gibt.
Und nicht bei allen fällt die Ernte üppig aus. 
Gerade in diesem Jahr kam es bei vielen Menschen zu existentiellen Bedrohungen. Kurzarbeit, Entlassung, Vereinsamung durch zu viel Homeoffice, Spannungen in den Familien, als die Kinder über mehrere Monate zuhause bleiben mussten … ein jeder von uns kann diese Aufzählung mit eigenen Erfahrungen ergänzen.

Was/wer hilft uns da heraus?
In größter Not brauchen wir unbedingt ein sicheres Fundament, auf dem wir stehen können. 
Das können gute, echte Freunde sein, die sich auch bei uns melden, wenn kein gemeinsames Spaßprogramm ausgemacht werden kann. 
Das können zuverlässige Ansprechpartner wie der Arzt, der Seelsorger, die Pfleger, die Entscheidungsträger in der Politik sein.
Das kann auch die Neuentdeckung der Natur, der Schöpfung Gottes sein.
Viele von uns haben in diesem Jahr auch ihren Garten liebgewonnen oder gehen regelmäßig zum Waldbaden.

Wer überleben will muss umdenken!

Und manch einer hat in diesem Jahr die eigene Spiritualität entdeckt. Das Bedürfnis hier in unserer Kirche zur Ruhe zu kommen, den Kopf frei zu bekommen von Ängsten und Sorgen, um sich ganz von Gott umhüllen zu lassen.

Liebe Gemeinde,

 bestimmt gibt es noch mehr, was Sie hier aufzählen können und wofür Sie heute Gott danken können.

Danken für das, was Ihnen eine gute Ernte beschert hat.

AMEN

Die kostbare Perle des Glaubens

Predigt zum Gemeindefest der Thomaskirche
von Pfarrerin Gabriele Edelmann-Richter

Liebe Gemeinde,
suchen Sie noch oder leben Sie schon?
Was für eine Frage!
Da passt doch was nicht, werden sich einige von Ihnen denken. Das muss doch heißen: Suchen Sie noch oder haben Sie schon gefunden?
Und was ist es eigentlich, nach dem Sie suchen sollen, das so wichtig ist, dass es gleich im ersten Satz der Predigt aufgeworfen wird?

Unser kleines Anspiel vorhin hat uns schon neugierig gemacht und manch einen von uns schon nachdenken lassen.

Ich verlese noch einmal den heutigen Predigttext:
Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; in seinerFreude ging er hin und verkaufte alles, was er hatte und kaufte den Acker. Wiederum gleicht das Himmelreich einem Kaufmann, der gute Perlen suchte und als er eine kostbare Perle fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte und kaufte sie.

 Zwei Sätze nur, liebe Gemeinde und zwei große Geschichten. Zwei Momente nur – und zwei umgekrempelte Lebensläufe. Zwei unterschiedliche Menschen, die etwas Wunderbares finden und nichts bleibt wie es war.
Um das Finden geht es in den beiden Gleichnissen, die Jesus da erzählt. Um die Freude des Findens.
Aufgrund dieser Freude bleibt nichts wie es war!

Ver-rückt ist das, im buchstäblichen Sinn des Wortes.
Diese beiden Kurzgleichnisse Jesu lassen unglaubliche Emotionen hochkommen. Sie gehören zur Weltliteratur.

Werfen wir einen Blick in die Zeit der Entstehung dieser zwei Gleichnisse:
Zurzeit Jesu gehörten in Palästina nur wenige Prozent der Oberschicht und nur wenige Prozent der Mittelschicht an.
60 Prozent Unterschicht und 30 Prozent Entwurzelte.
Im ganzen Land machte sich ein Verelendungsprozess breit.
Während der Besetzung des Landes durch die Römer kam es zu Landenteignungen. Anhaltende Zeiten der Dürre zwangen viele Menschen zur Auswanderung. 1 Mio Juden lebten in Palästina, 5 Mio Juden lebten schon außerhalb des Heimatlandes.
Viele Menschen waren in der Schuldenfalle gefangen und mussten Land verkaufen, um Saatgut kaufen zu können.

Vor allem diese Menschen träumten davon, irgendwann einen Schatz zu finden. Im Judentum kursierten deshalb etliche Schatzfundgeschichten, die diese Träume nährten.
Der Kleinpächter in unserem Gleichnis findet beim Pflügen einen Schatz: 
Der Holzpflug bleibt auf einmal stecken inmitten der vielen Steine. Der Bauer wird erstmal fluchen. Doch als er merkt, dass er den größten Fund seines Lebens entdeckt hat, wird ihm plötzlich klar, dass er mit diesem Fund eine langfristige Perspektive hat. Nicht nur ein schnelles Glück.
Aber erst einmal muss er ganz cool und besonnen bleiben, denn der Acker gehört ihm nicht. Und so gehört ihm auch der Schatz nicht.

Liebe Gemeinde, Sie sehen schon, Finden heißt noch lange nicht Besitzen!
In diesem Gleichnis geht es darum, dass du erstmal in den Besitz kommen musst.
Also: Steht der Bauer dabei vor einer Wahl?… auf keinen Fall… für ihn ist es ganz klar, dass er alles dafür tun muss!
Mit unvorstellbarer Freude geht er heim und verkauft alles, was er hat, was ihn bisher im Leben gehalten hat, vielleicht sogar gefangen gehalten hat, um den Acker zu kaufen.
Dass er sich dafür entschieden hat, verdankt er dem Schatz.
Er handelt konsequent!
Aber was macht er mit dem Schatz?

Jesus erzählt nichts davon, was der Finder jetzt mit dem Schatz macht … Das spielt bei dem Gleichnis keine Rolle.
Es geht um eine Entscheidung!
… nicht um die Folgen, die ergeben sich von selbst!

Jesus erzählt dazu noch die Geschichte mit dem Perlenkaufmann.
Wieder eine außergewöhnliche Erzählung.
Denn im gesamten Judentum der Antike gibt es keine Perlenfundgeschichte.
Perlenfunde gab es in Palästina nicht, nur im Indischen Ozean oder im Roten Meer.
Perlen kamen im Leben gewöhnlicher Menschen nicht vor. Eine Perle zu besitzen war unglaublich. Nur für die wirklich Reichen möglich.

An dieser Stelle sehen wir, dass sich Jesus auch für die Reichen, für die Großhandelsleute interessiert.
Perlen waren damals wertvoller als Silber und Gold.
Perlen waren der Inbegriff des Schönen und Wertvollen.
Als der Händler diese Perle fand, war er überwältigt und so traf er die schwerwiegendste Entscheidung seines Lebens.
Auch er verkaufte alles, was er hatte, um die Perle zu kaufen.

Wir fragen uns:
Weshalb verwendet Jesus diese Bilder, die bei seinen Zuhörern großes Kopf-Kino entstehen lassen?
Wie redet er von Gott und dem Himmelreich?

Schließen Sie einmal die Augen und lassen Sie die Stichworte vor Ihrem inneren Auge vorüberziehen!
Achten Sie dabei auf Ihre Assoziationen!

– Unverhoffter Schatz – überwältigende Überraschung – wertvolle Perle – Kostbarkeit – überschwängliche Freude – Änderung des ganzen Lebens …

Merken Sie, was in Ihrem Kopf gerade passiert?
Welche Faszination von diesen Gleichnissen der Weltliteratur ausgeht?
Jesus schafft es, uns mit dieser Gattung der Schatzfundgeschichte klar zu machen, dass jeder Schatz erst einmal verborgen ist.
Jesus verweist seinen Zuhörer darauf:
Bis Du den Schatz Gott entdeckst, meinst Du, ihn gibt es gar nicht. Gott ist verborgen!
Und wenn Du das ernst nimmst, dann weißt Du, Gott ist keine Tatsache, kein Objekt, Gott ist eine Überraschung. Also auch die Vernunft kann Gott nicht wahrnehmen!

Dennoch fragen viele Menschen häufig:
Wer/wo/wie ist Gott?
Wie kann ich in Gemeinschaft mit Gott leben?

Liebe Gemeinde,
keine Wissenschaft, keine Philosophie, keine Theologie kann das klären.
Unser intellektueller Stolz muss hier aufgeben!
Die Verborgenheit Gottes muss angemessen gewürdigt werden. Gott ist nicht nur unsichtbar wie die Luft oder der Strom, sondern er ist verborgen. Er erscheint unter keinem Radar. Gott kann nicht vermessen werden.
In unserem Gleichnis findet der Mensch einen Schatz auf einem Acker, den er erst kaufen muss.

So ist das auch mit Gott, er ist nicht von Anfang an Dein Eigentum, er ist nicht in der Tiefe Deiner Person oder Deiner Gedanken zu finden; er liegt auf fremdem Territorium.
So spricht der Herr: „Meine Wege sind nicht eure Wege, meine Gedanken sind nicht eure Gedanken.“
Wir müssen seine kategoriale Fremdheit akzeptieren!
Gott ist kein Mensch, Gott ist ganz anders als ich.

Der große Theologe Karl Barth sagte: „Gott ist der ganz andere!“
Gott schenkt das Leben! – eine Überraschung!
Die Auseinandersetzung mit ihm verändert Dein ganzes Leben! Unser Verstand kann ihn nicht erfassen.
Die Entscheidung für Gott entstammt der Freude und der Dankbarkeit über den Schatz. In der Kraft des Schatzes wird die Entscheidung gefällt!
Aber wenn Du den gefundenen Schatz Dein Eigentum nennen möchtest und eine Beziehung zu ihm aufbauen möchtest, musst Du alles aufgeben!
Das heißt, dass Gott nicht nur zusätzlich erworben werden kann, …. ein wenig, halt ab und zu, mal beim Wandern und mal in einem Gottesdienst …
Gott lässt sich nicht unter Wert finden!
Er will die Nummer eins sein!
Gott ist anspruchsvoll!
Er ist dein Schöpfer, der das Ziel deines Lebens kennt!

Und deshalb spricht Jesus: Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit, dann wird euch alles andere zufallen!

AMEN

Predigt zum 9. So. n. Trinitatis

Von Pfarrerin Gabriele Wedel am 09.08.2020 in der Stephanuskirche in Gebersdorf

Liebe Gemeinde!

Manchmal sind wir vor eine Aufgabe gestellt, die wir uns nicht selbst herausgesucht haben, die viel zu groß scheint. Angst macht.

Bei der Arbeit kann ich eine Aufgabe bekommen, vor der ich erst mal zurückschrecke, weil ich nicht weiß, wie ich sie schaffen soll. Jungen Eltern kann es so gehen, wenn sie mit ihrem Neugeborenen aus dem Krankenhaus nach Hause kommen. Dass sie sich am Anfang überfordert fühlen. Wie geht das jetzt mit diesem kleinen Menschen, der ganz auf uns allein angewiesen ist. Ist er gut versorgt, können wir ihm geben, was er braucht?

Oder im Alter steht ein Umzug bevor, nach einem Schlaganfall muss ich wieder den Alltag bewältigen. Wie sollen wir das machen, wie sollen wir das miteinander hinbekommen?

Wenn man vor einer schweren Aufgabe steht, vielleicht traut man sie sich erst nicht zu, meint: das können andere besser…

Wie Jeremia es erlebt? In der Bibel wird erzählt, dass er von Gott zum Prophet berufen wird. Gottes Stimme soll er sein gegenüber den Mächtigsten, den Einflussreichen seines Landes.

Aber er ist noch jung, Anfang 20.

Und des HERRN Wort geschah zu mir: Ich kannte dich, ehe ich dich im Mutterleibe bereitete, und sonderte dich aus, ehe du von der Mutter geboren wurdest, und bestellte dich zum Propheten für die Völker. Ich aber sprach: Ach, Herr HERR, ich tauge nicht zu predigen; denn ich bin zu jung. Der HERR sprach aber zu mir: Sage nicht: »Ich bin zu jung«, sondern du sollst gehen, wohin ich dich sende, und predigen alles, was ich dir gebiete. Fürchte dich nicht vor ihnen; denn ich bin bei dir und will dich erretten, spricht der HERR. Und der HERR streckte seine Hand aus und rührte meinen Mund an und sprach zu mir: Siehe, ich lege meine Worte in deinen Mund. Siehe, ich setze dich heute über Völker und Königreiche, dass du ausreißen und einreißen, zerstören und verderben sollst und bauen und pflanzen.

Jeremia 1, 4-10

Im Südreich Israels, nahe bei Jerusalem wächst Jeremia auf, als Sohn einer Priesterfamilie.

Der König und die Fürsten im Land sagen:

Wir sind eine starke Nation, keiner kann uns etwas anhaben, Ägypten steht uns zur Seite, wir tun, was uns noch mehr Macht und Ansehen bringt. So erlebt Jeremia ihre Haltung.

Wer es wagt ihre Pläne zu hinterfragen, ihre krummen Geschäfte und ihre Gier, auch ihre Gottlosigkeit anzuklagen, weil sie das Recht der Schwächsten nicht interessiert, der riskiert sein Leben. Das weiß Jeremia.

Ich habe dich zum Propheten für diese Menschen bestellt, sagt Gott. Sogar über Könige stelle ich dich. Du sollst gehen, wohin ich dich sende, und predigen, was ich dir gebiete.

Ach Gott, ich bin doch viel zu jung. Wehrt Jeremia ab. Dahinter höre ich auch die Frage: wer von denen soll schon auf mich hören, wer wird mir glauben, dass Gott, durch mich spricht?

Jeremia ist mir sympathisch. Er ist keiner, der es genießt, im Vordergrund zu stehen, der sich aufbläht und wichtig nimmt.

Er ist keiner, der seine Sache herausbrüllt und seine Gegner klein macht. Er ist kein Blender, der die Wahrheit verdreht, zu seinen Gunsten. So wie wir es immer wieder erleben bei den Mächtigsten Männern der Welt in diesen Tagen.

Es geht ihm nicht um seine Person, seine Eitelkeit, um Macht, sondern um Gottes Gerechtigkeit. Sein werbendes Lieben, seine Kraft für die Geringsten.

So wird er ein Prophet für die Menschen, Gottes Prophet.

Einer, der es wagt, die unangenehmen Wahrheiten anzusprechen, und Unrecht ans Licht bringt, einer, der sich nicht irre machen lässt von Drohungen gegen ihn oder vom Hohn der politischen Gegner. Denn Jeremia erlebt massiv Widerstand. Trotzdem nimmt er seine Aufgabe wahr, viele Jahre lang, auch wenn es ihn unendlich viel Kraft kostet.

Auch dem Priestertum widerspricht er, seiner eigenen Herkunft. Er sagt:

Dass es nicht geht, Gottesdienst zu feiern und gleichzeitig gottvergessen zu leben und zu regieren.

Gottes Macht zu beschwören, gleichzeitig aber nur die eigene Macht im Auge zu haben.

Wenn wir so weitermachen, gehen wir alle, sehenden Auges, der Katastrophe entgegen.

Aber was er erntet, ist beißender Spott.

Mit einem Lächeln wird abgetan, was er zu sagen hat.

Er ist doch so jung. Er hat ja keine Ahnung von unseren Geschäften.

Wie aktuell diese Erfahrung ist…

Ich denke an die zahlreichen jungen Klimaaktivistinnen und Aktivisten, die seit vielen Monaten kämpfen für den Klimaschutz und nicht ablassen, sich nicht mehr abspeisen lassen wollen.

Die nicht mehr sagen: wir sind zu jung.

Es sind die leisen, scheinbar kleinen, unwichtigen Stimmen, die Großes zu sagen haben, aber von den Großen oft überhört, übertönt oder abgetan werden.

Ich bin kein Gegner des Tempolimits, aber auch kein Befürworter, aber es gibt gerade Wichtigeres zu tun sagte neulich unser Ministerpräsident.

Daneben gibt es auch die andere Stimme, die schon seit Jahren die Geschwindigkeitsbegrenzung auf bestimmten Autobahnstrecken einfordert, weil viele Leben gerettet werden könnten. Wann ist denn die Zeit da, dass die vielen Opfer im Straßenverkehr wichtig sind?

Jeremia war einer, der vieles nicht mehr hingenommen hat, der wachrütteln wollte,  so wie es Menschen auch in unserer Zeit tun:

in den USA , aber auch überall auf der Welt, Menschen des täglichen Rassismus, der Gewalt oder Ignoranz überdrüssig sind, und bei uns gegen Antisemitismus einsetzen.

Sie wollen nicht mehr hinnehmen, dass es so ist, man nichts machen kann, dass es nicht wichtig ist.

Jedes Leben zählt, eines genauso wie das andere.

Es ist ein Ruf, der viele wachgerüttelt hat.

Vor ein paar Wochen ist John Lewis gestorben.

Einer der Aktivisten der Bürgerrechtsbewegung in den USA.

Seine Geschichte erinnert mich an Jeremia.

Er schloss sich schon in jungen Jahren der Bürgerrechtsbewegung an, war kein großer Redner, aber er kämpfte und stritt für die Gleichberechtigung der afroamerikanischen Bevölkerung, und ich würde sagen: letztlich für die Gleichberechtigung aller Menschen.

Über 40 mal wird er ins Gefängnis gesperrt und bei einer Demonstration fast zu Tod geprügelt von der Polizei.

Dieser Kampf wird für ihn zur Lebensaufgabe. Ein Ruf Gottes, wenn man will, weil er daran geglaubt hat, dass es wahr ist: alle Menschen sind gleich an Wert und Würde,

Ich kannte dich, ehe ich dich im Mutterleib bereitete, so sagt Gott zu Jeremia, so sagt Gott zu uns.

Ich lasse dich nicht allein bei deiner Aufgabe. Was auch kommt:

Fürchte dich nicht vor ihnen. Denn ich bin bei dir. Und der Herr streckte seine Hand aus und rührte meinen Mund an und sprach zu mir: siehe ich lege meine Worte in deinen Mund.

Oft ist es wohl nur eine verhaltene Stimme, vielleicht eine Stimme in mir, die auf sich aufmerksam machen will,  die sagt: das ist unrecht, da geschieht etwas, was du nicht wollen kannst..

Es ist die Stimme der Kinder, der Unmündigen, sagt die Bibel, die uns wachrüttelt: ein 6 Jähriger neulich sagte: ich mag nichts mehr von dem blöden Corona hören.

Ruf Gottes? Wo kann mit aller Vorsicht und Rücksicht, die nötig ist, trotzdem ein Raum geschaffen werden, Kindern wieder etwas Unbeschwertheit zu ermöglichen, wo bewahren auch wir uns trotz allem Zuversicht, Leichtigkeit.

Vieles erleben wir davon ja.

Gottes Ruf…wir sind immer wieder gerufen, zu sehen, zu hören, zu tun, was dem Leben dient.

Oder da sind die älteren Menschen in den Heimen, die Kranken zuhause: ihre Stimmen, ihr Klagen doch oft sehr verhalten. Und trotzdem da.

Hören wir ihn, Gottes Ruf…weil jeder kurze Anruf, Brief und Besuch, spüren lässt, dass sie nicht vergessen sind.

Oder da ist eine Stimme, die sagt:  das ist jetzt deine Aufgabe, das ist jetzt dran, Ist es der Ruf an mich?

Vielleicht ist es ein Thema aus der Kindheit, das mich nicht loslässt, das ich immer wieder wegschiebe und immer wieder kommt es hoch; Ob ich die Stimme hören kann gemeinsam mit  jemandem anderem, der mich begleitet. Dass ich mich dem Rufen stelle.

Oder das Älterwerden, mit allem, was es bringt, keine leichte Aufgabe, anzunehmen, was der Körper sagt; dass vieles langsamer gehen muss, mehr Aufmerksamkeit braucht, nicht mehr geht, aber vielleicht auch einmal ein Dank, wie viele Jahre mir mein Körper schon gedient hat.

Ruf Gottes?

Dass ich nicht sage: ich bin doch viel zu alt

ich denke an einen Opa, der in den letzten Wochen seinem Enkel dreimal die Woche über Skype Sachkundeunterricht gegeben hat, weil der Junge nicht in der Schule sein konnte, die Eltern arbeiten mussten. Für beide Seiten war es ein Gewinn, eine Freude, ganz eng und intensiv Kontakt zu haben, über tausende Kilometer Entfernung hinweg. Ruf Gottes?

Fürchte dich nicht, ruft Gott uns zu, ich bin mit dir, und er streckt  seine Hand aus zu mir, will mich anrühren, meinen Mund, damit ich auch immer wieder die rechten Worte finde, und  auch den Trost, den jemand anderes jetzt braucht von mir

Gott berührt uns, dass ich spüre: es ist gut, dass ich bin, einer kennt und liebt mich von Anfang an, so wie ich bin, er umwirbt mich mit all seiner Zuneigung, damit ich mich auf ihn einlasse, ihn   immer wieder hören kann:

fürchte dich nicht, ich bin da, ich gehe deinen Weg mit. Verlass dich drauf.

Gott hat Jeremia eine schwere Aufgabe zugemutet. Die Last ist so schwer, wie das Joch, das er später tragen wird, stellvertretend für Israel. 40 Jahre lang trägt Jeremia an seiner Aufgabe, er lernt sie zu tragen., hineinzuwachsen. All das klingt hier bei der Berufungserzählung schon an.

Aber er weiß sich nicht allein gelassen.

Wir sind immer wieder vor eine Aufgabe gestellt, die wir uns nicht heraussuchen, die uns manchmal an Grenzen bringt, aber es gibt auch die Erfahrung, dass wir über uns hinauswachsen können, im Rückblick uns wundern, wie etwas zu schaffen war, immer Kraft war, es zu tun, Menschen da sind, die unterstützen, mitten in der Krise immer noch ein Halt ist, oder andere mich halten.

Amen.